Die Domäne Heidbrink in Polle (Weser)
Ein Musterbauernhof der Aufklärungszeit

Texte und Berichte zu Polle

Polle ist ein netter, direkt an der Weser gelegener Ort nördlich von Holzminden. Von der hoch über dem Dorf thronenden Burgruine der ehemaligen Grafen von Everstein geht der Blick nach Osten auf ein ausgeprägtes Becken mit einem der größten Weserbögen. Das dortige Gelände bildet eine ausgeprägte, weitgehend hochwasserfreie Mittelterrasse. Nur über schmale Wege und gar vom Ort Polle nur durch eine der letzten Gierseilfähren der Weser zu erreichen, steht auf dem ersten Geländeanstieg, der Kante dieser Terrasse, die Domäne Heidbrink. Ein Stich aus Merians Topographia Germaniae aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigt die Ansicht von Polle mit dem bereits „ruinierten fürstlichen Hause“ in Blickrichtung Westen aus dem Weserbogen heraus. Im Vordergrund, auf der Ostseite der Weser, sieht man ganz vorn die „Schäferei“, weiter hinten, ganz offenbar auch etwas tiefer gelegen, das „Vorwerk“ (s. Abb. 1). Diese Bezeichnung weist die Bauten als Außenposten des Wirtschaftshofes der Burg zur Bewirtschaftung der von ihm durch die Weser getrennten, ausgedehnten Flächen auf dem Ostufer des Flusses aus. Es sind die Vorgänger derjenigen Anlagen, über die hier aus einem aktuellen, leider traurigen Anlass berichtet werden muss.

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Die Domäne Heidbrink in Polle (Weser)

Ein Musterbauernhof der Aufklärungszeit


Dietrich Maschmeyer

Abb. 1: Ansicht von Polle aus Merians Topographia Germaniae. In der Mitte das „ruinierte fürstl. Haus“. Ganz im Vordergrund, hoch auf der Mittelterrasse der Weser, die „Schäferei, links dahinter das „Vorwerk“.

Die Bauten, um die es geht, entstammen nicht mehr der Zeit Merians. In den Jahren 1820 bis 1828 wurde der Schwerpunkt des Wirtschaftshofes von der Burg auf die östliche Weserseite mit ihren großen ebenen Flächen verlegt. Die dazu erforderlichen Neubauten wurden dem alten Vorwerk westlich, schon hart an der Terrassenkante, vorgelagert. Dabei entstanden zwei für die damalige Zeit hochmoderne und mustergültige Gebäudekomplexe. Deren westlicher ist der eigentliche Wirtschaftshof. Die Nord- und die Südseite des näherungsweise quadratischen Platzes werden durch den Rinderstall, sowie gegenüber durch ein sehr ähnliches, langdestrecktes Gebäude eingenommen, das im östlichen Teil wohl Back- und Brauhaus und vielleicht auch noch Schnapsbrennerei war, wovon noch ein stattlicher Lagerkeller zeugt, und dann noch eine Remise und den Schweinestall aufnahm. Die Westseite des Hofes nimmt in der Mitte das Pächterhaus ein, dessen Westfassade – zur Burg hin – mit einem allerdings deutlich jüngeren Frontispiz eindrucksvoll über einer angedeuteten englischen Parkanlage auf dem abfallenden Hang thront. Die Ostseite zum Hof hin ist zwar die Hauptzugangsseite, besitzt ansonsten derzeit außer einem etwas jüngeren, aufwendigen Holzvorbau von 1896 keine repräsentativen Elemente mehr. Ursprünglich war diese Seite durch eine Attika, einen flachen klassizistischen Dreiecksgiebel, betont (s. Abb. 2).Rechts und links, also nördlich und südlich, des Pächterhauses gibt es jeweils ein mit schlichten Sandsteinpfeilern gefasstes Zugangstor in der sandsteinernen Hofmauer. Wie auch die heute teilweise überwachsenen Wege deutlich erkennen lassen, bestand ein wesentlicher Zweck dieses Doppeltores darin, das Pächterhaus repräsentativ mit einer Kutsche umfahren zu können.

Abb. 2: Wirtschaftshof der Domäne in einer 150°-Perspektive (Montage). Aufnahmepunkt ist eine Waschanlage für Fahrzeuge, die an die Stelle der alten Viehtränke getreten sein dürfte. Links der südliche Flügel (Back-, Brau-, Brennhaus, Pferde- und Schweinestall), in der Mitte das Verwalterhaus, rechts der Rinderstall als nördlich Begrenzung des Hofes. (Foto: Dietrich Maschmeyer).

