Der Dreißigjährige Krieg an der Oberweser

Der „tolle Christian“, Tilly, Wallenstein und die Schweden in unserer Heimat

Texte und Berichte zu Polle

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Texte und Berichte zu Polle

Der Dreißigjährige Krieg an der Oberweser

Der „tolle Christian“, Tilly, Wallenstein und die Schweden in unserer Heimat


Die Oberweser, ja ganz Südhannover, war im Dreißigjährigen Krieg einer der wesentlichsten Kriegs-Schauplätze unseres Vaterlandes. Vom Herbst 1621 bis zum Friedenschluss 1648     ist unsere Heimat aus dem Schrecken der Kampfhandlungen kaum herausgekommen. Wir sehen hier ein unablässiges, fast verwirrend wirkendes Hin und herziehen von Freund und Feind, verbunden mit leichten und schweren Gefechten, Belagerungen und Überfällen. Plünderungen, Brandschatzungen, erzwungenen Lieferungen und Kriegsabgaben und kaum abreißenden Einquartierungen. Nur die Jahre 1627 und 1628 und 1643 scheinen etwas ruhiger gewesen zu sein. Selbst im Jahre 1648 wäre es zwischen Albaxen und Höxter noch fast zu einer Schlacht gekommen, wenn die Kaiserlichen es nicht vorgezogen hätten, kurz vor ihrem Beginn nach Nordwesten über Schwalenberg und Blomberg abzuziehen. Am Ende des  Krieges glich das Oberwesergebiet fast einer Wüste. Die mit Buschwerk und Unkraut bestandenen Felder wurden kaum noch angebaut. Ganze Dörfer und Städte, wie z. B. Holzminden und Beverungen lagen in Schutt und Asche; viele Orte sind gar nicht wieder aufgebaut. Die noch stehenden Häuser waren oft kaum noch bewohnbar, und die durch Norde, Hunger und Seuchen zusammengeschmolzene Bevölkerung lebte in einem erbarmungswürdigen Elend.

Abbildungen links: Zwei erbitterte Gegner im südlichen Niedersachsen im 30jährigen Kriege: Der “tolle” Christian (linkes Bild) sowie der Feldherr Tilly (rechtes Porträt); Quelle: ??? .


Von stolzen Burgen und Abenteurern


Im Jahre 1941 werden es 300 Jahre, dass die mächtigste Feste unseres Kreises, die Burg Polle, endgültig in Schutt und Asche sank, nachdem sie vorher während des Krieges noch drei weitere Belagerungen und Eroberungen über sich hatte ergehen lassen müssen.


Einst war sie, im 12. Jahrhundert erbaut, die Residenz der Grafen von Everstein, die ein Gebiet beherrschten, das sich etwa mit den heutigen Kreisen Hameln und Holzminden deckte. Heuet ist sie eine der schönstgelegenen Burgruinen im südlichen Hannover.

Über dem Tor der Burg befindet sich noch jetzt das vielbeachtete Wappen des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, 1589 – 1613, und seiner Gemahlin Elisabeth, einer Tochter des Königs Friedrich II. von Dänemark. Beider Sohn Christian, genannt der „tolle Christian“, war die historische Persönlichkeit, die durch eine an Wahnsinn grenzende Leichtfertigkeit das ganze Unheil jenes Krieges über unsere Gegend heraufbeschwor. Christian war eine Abenteurernatur, wie sie der Dreißigjährige Krieg in furchtbarer Ausprägung mannigfach hervorgebracht hat. Der 1621 24 Jahre alte Christian lernte im August dieses Jahres zu Arnheim in Holland den von Tilly aus seiner Residenz Prag vertriebenen „Winterkönig“ Friedrich V. von der Pfalz kennen, der nur 4 Jahre älter war als Christian.


 


Ein Frauenhandschuh als Kampfsymbol


Christian hatte ihm schon 1619 vor der entscheidenden Schlacht am „Weißen Berge“ bei Prag ein Regiment Kürassiere angeboten. Als er aber noch die bildschöne Gemahlin Friedrichs, eine Tochter des Königs Jacob von England, kennen lernte, da war es mit seiner Besinnung vorbei. Er reiste sofort nach Südhannover zurück und begann hier ein Heer anzuwerben, mit welchem er Friedrich wieder zu seinem Thron verhelfen wollte. Vorher hatte er sich von dem Exkönig noch einen Handschuh geben lassen, den er von nun an ständig an seinem Hute trug und seine Parole war: „Für Gott und für sie“: Ohne ihn wäre der Dreißigjährige Krieg gewiss nicht so schnell nach Norddeutschland vorgedrungen.


