Die älteste urkundliche Erwähnung

der Burg Polle

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Autor: Friedrich Wittkopp

Die älteste urkundliche Erwähnung

der Burg Polle


In einer Urkunde des 1163 gegründeten Zisterzienserklosters Loccum erscheint im Jahre 1285 zum ersten Male der Name der Poller Burg. Es handelt sich darin um eine Schenkung des Grafen Otto von Everstein.


 


Der lateinische Text lautet in der deutschen Übersetzung: „Otto von Gottes Gnaden Graf von Everstein allen, die dieses Schreiben sehen werden, Heil in dem Herrn.  Als eingesetzt von erfahrenen Männern und klug vorgesehen wird erkannt, daß das von dem sie wollten, daß es unverbrüderlich bleibe, durch das Zeugnis von Briefen andauere.  Es sollten also alle, sowohl die Gegenwärtigen als die Nachfolgenden, wissen, daß der Herr Abt und der Konvent des Klosters Loccum,  Zisterzienserordens, in der Diözese Minden gewisse Güter in Gestorf  1.), nämlich zehn Hufen, die Geredesroth genannt werden, und eine Hufe in demselben Dorf Gestorf gelegen, mit dem Patronatsrecht über die Kirche und deren Zubehör von Herrn Conrad, genannt von Steinberg, für 105 Mark geprüften Silbers erworben hat, die derselbe von uns zu Lehen gehabt und mit Zustimmung seines Sohnes Heinrich und anderer seiner Erben und Miterben uns frei resigniert hat. Wir aber haben das Eigentum der genannten Güter, das uns von unseren Vorfahren als Erbe nicht übertragen ist, sondern das wir von den Grafen von Schwalenberg Adolf und Albert mit Zustimmung ihrer Brüder, des verehrungs-würdigen Volquin, Bischofs zu Minden, und des Propstes Günther, Kanonikers zu Magde-burg, und anderer ihrer Erben und Miterben erworben haben, zum Erlass unserer und unserer Vorfahren Sünden den Genannten, dem Abt und dem Konvent von  Loccum, übertragen frei von jeder Vogtei und irgendwelcher Beschwerung mit allem ihrem Zubehör an Äckern, bebauten und unbebauten, Hausgrundstücken, Wiesen, Wäldern, Wassern und allem Zubehör irgendwelcher Art ruhig und frei für immer zu besitzen . Und wir sind verpflichtet, ihnen die vorhergenannten Güter zu gewährleisten, wo es ihnen notwendig sein wird und wir dazu aufgefordert sein werden. Diese Sachen Zeugen etc.   Damit alles dies gültig bleibe, haben wir das gegenwärtige Schriftstück mit unserem Siegel bekräftigt. Gegeben auf unserer Burg Polle im Jahre des Herrn 1285 am zweiten Tag nach dem Sonntag Reminiscere“ ( 19. Februar 1285 .


 


An   dieser  Stelle sei vermerkt, daß die  Orginalurkunde im Laufe der  Jahrhunderte verloren ging. Ein älteres Copiar des Klosters, das im Hannoverschen Staatsarchiv lagerte, wurde durch die Kriegseinwirkungen vernichtet, während ein jüngeres Copiar aus der Zeit um 1600 dem Kloster erhalten blieb.


 


Poller Urkunde umfangreicher Rechtsakt


Die Poller Urkunde stellt einen umfangreichen Rechtsakt dar, der bei genauer Prüfung in mehrere Einzelvorgänge zerfällt.  Otto Graf von Everstein geht es um sein Seelenheil und das seiner Vorfahren. Um dieses zu sichern, will es dem Kloster Loccum des „Obereigentum“ an den Gütern in Gestorf übertragen. Will er dieses „ Obereigentum “ aber nicht besitzt, muss er es zuvor von dem Lipper Grafen Adolf und Albert  von Schwalenberg erwerben , die dazu des Einverständnisses ihrer Brüder, des Bischofs Volquin von Minden und des Propstes Günther von Magdeburg bedürfen.