Während das Pächterhaus ein verputzter Massivbau ist, sind die beiden „Flügelbauten“ in schlichtem Fachwerk über einem hohen Sandsteinsockel errichtet. Alle Gebäude haben 45° Dächer mit der Zeitstellung entsprechendem „gebrochenem“ oder Halbwalm, die ursprünglich, bis auf das wohl mit Biberschwänzen gedeckte Verwalterhaus, mit Sollingplatten gedeckt waren.


 


Nach Osten hin stehen heute auf dem Wirtschaftshof nur einige jüngere Wagenremisen. Ursprünglich standen hier in Ost-West-Richtung die zwei ältesten Gebäude des Vorwerkes, die „Winterscheune“ und der alte Schafstall. Sie sind wohl im frühen 20. Jahrhundert durch Neubauten an anderer Stelle ersetzt und abgebrochen worden.

Abbildung 3 (Foto: Dietrich Maschmeyer).

Noch ein Stück weiter im Osten liegt, heute ohne erkennbaren architektonischen Bezug zum Wirtschaftshof, der außerordentlich gut erhaltene Komplex der Schäferei. Er besteht aus zwei gleich großen, innen fast vollständig offenen Schafställen, deren älterer (westlicher) aus grauem Bruchkalkstein errichtet ist, während der andere, 1839 datiert, aus hammerrechten roten Wesersandsteinen erbaut wurde (s. Abb. 3). Beiden Gebäuden gemeinsam sind Werksteinteile, wie sandsteinerne Eckverzahnungen, flachbogige Torgewände und Fenstergewände (s. Abb. 4). Durch einen stilistisch etwas jüngeren Wohnflügel im Süden sowie zwei Remisenflügel im Norden entstand zwischen den Gebäuden ein geschlossener, nur über ein schmales Tor im Norden und die Seitentüren der Schafställe zugänglicher Viehhof.

Abbildung 4 (Foto: Dietrich Maschmeyer).

Tor des jüngeren Schafstalles von 1839: Werksteingewände mit Königskrone und Initalien E(rnst) A(ugust) und Datierung auf dem Schlussstein des Entlastungsbogen darüber – und damit nebenbei ein frühes Beispiel für „materialgerechtes“, bewusst unverputzt gelassenes Sichtmauerwerk.

Seit Jahrzehnten hat die seit dem 18. Jahrhundert in Landesbesitz befindliche Domäne fast in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hin gedämmert. Gebäude wie der Südflügel des Wirtschaftshofes und der Schäfereikomplex waren offenbar derart entbehrlich, dass sie – mitten im Domänenareal gelegen – wie auch die Arbeiterhäusern und das Forsthaus von der Domänenkammer an Privatleute verkauft worden. Doch ist in letzter Zeit Unruhe in diesen einst, als beschaulichen Ort eingezogen:

 


Der Frischkäsehersteller Petri aus Glesse hat die gesamten Nutzflächen und den noch verfügbaren Restbestand an Gebäuden erworben. Das wäre allein wohl nicht dramatisch, hätte er nicht eindeutig das Ziel, das inmitten eines Landschaftsschutzgebietes gelegene Anwesen in eine moderne Agrarfabrik zu verwandeln. Dem soll wohl der gesamte, ihm gehörende Gebäudebestand der Domäne zum Opfer fallen. Als erstes hat es den Rinderstall getroffen. Von außen eher unspektakulär und vom Zahn der zeit arg mitgenommen, wurde er von fast allen Akteuren wohl eher als belangloser „alter Schuppen“ eingeschätzt. Kein Wunder: Hat doch sogar die Denkmalpflege, aus welchen Gründen auch immer, es bisher unterlassen, die Gebäude eingehender zu untersuchen, und das selbst dann, als Anfang 2009 ein mittlerweile genehmigter Abbruchantrag gestellt wurde.

 


Während gemäß der Konvention von Malta landauf, landab mittlerweile praktisch jede, bei Bauvorhaben auftauchende archäologische Fundstelle sorgfältig untersucht wird, gibt es im bereich der Baudenkmalpflege keine auch nur näherungsweise analoge Praxis. Resultat ist, dass ein einmaliges historisches Dokument zerstört wurde, ohne dass seine Geschichte und Bedeutung auch nur näherungsweise festgestellt worden wäre. Nicht der Abbruch, sondern das Unterlassen einer Erforschung stellt hier den schlimmeren Verstoß gegen alle Gedanken des Denkmalschutzes dar. Bei einer Untersuchung wäre vielleicht doch aufgefallen, dass die bisherige Geringschätzung des Baus seiner historischen Bedeutung wohl nicht gerecht wird.