Demgemäß war das ganze in sich uneinige Nordwestdeutschland von der Mainlinie bis zur Nordsee entsetzt, als Christian mit seinen Werbungen begann. Seine Verwandten, das Domkapital Christians in Halberstadt und die niedersächsischen Stände versuchen alles, um ihn von seinem Plan abzubringen. Besonders seine Mutter flehte ihn an, von seinem Vorhaben abzulassen. Herzog Friedrich Ulrich, sein leiblicher Bruder, ließ sogar im Braunschweigischen Christians aus aller Herren Länder heranströmende Truppen angreifen und auseinander treiben. Es nützte alles nichts. Christian sammelte die abenteuerlichen Massen in der Gegend von Minden.


 


Krieg in Niedersachsen


Als er Ende 1621 13 000 Mann zusammen hatte, zog er mit ihnen durch Schaumburg, Pyrmont und Lippe nach Hessen, wo er nach und nach weiter 7 00 Mann zu ihm stießen. Dann aber holte er sich durch Tillys schnelles Zupacken bei Gießen und Höchst furchtbare Niederlagen.


In seiner Wut fiel Christian jetzt in das Paderbornernsche ein, das einst evangelisch gewesen war, aber durch den Erzbischof von Köln mit Gewalt wieder katholisch gemacht wurde. Hier hauste der „Halberstädter Feuerstocher“ und seine entmenschten Scharen wie die Teufel. Besonders die Geistlichen und die Juden bekamen Christians furchtbare Hand zu spüren. Soweit er sie nicht tötete oder verstümmelte, erpresste er von ihnen 130 000 Taler Lösegeld ohne die geraubten Kirchen- und sonstigen Schätze. Seine aus dem erbeuteten Silber geprägten Taler mit der Unterschrift


 


„Gottes Freund, der Pfaffen Feind“


kann man in Münzsammlungen noch bewundern. Das wahnsinnige Treiben wurde 1622 im Münsterschen fortgesetzt.


Wirrnisse und Übel eines grausamen Streites.


Trommelwirbel bei Wundoperationen.


Eine großartige Schiffsbrücke.


23 Schweine „gefressen“ und 50 Fass Bier „gesoffen“


 


Im Mai 1623 erhielt Tilly auf den Notschrei der Westfalen hin zu Assenheim b. Frankfurt/Main, wo er in Winterquartier gelegen hatte, den Befehl, gegen Christian vorzugehen, der sich inzwischen ins Leinegebiet verzogen hatte. Als Tilly im Sommer dieses Jahres mit 40 000 Mann in Göttingen einzog, lag Christian mit 21 000 Mann in der Gegend von Nordheim. Das Stärkeverhältnis der beiden Armeen und seiner bisherigen schlechten Erfahrungen mit Tilly ließen es Christian geraten sein, rechtzeitig das Weite zu suchen. Vielleicht war seine Entschlusskraft auch durch den Verlust seines rechten Armes gelähmt. Dieser war ihm wenige Monate zuvor bei Fleurus in Holland zerschmettert worden, und er hatte sich ihn im Angesicht seines ganzen, im Karree angetretenen Heeres, unter Trommelwirbel – Betäubung gab’s damals noch nicht – abnehmen lassen.

Tilly, Gemälde von A. van Dyck

Blutige Niederlagen der Halberstädter


 


