Historischen Grenzsteine zwischen Polle und Corveyer Gebiet

Texte und Berichte zu Polle

Anmerkungen zu den Grenzsteinen auf der Landesgrenze

zwischen dem Calenberg/Hannoverschen

Amt POLLE

und dem Freien Reichsstift CORVEY/

Preußischen Kreis HÖXTER


An Hand von Urkunden, Schriften, Karten und Grenzbegehungen


Von Helmut R e i n

Mit 21 Abbildungen



VORBEMERKUNGEN


a) In dem Bericht des Verfassers „Grenzsteine aus der Zeit vor 1600. Steinerne Male vom Schnippkopf im Vogler zur Alten Taufe im Deister“1) wird u.a. geschrieben: Auf der ´Anwande oder Schande` zwischen dem Calenberg/Hannoverschen Amt ´Polla` und dem Freien Reichsstift Corvey von den  Weserauen `unter der Kolffte` bis auf den Köterberg gibt es eine große Anzahl von Grenzsteinen. Sie haben keine Jahreszahl, waren überhaupt zunächst ohne jegliche Zeichnung oder Beschriftung. Es sind vielfach recht große Steine, völlig unbearbeitet und ungefüge, so wie man sie gerade `ausgehauen` hatte. Die Ordnungszahlen von Nr. 1 auf dem Dreikantstein am Köterberg bis Nr. 141 nahe der Weser und bis zur verschwundenen Nr. 143 am Weserufer wurden nachträglich eingehauen, und zwar im Jahre 1832.


Die Festlegung des Grenzverlaufs nach jahrzehntelangem Streit und einem Prozess vor dem Reichskammergericht2) in dem Grenzrezess vom 11. September 1590 erfolgte nach einer damals „in ihrer Art einzig dastehenden Aufteilung strittigen Geländes durch mathematische Vermessung und geodätische Zerlegung“ (SCHNATH, 1922, S. 38)


Als der Landmesser Joh. Krabbe3) im Dezember 1588 die endgültige Karte des Grenzverlaufs zeichnete, waren die genau nach Ruthen und Fuß eingemessenen 132 Grenzsteine schon eingesetzt. Das wird auch im Rezess von 1590 erwähnt. Unter etliche Grenzsteine hatte man vierkantige Backsteine gelegt, beschriftet mit den Namen der beteiligten Fürsten.


Bei späteren Grenzbegehungen im 18. Jh. waren die Karte und die Grenzbeschreibung von 1590 schon in Vergessenheit geraten. Als man 1831/32 „etliche wandelbar gewordene“ Steine erneuerte, zehn zusätzliche Steine setzte und andere wieder aufrichtete, fand man unter dem Stein 23 einen Ziegelstein mit der Jahreszahl 1588. Corvey gehörte inzwischen zum preußischen Kreis Höxter. Nach dem Protokoll vom 22. Juli 1831 lassen sich die schon seit 1588 stehenden Grenzsteine ermitteln, da bis dahin außer dem Dreiländerstein am Köterberg (1783) und dem verlorenen Stein am Weserufer keine Steine erneuert worden waren.4)


b) Es sollen hier die beigezogenen Unterlagen ergänzend aufgeführt und die bei den Grenzbegehungen zwischen August 1982 und August 1983 gemachten Bilder beigefügt werden.

Abb. 1 L 4122 Holzminden, Maßstab 1:50 000 mit Grenzverlauf. Vervielfältigt mit Erlaubnis des

 Herausgebers: Niedersächs. Landesverwaltungsamt – Landesvermessung – B4-534/87

1. Eine Übersicht über den Grenzverlauf bietet die Karte der Nds. Landesaufnahme, Kartenblatt Nr. L4122 Holzminden (Abb. 1). Der Grenzverlauf entspricht noch dem von 1590. Nur die letzten 750 m am Köterberg finden sich auf dem nächsten Kartenblatt Nr. L4120 Bad Pyrmont. In diesem letzten Bereich findet man nur noch den Dreiländerstein von 1783. Polle nimmt nur mit einem schmalen Geländestreifen am Gipfelbereich teil, auf dem aber das Köterberghaus steht. Der Fernmeldeturm steht in Nordrhein-Westfalen, im alten lippischen Amt Schwalenberg.


