Vom Osterfeuer, Wasserschöpfen und  Krengelschenken

Texte und Berichte zu Polle

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Vom Osterfeuer, Wasserschöpfen

und  Krengelschenken

 

Alte Osternbräuche aus Polle und seiner Umgebung




Veröffentlicht:  TAH, 8.4.1982

Autor:  Wolfgang Wagner

Ostern, wer denkt hier nicht unwillkürlich an ein  paar Tage zusätzlichen Urlaub, und – wo Kinder im Haus sind – an die Suche von versteckten Ostereiern.  Dass es ein klassisches christliches Fest ist, das dazu noch astronomische ausgerechnet wird, ist wohl weniger bekannt.  Gepflegt wurden in dieser Zeit noch verschiedene alte Bräuche, die nicht mehr geläufig sind.  Von Generation zu Generation weitergegeben, bildeten diese Traditionen  die Strukturen und den Inhalt der Dorfgemeinschaft,  welche heute


nur noch schwer zu verstehen sind.  Der ausgeprägte hektischen Lebensstil und die Konsumfreudigkeit stehen nicht mehr mit den Traditionen im Einklang und  haben altes Brauchtum  entwertet und schließlich verdrängt.  Typisches für die Osterzeit, ist das klassische Feuer, das sich bis heute erhalten hat.  Das Schöpfen von Wasser ist gänzlich aus der Mode gekommen;  und nur noch wenigen bekannt: das  Schenken eines Krengels durch den Paten.


 

Der  Osterkrengel


Der Osterkrengel war ursprünglich ein Geschenk an das Patenkind, das sich am Morgen des Ostersonntags bei seinem Paten einfand und diesen mit einigen  Beigaben von Süßigkeiten traditionell entgegennahm.  Wertvolle Geschenke wurden an diesen  Tag nicht überreicht. In den dreißiger Jahren war das Krengelschenken in Polle, Heinsen, Grave und Brevörde noch  lebendiger Erinnerung und gute Tradition.  Und so wusste  Else Berner, Seniorchefin der Bäckerei Berner in Polle, 1982 noch zu  berichten,  es seien  300 Stück zu Ostern gebacken  und auch verkauft worden.  Es gab insgesamt  zwei  Größen:  einen mit rund 50 Zentimeter und einen kleinen Krengel mit 20 Zentimeter Länge.  Bei einer Familie, die nun mehrere Kinder besaß, bekam jedes Kind von seinem Paten einen Osterkrengel.  Dabei fielen erfahrungsgemäß natürlich eine größere Menge an Krengeln an, die ja nicht auf einmal und  nur im frischen Zustand verzehrt werden  konnten.  Diese wurden dann in Kaffee oder Milch in einer Schüssel „eingeplockt“  und nach Bedarf mit Zucker gesüßt, denn es durfte ja nichts umkommen.  Auch altes Brot  wurde je  nach den Lebensumständen auf diese Art  und Weise  zu den Mahlzeiten noch verzehrt.  Der Volksmund prägte in scherzhafter  Weise den Begriff von  „Plocken - Polle“.


 


Dass der Brauch des Krengelschenks alt ist, lässt sich nur vermuten, mündlich konnte diese Tradition nur rund  100 Jahre zurückverfolgt werden.  Eine aktenkundige Nennung ist nicht bekannt.  Inwieweit dieser Brauch  über die genannten Dörfer hinaus gepflegt wurde, bleibt aufgrund fehlender Hinweise unklar.  Dabei kann heute allgemein festgestellt werden, daß er in den genannten Orten weitgehend eingeschlafen und schon nicht mehr tradiert wird. Hinzukommt noch erschwerend, daß es in vielen kleinen Ortschaften heute kein ortsansässigen Bäcker mehr gibt, der die Tradition pflegen könnte.


 

Das Osterwasser


Nur noch die ältere Generation in den ländlichen Gemeinden weiß von diesem Brauch zu berichten, der gänzlich aus der Mode gekommen ist  Hier waren es gerade die Frauen und Mädchen, denen die Aufgabe zukam das Osterwasser zu besorgen. Dabei war zu beachten, daß es nur zu einer bestimmten Zeit vor Mitternacht,  zum Ostersonntag aus einer klaren Quelle oder Bach geschöpft werden konnte, um seine besondere


 


Wirkung zu haben. Es wurde dann  in Flaschen oder Tongefäßen im Haus aufbewahrt und bei Bedarf verwendet.  Außerordentlich wichtig  war, daß beim Holen nicht gesprochen wurde, denn dann hatte das geschöpfte Nass seine Bedeutung verloren und war nur noch „Quasselwasser“. Neues  konnte dann  erst wieder  im kommenden  Jahr besorgt werden. Und wer mochte schon ohne Osterwasser sein? Dass sich  um diesen Brauch einige Anekdoten ranken, wird sicher  nicht ausgeblieben sein und auch seine tiefere Bedeutung gehabt haben. Denn den jungen Frauen wurde auch schon mal  aufgelauert, um sie bei ihrer Tätigkeit, in unterschiedlichster  Art und Weise zum  Sprechen zu bringen. Mit welchem Erfolg, sei einmal dahingestellt. Das in der Osternacht geschöpfte Wasser galt als besonders „heilkräftig“  und sollte Krankheit lindern oder gar  heilen. Der Bauer gab es auch seinen erkrankten Tieren, um es zu kurieren.