Christian überschritt am 2. Juli „nordöstlich“ von Bodenwerder und bei Hameln die Weser und zog durch Lippe, das ihm 100 000 Pfund Brot liefern musste, nach westen, um das befreundete Holland zu erreichen. Daraufhin aber stieß Tilly auf Höxter vor und stellte bei dem dortigen Bürgermeister den Antrag, ihn durch die Stadt ziehen zu lassen. Der Bürgermeister bat Tilly flehentlich, davon absehen zu wollen, man wusste ja, wie es bei solchen Gelegenheiten zuging. Daraufhin ließ Tilly kurzerhand zwischen Höxter und Corvey eine Schiffbrücke schlagen, die am 30. Juli überschritten wurde. In einem Gewaltmarsch von 6 Tagen, auf welchem er täglich über 30 Kilometer marschiert sein muss, rückte er durch Lippe. Von dem er wiederum 40 000 Pfund Brot erpresste, Christian nach. Kurz vor der holländischen Grenze holte er ihn ein, wo er am Abend des 5. August mit ihm in Gefechtsberührung kam. Daraus entwickelte sich am nächsten Tage die blutige Schlacht bei Stadtlohn. 4 000 sollen hier von Christians Leuten erschlagen worden sein, 7 000 wurden gefangen genommen (nach anderen Quellen 6000 und 4000). Christian rettete sich mit dem Rest mühselig über die holländische Grenze.


 Trotz dieser steten Misserfolge konnte Christian es nicht lassen, doch noch weiter in die niedersächsischen Kampfhandlungen einzugreifen. Wir finden ihn z. B. noch kurz vor seinem im Juni 1626 erfolgten Tode im April d. J. mit 4 000 Reitern und 2 000 Mann zu Fuß bei Grohnde und Blomberg.


 


Wüste Belagerung von Polle


Nach der Schlacht bei Stadtlohn wandte sich Tilly wieder der Weser zu und belagerte hier trotz der Neutralitätserklärung der niedersächsischen Fürsten das strategisch wichtige, damals noch zu Braunschweig- Wolfenbüttel gehörende Polle, das am 23. September 1623 erstürmt wurde, dabei verbrannten sämtliche Urkunden und Register, die auf der Burg verwahrt wurden. 119 Stück Rindvieh und 51 Schweine mussten ihr Leben lassen. 23 Schweine und 29 Schafe wurden nach einer Notiz des damaligen Amtmanns Conrad Ludwig von dem spanischen Rittmeister und dessen Offizieren gefressen und 50 Fass Bier ausgesoffen. Der Gesamtschaden des Amtshaushaltes wurde mit 13 767 Talern angegeben. Die Geschehnisse um diese Eroberung wurden auf der Freilichtbühne Polles, an historischer Stätte in einem vieraktigen Schauspiel „Flammen über der Heimat“ 1932 aufgeführt.

Abbildung rechts: Schwedische Kupfermünzen mit Wappen der Wasas.

Gefunden 1933 auf Burg Polle beim Umbau der Freilichtbühne. Jetzt: Museum Hameln


Anmerkung: Der Hinweis “nat. Größe” in der unteren Mitte der Abbildung, der auf die Entsprechnung der ursprünglichen Abbildungen der Münzen im Vergleich zur natürlichen Größe der Originale hinweist, gilt für die Darstellung im Browser nicht unbedingt.

Morden und Brandschatzen


Tilly begab sich nach der Inbesitznahme Polles zunächst ins Hessische, kehrte aber von dort im Frühjahr 1625 zur Oberweser zurück. Als er vernahm, dass der Oberbefehlshaber der niedersächsischen Truppen, König Christian von Dänemark, nach einer Heeresschau auf der Lokkumer Heide am 24. April 1625 in Hameln eingezogen war, glaubte Tilly nicht mehr länger untätig zusehen zu dürfen. Er schlug Schiffbrücken bei Polle und Holzminden, die er am 18. Juli 1625 überschritt. In einem Raum, der sich etwa von Hannoversch-Münden bis Nienburg in der Länge und von der Weser bis zum Harz in der Breite erstreckte, begann jetzt ein furchtbares Morden und Brandschatzen, bei welchem kein Alter und Geschlecht verschont wurde. Der noch erhaltene Brief Friedrich Ulrichs von Braunschweig an den Kaiser, dem er diese Greul schildert, verrät himmelschreiende Zustände. Burg Polle wurde vorläufig aufgegeben und musste im folgenden Jahr durch Piccolomini abermals erobert werden.