 


In Ermangelung handfesterer Informationen will ich dennoch eine erste Einordnung versuchen. Problematisch ist dabei, dass an dem Gebäude bereits im 19. Jahrhundert einige Umbauten vorgenommen wurden, deren Art und Umfang nur eine detaillierte Untersuchung hätte aufklären können.

 


Ein „Futterstall“ wie aus dem Musterbuch.


 

Ställe in der Art des Heidbrinker Rinderstalles bezeichnet die ältere Literatur als „Futterställe“. Das soll zum Ausdruck bringen, dass sie zur ganzjährigen Stallhaltung eingerichtet waren, während der das Vieh auch mit Grünfutter versorgt wurde. Die Literatur der Aufklärungszeit (z. B. die Enzyklopädie von Krünitz) weist immer wieder auf die großen Vorteile dieser Wirtschaft hin, die durch systematischen Futterbau aus der selben Fläche sehr viel mehr Futter erwirtschaften und damit Tiere ernähren konnte. Gesteigert wurde dies noch durch die viel bessere Nutzung der Düngewirkung des Mistes durch gezieltes und zeitgenaues Aufbringen auf die Futterbauflächen an Stelle der „natürlichen“ Streuung durch das weidende Vieh.

 


Die ganzjährige Stallhaltung setzte sich in Süddeutschland im 18. Jahrhundert sehr weitgehend durch. Sie geht anscheinend zeitweise einher mit der Einführung der Massivdecken in Stallungen („Böhmische Kappen“). In Niederdeutschland blieb bis weit ins 20. Jahrhundert die Weidewirtschaft bestimmend. Nur einige wenige Gutshöfe führten die Ganzjahres-Stallhaltung ein, darunter offenbar auch die Domäne Heidbrink.


 

Den wohl frühesten Entwurf eines Rinderstalles, der dem Gebäude auf Domäne Heidbrink nicht unähnlich ist, zeigt Johann Gotthilf Angermann in seinem Werk „Allgemeine practische Civil-Bau-Kunst, welche zum Vortheil aller Haus-Wirth und Bau-Verständigen abgefasst worden“. Halle, Curt 1766, auf Tafel 52 (LII). Der aus Sachsen stammende Angermann war zu dieser Zeit „Königlich Preußischer Landbaumeister des Herzogtums Minden und der Grafschaft Ravensberg, Tecklenburg und Lingen“ (s. Abb. 5).Im Fachwerk zeigt der Entwurf bereits 1766 die allgemein als jünger geltenden Schwelle-Rähm-Streben. Ebenfalls teilt er mit dem Poller Bau die hoch liegende Schwelle mit den eingeschnittenen Türen in der Mitte der Stallabteilungen, in denen das Vieh „Schwanz zu Schwanz“, mit dem Kopf zu den dazwischenliegenden schmalen Futtergängen aufgestellt ist, von denen aus beidseitige lange Sandsteintröge beschickt werden konnten.

Abb. 5: Beispiel eines Rinderstalles aus der „Civil-Baukunst“ von Johann Gotthilf Angermann, Halle, Curt 1767. Die kleinen Firstaufsätze sind Auslässe von Lüftungskanälen. Die Gauben dienen der Belüftung des Dachraumes. Beschreibung des Autors: „a sind die drey Abteilungen bezeichnet, worinnen das Vieh steht, und zwar mit den Schwänzen zusammen,.....b sind die Krippen, hinter welchen Gänge oder Zwischen-Räume  c befindlich sind,......d sind die Futter-Kammern in welchen gemauerte Löcher  e zu Trägern befindlich... zu beiden Seiten Treppen  f.... g die Mägde-Kammer, und h ein Kälberstall...

Das Gehniveau dieser Gänge liegt in der Literatur wie auch in Heidbrink deutlich erhöht in Höhe der Oberkante des steinernen Sockels und in etwa auch der Tröge. An den Kopfseiten befinden sich Wirtschafts- und Personalräume. Diese Situation entspricht ebenfalls der in dem allerdings erst um 1825 errichteten Stall auf Heidbrink. Dort befand sich im Osten ursprünglich der Pferdestall, im Westen der Kälber- und Ochsenstall, die später ebenfalls zu Rinderständen, in Analogie zu den bereits bestehenden in der Mitte umgebaut wurden.