 


Der Begriff „Obereigentum“ tritt in den mittelalterlichen Urkunden des öfters auf  und gehört zu dem damaligen Lehnswesen.  „Obereigentum“ meint den Besitz als Lehensfreies Eigentum (gleich Allodium). Die Ritter Conrad von Steinberg und sein Sohn Heinrich tragen die Gestorfer Güter von dem Grafen von Everstein zu Lehen. Sie geben sie in die Hände des Eversteiners zurück – sie resignieren“ und verkaufen sie für 105 Mark abgewogenen Silbers dem Abt und dem Konvent des Loccumer Klosters .


Otto von Everstein verpflichtet sich in einer „ Nebenurkunde“, das Obereigentum an den Gestorfer Gütern auf der Gerichtsstätte des „Frigings“ (Freienthings) durch rechtmäßige, herkömmliche Urteile dem Kloster zu übertragen. Die hier geschilderten Einzelvorgänge: Der Verkauf des Obereigentums durch die Schwalenberger an Otto von Everstein, die Resignierung der Güter durch die Ritter von Steinberg an Otto von Everstein und ihr Verkauf an das Kloster durch die Ritter von Steinberg sowie die schon erwähnte Verpflichtung Ottos von Everstein, das Obereigentum bei nächster  Gelegenheit dem Kloster zu übertragen,  sind durch  Sonder- oder Nebenurkunden festgelegt. Man muss das Ganze als einen Rechtsakt betrachten, der mit aller Wahrscheinlichkeit auf den Wunsch des Klosters erfolgte .


 


Was eine Loccumer Abschrift besagt


Wie recht diese mit diesem Sicherheitsbedürfnis hatte, zeigte sich 27 Jahre später, als ein „Edelherr Heinrich von Ohsen“ dem Kloster die Gesdorfer Gütern streitig machen wollte. Darüber heißt es in einer Loccumer Abschrift, die hier nur inhaltlich wiedergegeben wird: Graf Otto von Hoya entscheidet als Schiedsrichter in „Scalkesberg“  (genannt ist die Schalksburg bei Hausberge an der Weser )  einen Streit zwischen seinem Verwandten, dem Edelherrn Heinrich von Ohsen und dem Stift Loccum, betreffend elf Hufe zu Gestorf, das Patronatsrecht über die Kirche daselbst und eine Hausstelle und zwei Hufen zu Colefeld zu Gunsten des Klosters.  Wer der genannte „Edelherr Heinrich von Ohsen“ war, in welchem Verhältnis er zu den Grafen von Everstein und worauf sich sein Anspruch auf die Gestorfer Güter stützte, lässt sich nicht mit Gewissheit klären.


 


Nach Hans Berner „Das Amt Ohsen“ ( Heft sechs der „Genealogischen Gesellschaft Hameln“,   Seite 57 ), traten zwischen 1291 und 1403 „Knappen und Ritter von Ohsen “mehrfach in Urkunden als Zeugen auf. Ein Heinrich von Ohsen wird nach Berner 1309 und 1312 genannt; er kann mit dem Edelherrn Heinrich von Ohsen identisch sein.  Beachtenswert ist, daß sein Einspruch von  einem Verwandten zurückgewiesen wird. Über die Person Ottos von Everstein lassen wir am besten die „Genealogie der Eversteiner  (Weser)“ von Professor D.J. Meyer, Göttingen, sprechen: „Otto V. (bezeugt 1260 bis 1312 ), tot 1314.  Er nannte sich seit 1285 auch Graf von Polle, ferner Graf von Everstein, Herr zu Polle, 1314 urkundet seine Witwe Ludgard, Gräfin zu Polle, Tochter des Grafen Meinhard von Schladen.  Kinder dieser Ehe sind: Elisabeth , verheiratet mit Graf Gerhard von Hallermund, Herrmann III. und Otto VII.  Sehr wahrscheinlich war Otto V. vorher schon mit Mechthild, Tochter Dietrichs von Bilstein, verheiratet gewesen. Kinder dieser ersten Ehe: Mechhild (nach dem Namen der Mutter) und verheiratet mit Konrad VI. von Schonenberg, Adelheid und Sophie, beide später Nonnen in Gandersheim.“


 