Als Tilly im Oktober dieses Jahres Kalenberg belagerte, rückte zu allem Überfluss auch noch Wallenstein von der Werra her in das niedersächsische Gebiet ein, wo seine Horden, denen der Feldherr fast allen Willen ließ, noch grauenhafter hausten als diejenigen Tillys, der die schlimmsten Auswüchse einigermaßen zu unterbinden suchte. Als Wallensteins Truppen z. B. in einem 11/2 Tage währenden Durchzug das Leinetal abwärts zogen, führten sie 2 000 Wagen hochbepackt mit Beute mit sich, bogen dann allerdings von Elze aus nördlich des Harzes durch in der Richtung nach Halberstadt hin ab, nachdem Verhandlungen mit Tilly wegen einer Vereinigung beider Heere sich zerschlagen hatten.


Im Gegensatz zu Wallenstein, der sich mit Pomp und allen möglichen Geheimnissen zu umgeben wusste, ist der mönchisch einfache Tilly sicher einer der humansten Heerführer des Dreißigjährigen Krieges gewesen, der gegen Auswüchse oft scharf vorgegangen ist, und der sogar die Selbsthilfe der Bürger gelten ließ. In dem 1626 eroberten Hann.-Münden hatte man allerdings seine Truppen aus den Kanonen mit Nägeln beschossen, sodass er sie bei der nächtlichen Erstürmung nicht mehr halten konnte, und am anderen Tage über 2 200 Leichen in die Weser gekarrt werden mussten.


 


Harte Kämpfe zwischen Schweden und Kaiserlichen


Anschließend wurde Göttingen nach sechsmonatiger Belagerung im gleichen Jahr zur Übergabe gezwungen. Als Christian v. Dänemark damals versuchte, östlich der Leine nach Süden durchzubrechen, schnitt ihm Tilly bei Duderstadt den Weg ab und schlug ihn dann gänzlich am 27. August bei Lutter am Barenberge.


Vor der Belagerung Magdeburgs, die er im Hochzeitshause zu Hameln beschließt und nach seiner schweren Niederlage bei Breitenfeld durch Gustav Adolph finden wir Tilly wieder in unserer engen Heimat. Dann aber wird er zur Verteidigung Oberbayerns gegen den Schwedenkönig nach Süden abberufen, ein Auftrag, der ihm 1632 eine nochmalige Niederlage und den Schlachtentod bringen sollte.


Nach dem Tode Gustav Adolphs, der seinen Gegner Tilly nur um ein halbes Jahr überlebt hat, übernahm Georg I. von Hannover-Kahlenberg den Oberbefehl über die in Niedersachsen stehenden schwedischen Truppen, die er mit seinen eigenen vereinigte. Er eroberte damit einen festen Platz in Südhannover nach dem anderen, darunter auch das tapfer verteidigte Hameln und brachte den kaiserlichen bei Hessisch-Oldendorf 1633 eine schwere Niederlage bei, die sie 8 000 Tote und 1 800 Verwundete kostete. Auch Burg Polle wird in diesem Jahr von Braunschweigisch-wolfenbüttelschen Truppen erstürmt, muss aber bald darauf wieder von der Gegenseite besetzt worden sein.


 


Im Jahr 1641 fiel die Festung


Diesen Kämpfen fiel Burg Polle endgültig zum Opfer. Zu Beginn dieses Jahres lag hier eine Abteilung Kaiserlicher, die versuchte, die in Pyrmont eingerückten Schweden wieder zu vertreiben, die sich in der Burg Pyrmont verschanzt hatten. Über das Eis des Grabens versuchten die Kaiserlichen die Festung zu erstürmen, aber die vordersten wurden, als sie die Mauern schon erstiegen hatten wieder auf das Eis zurückgeworfen, das einbrach, sodass sich die Belagerer nur mit Mühe aus dem kalten Wasser, retten konnten.

Rekonstruktion der Poller Burg nach der Zerstörung der Unterburg durch Tilly 1623 und vor der Zerstörung durch die Schweden 1641.

Die Schweden setzten anschließend den Kaiserlichen nach und legten sich vor Burg Polle. Auf den westlich der Burg befindlichen Heimberg wurden Geschütze gebracht und die damit durch die frühere Belagerung verschonte Oberburg solange beschossen, bis sie in Flammen aufging. Die Geschützkuhlen dieser Beschießung lebten lange Zeit unter der Bezeichnung „Schwedenschanze“ in der Bevölkerung. Auch auf dem Birkenberg über der heutigen Jugendherberge befindet sich noch eine Geschützgruppe aus jener Zeit. Die Burg brannte damals aus.

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