 


Einen Gutshof, sehr ähnlich dem der Domäne Heidbrink, beschreibt Johann Christian Friedrich Keferstein in der zweiten Auflage  seiner  „Anleitung zur Landbaukunst....“. Leipzig, Böhme 1791 auf Tafel XXV (s. Abb. 6). Er schreibt dazu: „...so habe ich noch Tab XXV, eine Zeichnung mit Grund und Aufrissen zu einem Herrschaftlichen Gehöfte beigefügt, wovon ich das Herrschaftliche Wohnhaus in hiesiger Nachbarschaft auf ein Rittergut jetzt bauen lasse, die Wirtschaftsgebäude aber nach diesen Plan vor ohngefähr 15 Jahren [1776] nach den beigefügten Anschlägen ebenfalls in hiesiger Gegend gebauet habe“. Auch Keferstein verwendet übrigens bereits Schwelle-Rähm-Streben, die im Osten Deutschlandsoffenbar deutlich früher eingeführt wurden als im Westen.

Abb. 6: „Grund und Aufriss derer Herrschaftlichen Wohn- und Wirthschafts-Gebäude des Herrn General von B. zu B....“ aus der zweiten Auflage von Johann Christian Friedrich Keferstein „Anleitung zur Landbaukunst .....“. Leipzig, Böhme 1791.

Die gesamte Landbauliteratur weist darauf  hin, dass derartige Futterställe, in denen zur ganzjährigen Feuchtbelastung durch Viehatmung und Viehmist auch noch die des feuchten Futters kam, sehr gut belüftet werden müssen. Angermann empfahl dafür über den First geführte, mit Pech abgedichtete Holzkamine (s. Abb. 4) neben Gauben zur Belüftung der Futterbühnen.

 


In Polle finden wir dagegen die typischen, vertikal vergitterten Lüftungsschleppgauben; schriftlich sind aber auch dort „Dunströhren“ dokumentiert. Die Feuchtbelastung in Futterställen hat direkt in den Ställen schnell zu einer Ablösung des Fachwerks durch Massivbau geführt. Die Decken wurden dabei oft in Gewölbekonstruktion erstellt, eine Bauweise, in der viele Regionen im 19. Jahrhundert – wie z. B. das Altenburger Land (s. Der Holznagel, 6/2007) bemerkenswerte Handwerksleistungen hervorgebracht haben.


 

An derartige Gewölbekonstruktionen erinnert unwillkürlich das Innere des Gebäudes, das allerdings eine reine Holzkonstruktion darstellt (s. Abb. 7). Üblicherweise hätte man zur Abtragung der Balkenlasten zwei einfache Ständerreihen erwartet, wie sie die beiden Schafställe auf Heidbrink auch aufweisen.  Stattdessen finden  sich hier  drei Längsunterzüge, die im Querschnitt aber nicht ganz symmetrisch angelegt, sondern leicht zur Hofseite verschoben sind. Sie „durchstechen“ mehrere, unter jeweils einem Deckenbalken quer angeordnete Ständerreihen, deren Kopfzone durch Kopfbänder auf den Balken abgesteift ist. Diese wiederum überblatten einen in etwa halber Kopfbandhöhe eingeschlossenen Riegel. Die sich so ergebende Öffnung in Art eines Achteckabschnittes wird dann durch extra eingenagelte, gebogene Hölzer zu einem vollständigen Segmentbogen geformt. In Längsrichtung erfolgt die Aussteifung durch rund geschweifte Kopfbänder, die ebenfalls einen Segmentbogen entstehen lassen, dessen Scheitel die Unterkante des recht dünnen Längsunterzuges bildet.


 


Bauzeitlich scheinen diese Arkadenkonstruktionen allerdings nur in dem bauzeitlichen Rinderstallbereich, d.h. der mittleren Einfahrt und den jeweils beiden Stallabteilungen beidseits davon, zu sein. Die jeweils dritte Abteilung, die im Westen noch zuletzt durch eine Wand abgetrennt war und im Osten auch die Spuren einer solchen aufwies, wurde, wie gesagt, später umgebaut. Eine bauhistorische Untersuchung, die den Urzustand hätte detailliert belegen können, gab es ja leider nicht. Eine recht aufwendige Verzimmerung, die sich deutlich von den Konstruktionen auf den anderen Domänengebäuden unterscheidet, wies auch das Dachwerk auf, das sich von den wesentlich simpleren Stühlen der anderen Gebäude unterschied und an Handwerker aus Mitteldeutschland (Thüringen9denken lässt (s. Abb. 8).

Abb. 7: Mittel-Längsdurchschnitt durch den alten Rinderstall mit seiner einmaligen Bogenarchitektur. (Foto: Dietrich Maschmeyer).