Die Heinser Villikation


Otto von Everstein stellt außer der erwähnten  „Poller Urkunde“ von 1285 eine Reihe anderer Urkunden aus. 1281 verpfändete ihm die Paderborner Kirche die Heinser Villikation mit mehreren Vorwerken. Zeugen dieser Beurkundung waren: Otto, Graf von Ravensberg,  Ludolf von Dassel, Meinhard von Schlahden  (Ottos Schwiegervater) und die Gebrüder Adolf und Albert von Schwalenberg, die uns im Zusammenhang mit der  „Poller Urkunde“ begegneten. Weil die Paderborner Kirche den Pfand  - die Heinser Villikation - nicht ein- lösen konnte,  blieb diese fortan mit den Gütern der Eversteiner verbunden.


In einer Urkunde von 1308 verzichteten Graf Otto von Everstein, seine Gemahlin Lutgardis und ihre Söhne Hermann und Otto zugunsten des Stiftes Busdorf in Paderborn  auf den Zehnten in Wilmerode, das zu den Heinser Vorwerken zählte .


 


Der von seinem Bruder Conrad vorgenommene Verkauf von Gütern in Smidersen (auch ein Heinser Vorwerk) an das Kloster Falkenhagen wurde von Otto am 10. März 1286 genehmigt. Nach einer „in castro Polle“ 1291 ausgestellten  Urkunde schenkte Otto dem Kloster Maria Magdalena in Hildesheim Güter in Dunghem . Dabei urkundet er als „Marschall von Westfalen“. Ein Jahr zuvor war er als „comes Otto von Everstein, dominus de Polle“ durch den Kölner Erzbischof zum  „Marschall von Westfalen“ ernannt nachdem er nach einer älteren Urkunde (1282) auch ein Lehnsmann dieses Erzbischofs war.  In  einer Urkunde von 1308 entsagt Otto mit Einwilligung seiner Frau Lutgard, seiner Söhne Hermann und Otto und seiner Tochter Elisabeth für das Kloster Amelungsborneinem Zins von sechs Schillingen schwerer Pfennige. Aus einem Hof in Reinleveßen (Reileifzen), überträgt die Steinmühle bei dem Dorfe Dolhem (Dölme) mit der Bestimmung, daß aus dieser namens seiner die gewöhnliche jährliche  Lieferung den Kloster entrichtet werden sollte und verzichtet auf alle Ansprüche wegen des Zehnten in Goltbeke (Golmbach). (So nach von Spilcker! Nach dem Westfälischen Urkundenbuch Nummer 626 heißt es in der Inhaltsangabe dieser Urkunde: „Graf Otto von Everstein erlässt dem Kloster Amelungsborn einen Zins aus dem Hof in Reynlevessen, und schenkt ihm die Steinmühle bei Dolhem“). Als Zeugen sind mehrere Poller Burgmänner genannt.


 


Urkunden des Grafen Otto von Everstein


In einer Urkunde Ottos und seiner Frau Lutgard vom 20. März 1309 über die Güter in Dodenbrocks befanden sich die Siegel der beiden Personen. Harenberg ließ sie in seiner „Historia Ecclesia Gandershemensis“ 1734 in Kupfer stechen. Sie sind hier wiedergegeben. Auf weitere Urkunden des Grafen Otto von Everstein mußte hier verzichtet werden.


Quellen:


Loccumer Copiar / um 1600, Calenberger Urkundenbuch von Hodenberg , Westfälisches Urkundenbuch / Band vier, Lippische Regesten / Preuß und Falkmann ,  Eversteiner Urkunden / Chr. Von Spilker.  Für die Überset-


zung der lateinischen Urkunde danke ich Herr Oberstudienrat i. R. und langjährigen Leiter des Celler


Stadtarchivs Dr. Jürgen Ricklefs, sehr herzlich.


Autor: Friedrich Wittkopp


 


Anmerkung:


    1.) Das genannte Gestorf liegt bei Hannover . ein weiteres Gestorf gibt es bei Springe. Dieser Ort konnte 1985 eine  1111 Jahrfeier abhalten.  Eine Ortschronik von Fritz Freimann, im Selbstverlag des Ortsrates, ist vorhanden.

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