 


2. In den Lippischen Regesten (PREUSS und FALKMANN, 1868) wird von einem Abschied von 1527 über das Dreiländereck berichtet. Es soll ein Wandelstein mit goldenen Buchstaben gesetzt worden sein, weisend in dreier Herren Lande. 1590 wird dieser Stein nicht mehr erwähnt.


 


3. In der Kopie des Grenzrezesses von 1590 (NRW StA MÜNSTER Ms-Mc-VII 5205, S. 164) vermerkt, dass am 10. Sept. 1783 an Stelle des Grenzsteins 132 (Ordnungsnummer von 1590) gemeinsam ein dreieckiger Stein mit den Buchstaben H, C und L, die angrenzenden Lande bedeutend, gesetzt worden sei. Das Protokoll darüber müsse sich im Corveyschen Archiv befinden. Der Grenzstein steht noch heute (Abb. 6 und 7).  


 


4. In dem Grenzrezess zwischen Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1589 – 1613, er war auch Inhaber des Herzogtums Calenberg-Göttingen) und dem Abt zu Corvey, Dietrich von Berninghausen vom 11. September 1590 (NRW StA MÜNSTER Ms-Mc-VII 5205) und in der Grenzkarte des Landmessers Johannes Krabbe vom 6. Dezember 1588 (Nds. HStA HANNOVER 12 b Polle 8 pm) sind die Grenzsteine von der Weser an bis zum Köterberg bis zur Ordnungsnummer 132 laufend nummeriert. Jedoch erscheinen die Nummern nicht auf den Grenzsteinen. Es wurde im Vertrag bestimmt, dass die Ecken der Steine auf das nächste Mal zeigen sollten, auch sollten außer den im Vorwort erwähnten Backsteinen, - zu setzen, wo man es für nötig hielt, - in die Grube unter die Steine wie üblich Kohlen, Schlacken, Glas und zerschlagene Ziegelsteine gelegt werden.


 


5. Nach der Neuordnung der Grenze 1831/1832 wurde am 23. August 1832 bezüglich des Grenzsteins Nr. 23 (Abb.) 11) ein gesondertes Protokoll aufgenommen, wohl an dem gleichen Tage, an dem auch die neuen Grenzsteine eingesetzt wurden (Nds. HStA HANNOVER 82 b, Calenberg 184). Man fand unter dem wieder aufgerichteten Stein 23 am Köterberg großen Backstein wie folgt beschriftet:


 


Der Backstein wurde wieder am Fuße des Steins eingelegt, nachdem man seine Rückseite „graviret“ hatte.

Dieser Backstein bestätigt, dass die Grenzsteine des Rezesses von 1590 schon 1588 gesetzt worden waren, als Abt Diderich schon amtierte.


7. Mit dem Grenzrezess von 1831 (Nds. HStA HANNOVER Hann. 74, Polle 48) finden wir den Anschluss an die heutigen Verhältnisse auf der Grenze. Es wurden nicht nur die Grenzsteine restauriert, es wurden vor allem Ordnungsnummern in die Steine gemeißelt, die allerdings in Unkenntnis des Rezesses von 1590 und der Krabbeschen Karte von 1588 nunmehr gegenläufig am Köterberg beginnen, beim Dreikantstein von 1783 mit der Ordnungsnummer 1, und mit der Ordnungsnummer 143 an der Weser enden. Die Grenzbegehungen des Verfassers zwischen August 1982 und August 1983 ergaben, dass die meisten der 143 Steine noch vorhanden sind, mit Ausnahme allerdings derjenigen,

die außerhalb des Waldes am Köterberg 1831/32 standen oder gesetzt wurden. Von den ersten 19 Steinen wurden nur Nr. 10 und 14 gefunden. Im Übrigen wurde aber eine genaue Zählung nicht vorgenommen.