Die gesamte Landbauliteratur weist darauf  hin, dass derartige Futterställe, in denen zur ganzjährigen Feuchtbelastung durch Viehatmung und Viehmist auch noch die des feuchten Futters kam, sehr gut belüftet werden müssen. Angermann empfahl dafür über den First geführte, mit Pech abgedichtete Holzkamine (s. Abb. 4) neben Gauben zur Belüftung der Futterbühnen.

 


In Polle finden wir dagegen die typischen, vertikal vergitterten Lüftungsschleppgauben; schriftlich sind aber auch dort „Dunströhren“ dokumentiert. Die Feuchtbelastung in Futterställen hat direkt in den Ställen schnell zu einer Ablösung des Fachwerks durch Massivbau geführt. Die Decken wurden dabei oft in Gewölbekonstruktion erstellt, eine Bauweise, in der viele Regionen im 19. Jahrhundert – wie z. B. das Altenburger Land (s. Der Holznagel, 6/2007) bemerkenswerte Handwerksleistungen hervorgebracht haben.


 

An derartige Gewölbekonstruktionen erinnert unwillkürlich das Innere des Gebäudes, das allerdings eine reine Holzkonstruktion darstellt (s. Abb. 7). Üblicherweise hätte man zur Abtragung der Balkenlasten zwei einfache Ständerreihen erwartet, wie sie die beiden Schafställe auf Heidbrink auch aufweisen.  Stattdessen finden  sich hier  drei Längsunterzüge, die im Querschnitt aber nicht ganz symmetrisch angelegt, sondern leicht zur Hofseite verschoben sind. Sie „durchstechen“ mehrere, unter jeweils einem Deckenbalken quer angeordnete Ständerreihen, deren Kopfzone durch Kopfbänder auf den Balken abgesteift ist. Diese wiederum überblatten einen in etwa halber Kopfbandhöhe eingeschlossenen Riegel. Die sich so ergebende Öffnung in Art eines Achteckabschnittes wird dann durch extra eingenagelte, gebogene Hölzer zu einem vollständigen Segmentbogen geformt. In Längsrichtung erfolgt die Aussteifung durch rund geschweifte Kopfbänder, die ebenfalls einen Segmentbogen entstehen lassen, dessen Scheitel die Unterkante des recht dünnen Längsunterzuges bildet.


 


Bauzeitlich scheinen diese Arkadenkonstruktionen allerdings nur in dem bauzeitlichen Rinderstallbereich, d.h. der mittleren Einfahrt und den jeweils beiden Stallabteilungen beidseits davon, zu sein. Die jeweils dritte Abteilung, die im Westen noch zuletzt durch eine Wand abgetrennt war und im Osten auch die Spuren einer solchen aufwies, wurde, wie gesagt, später umgebaut. Eine bauhistorische Untersuchung, die den Urzustand hätte detailliert belegen können, gab es ja leider nicht. Eine recht aufwendige Verzimmerung, die sich deutlich von den Konstruktionen auf den anderen Domänengebäuden unterscheidet, wies auch das Dachwerk auf, das sich von den wesentlich simpleren Stühlen der anderen Gebäude unterschied und an Handwerker aus Mitteldeutschland (Thüringen9denken lässt (s. Abb. 8).

Abb. 8: Der Dachstuhl weicht deutlich von denen der anderen Gebäude ab und wurde möglicherweise von auswärtigen Zimmerern ausgeführt (Foto: Dietrich Maschmeyer)

Bei der Domäne Heidbrink handelt es sich demnach wohl um einen exemplarischen, in einem Zuge errichteten Musterhof des 18. Jahrhunderts, dessen im Wesentlichen gleichzeitige Wirtschaftsgebäude den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichten Stand des landwirtschaftlichen Bauens in einzigartiger Weise widerspiegelten. Damit kam ihm eine weit über das Regionale Hinausreichende Bedeutung für die Agrargeschichte zu, die durch die sehr gut erhaltene, angrenzende Schäferei aus dem frühen 19. Jahrhundert noch gesteigert wird oder besser wurde.

 


Der Abbruch des Rinderstalles ist damit weit mehr als die Beseitigung eines „alten Schuppens“. Er zerstörte unwiederbringlich ein bedeutendes Ensemble von überregionalem Rang. Wir können zwar das Geschehene nicht wieder umkehren, werden dem Denkmal aber mit einer Dokumentation, die weiter gefasst ist als dieser naturgemäß knappe Beitrag, ein würdiges Denkmal setzen.

 


Autor: Dietrich Maschmeyer

Veröffentlicht: Holznagel Heft: 5,  Sep/Okt 2009

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