8. Es bleibt nun eine recht unbedeutende und auch wenig interessante Aufgabe, nämlich die Antwort auf die Frage zu suchen, welche der heute noch auf der Grenze stehenden Steine schon 1588 gesetzt worden sind. Da alle Grenzsteine roh und unbehauen sind und alle die Ordnungsnummern von 1831 tragen, können wesentliche Erkenntnisse mit einer Zuordnung der Steine auf ein Bestimmtes Jahr nicht gewonnen werden. Soweit die vorhandenen Unterlagen ausreichen, sollen sie jedoch ausgewertet werde.

9. Im Wesentlichen ergibt sich aus dem Grenzrezess vom 22. Juli 1831 (Nds. HStA HANNOVER Hann. 74, Polle 48), welche alten Grenzsteine damals noch standen. Es werden mit den vorgesehenen neuen Ordnungsnummern die vorhandenen 121 alten Grenzsteine bezeichnet und ebenso die 22 neu zu setzenden, teils als Ersatz für verlorene Steine, teils als zusätzliche Steine. Es stehen nun, bzw. sollen stehen 11 Steine mehr als 1590. Zu prüfen bleibt, welche der 121 alten Grenzsteine schon einmal erneuert worden sind. Das ist einmal der Stein 1 auf dem Köterberg (siehe Absatz 3). Das ist ferner der Stein an der Weser, dessen Fehlen man 1738 feststellte (Nds. HStA HANNOVER Hann. 74, Polle 42) und der nach einem Zusatz auf dem Protokoll von 1738 im Jahre 1750 eingesetzt wurde. Im Übrigen ist das Protokoll von 1738 ersichtlich ungenau. Das bemerkt 1830 auch der reitende Förster zu Polle Kaye (Nds. HStA HANNOVER Hann. 82 b, Calenberg 184). Jedoch berührt das die Frage des Verlustes und Ersatzes alter Steine nicht. Es wird 1738 auch noch eine Grenzbeziehung von 1725 erwähnt, die zu keiner Regulierung geführt habe. Ihr Protokoll ist nicht bekannt. Schließlich gibt es noch eine Grenzbeschreibung vom 16. August 1706 (Nds. HStA HANNOVER Hann. 74, Polle 32) Sie ist flüchtig und zählt nicht einmal die Grenzsteine, beschreibt ihre Standorte auch nicht.


Man kann also von dem Protokoll vom 23. Juli 1831 ausgehen und abzüglich Stein 1 und Stein 143 folgende Grenzsteine in das Jahr 1588 datieren: 4, 5, 6, 7, 8, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 50 bis 115, 117 bis 124, 126, 127, 128, 135, 136, 138, 140, 141, 142.


Es wurde 1833 auch eine Grenzkarte gezeichnet von dem Revierförster Krüger. Nach Wittkopp ist sie im Hauptstaatsarchiv Hannover unter 11 b 44m.

Die neuen Grenzsteine werden am 23. Aug. 1832 gesetzt worden sein, da nach einem Schreiben auf diesen Tag Terminvereinbart wurde (Nds. HStA HANNOVER Hann. 74, Polle 48, Teil B). Gleichzeitig werden wohl auch die Ordnungsnummern auf den Grenzsteinen angebracht worden sein.


10.  Man könnte geneigt sein, Ortschroniken u. a. auch danach zu bewerten, wieweit sie bei einer Lage an historischen Grenzen auch Grenzfragen erörtern, ob sie örtliche und überörtliche Wegeverhältnisse aufzeigen und ob sie Urkunden, vor allem auch Grenzurkunden hinsichtlich der alten Flurnamen auswerten. Friedrich WITTKOPPS Heinser Chronik von 1957 (WITTKOPP 1957) und seine ergänzenden Berichte wie „Grenzbeschreibung des Amtes Polle von 1706“, „Grenzstreit zwischen Abt und Herzog“5) und „Flurnamen des Fleckens Polle“6) müssten da eine gute Note bekommen.


11. Die Bemühungen des Verfassers galten den vorhandenen Grenzsteinen und ihre Geschichte. Das Thema der Flurnamen im Grenzbereich blieb unbearbeitet. Es würde sich aber eine Auswertung aus WITTKOPPS Berichten, aus den Urkunden und Karten lohnen. Jedoch sind der Orientierung wegen einige Hinweise angebracht. Vom 1. Grenzstein, der 1588/90 am Weserufer gesetzt wurde, verläuft die Grenze „in der Kolffte“ hinauf  „über den wegk“ (d. i. die Straße von Heinsen nach Stahle), wo der 5. Stein (1831/32 Nr. 140) gesetzt wurde. (Abb. 20). Dann geht die Grenze „am Wittelse“ in „Rehgrund“, diesen hinauf an den „Ascherberg“ und „umb den Ascherberg“ herum. Im weiteren Verlauf quert die Grenze eine ganze Reihe teils flacher, teils tiefer Gründe. So zunächst zwischen dem 18. und 19. Stein „die grundt lütken Steindahl genannt“, etwa beidem Stein mit der heutigen Nummer 122. Beim 28. Stein wird der „Birrmans oder Woltgrund“ erreicht, heute Stein 114 (Abb. 19). Unter dem Rezess von 1590 nicht genannten Stieltalsberg stehen die Steine 37 und 38 (105 und 104), (Abb. 18 und 17). Der Stieltalsgrund“, der sich ebenso wie das kleine Steintal zum Bermannsgrund hinzieht, wird bei Stein 40 (102) erreicht. 250 m weiter westl. liegt Stein 42 (100) „fürm ligten lied“ (Abb. 16). Bei Stein 53 (89) geht es in die „Düstere Grund“ (Wolfesgrund), der sich zum „Geilental“ hinunterzieht. Die nächsten beiden Gründe, die auch zum Geilental hinunterführen, sind der „Wilmeroder Grund“. Wo sich Stein 58 und 59 (84, 83) befinden und der „Bremer- oder Schützengrund“ (Sülte-Grund), wo Stein 66 und 67 stehen (75, 76). Über die „Sülten Kämpe“ mit Stein 71 (71), (Abb. 15) geht es dann an „die grundt Lurmans Wiese“ (Liemannns Born) mit Stein 74 (68). Beim 95. Stein (47) geht es über „die schmedesser bach“ (heute Forsterbach) und bei Nr. 100 (42) über den „Vietshagen“, weiter „im Moraß“ (Weg zum Forsthaus Ziegelei) mit Stein 103 (39). (Abb. 14) zu Stein 111 (31) auf einer unbenannten Kuppe (Abb. 13). Stein 117 (25) steht im Bachgrund vor dem Hang „unter dem Köterberg“ (Abb. 12). Dann folgen Stein 119 (23), (Abb. 11) und Stein 120 (22).(Abb. 12) im Angang „unterm Köterßberg“. Über Stein 123 (19) (Abb. 9) erreichen wir dann  „das ende des holtzes, den Treisch deß Köterbeges“ mit Stein 124 (18).


Aus den vorstehenden Angaben ist ersichtlich, dass sich jedenfalls von Stein 18 an bis zum Stein 112 vor dem Bermannsgrund eine Konkordanzliste aufstellen lässt. Man braucht nur fortzuschreiben von Stein 18 (neu 1831) = Stein 124 (alt 1588) zu Stein 19 (1831) = Stein 123 (1588) usw.

Abb. 5 Ausschnitt aus einer topographischen Karte des Weserlaufs zwischen Höxter und Holzminden, die Ende des 16. Jahrhunderts in Auftrag des Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel gezeichnet wurde. Die Corveyische Grenze verläuft links in den Waldungen zwischen Weser und Köterberg. (Niedersauptstaats-archiv, Hannover); Abbildung aus Wittkopp, Grenzstreit zwischen Abt und Herzog.

Abb. 6 links (oben): Stein 1, Dreiländerstein auf dem Köterberg, 1783.

Höhe 95 cm, Breite jeder Stein 39/40 cm


12.  In der Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts – Blatt 137 Polle – aufgenommen 1783, ist der Grenzverlauf gut zu erkennen, auch die Gründe, die die Grenze durchquert und die mit Namen bezeichnet sind. Jedoch sind keine Grenzsteine eingezeichnet.



Abb. 7 links: Stein 1, Dreiländerstein auf dem Köterberg, 1783.

Höhe 95 cm, Breite jeder Stein 39/40 cm


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