Das Osterfeuer


Als der bekannte  aller Osterbräuche muss das Osterfeuer genannt werden, das am Ostersonntag in der Abenddämmerung an einem gut sichtbaren Platz abgebrannt wurde.  Die Standorte sind  in den letzten Jahren  gewechselt  und alte traditionelle Plätze aufgegeben worden.  In Heinsen zum Beispiel wurde das Osterfeuer auf der Poppenburg abgebrannt, dieses ist natürlich heute nicht mehr möglich, da die topographisch vorspringende Bergzunge, die vielleicht einmal  eine Burganlage war, heute bewaldet ist. Im Flecken Polle gab es noch in den fünfziger Jahren zwei Osterfeuer, die von Jugendlichen an alten Standorten zusammengetragen wurden.  Der Flurname „Osterberg“, in der Nähe des ehemaligen Steinbruches, weist auf einen  solchen hin.  Parallelen zu ähnlichen Flurnamen in anderen Orten sind hier denkbar. So besaßen die „Auberdörpschen“,  wie man zu sagen pflegte,  ihr  Osterfeuer auf dem Birkenberg, unterhalb der Jugendherberge.  In früheren Zeiten soll es noch weiter westlich, dem Glasetal zu, abgebrannt worden sein. Die „Unterdörpschen“, also die, die im unteren Teil des Ortes von Polle wohnten - eine rein symbolische Grenze verlief zwischen Kirche und Moorgasse-, trugen ihr Feuer am Osterberg  zusammen. Die Vorbereitungen und das Zusammentragen liefen in alten Zeiten schon einige Wochen vor Ostern an. Es war eine Angelegenheit, in der Jugendliche und Konfirmanden einbezogen  und die als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden wurde.  Das Feuerholz wurde aus dem nahe gelegenen Wald besorgt  und am Brennplatz mit einer besonderen Technik zusammengestellt, auch ein Pferdegespann leistete dabei gute  Dienste, später übernahmen Trecker mit Hänger diese Aufgabe. Eine ältere Einwohnerin, die ihre Jugendzeit in Brevörde verbrachte, erinnerte sich wie es in den Jahrzehnten nach der Junderwende zuging. Das Brennmaterial für das Osterfeuer wurde von den älteren Schulkindern auf dem Dahlacker zusammengetragen.  Mit dem  Handwagen zogen die Kinder durch den Ort und sangen  dabei folgendes  Lied mit  Wiederholung:


 

„Leue, Leue  schreif  Pupeir,

gif  ösch  a bieten  torm Austerfeuer,

Holt  and  Strau  is  nich deuer.“

 


Die Kinder sammelten das Material ein und schafften es zu dem vorgesehenen Brennplatz. Beim Zusammentragen trat auch ein gewisser Ergeiz in der Gruppe auf, wer wohl das größte und am längsten brennende Osterfeuer besaß.  War das Feuer entfacht, blickte man prüfend auf die umliegenden  Nachbarorte, verglich und  beurteilte, welches wohl das größte war und ob es überhaupt mit dem eigenen mithalten konnte. Bei all der Arbeit und den Mühen, die man auf sich genommen hatte, kam es auch vor, daß Unbekannte aus dem Nachbarort  das Osterfeuer anzündeten und  ein großes  Ärgernis auslösten.  Nun war man gezwungen, neues Material zu beschaffen, soweit dieses überhaupt noch möglich war. Um dieses unterbinden, hielt man vor Ort im Wechsel Wache. Ein interessanter Brauch, der mit dem Osterfeuer im Zusammenhang steht, wird heute in seiner ursprünglichen Form aber nicht mehr gepflegt. Ein Fichtenstamm, der eine Länge von 3 Metern haben konnte, wurde vor dem Osterfest geschlagen und zu einer Fackel aufgearbeitet.  Durch ein versetztes  Längsspalten  mit  Keilen aus  Buchenholz erhielt die Fichtenstange ihre  Form; die Arbeitsweise erfolgte dabei Absatzweise.  Das untere Ende erhielt durch  das Abschälen der Baumrinde seine gewünschte Handlichkeit. Ein sorgfälliges Trocknen beendete schließlich die Arbeiten an der Osterfackel.  Am Osterabend  wurde diese in dem lodernden Feuer angezündet und unter  Schwenken zum Ort getragen. Dieser symbolischen Handlung des Feuerholens folgten  zahlreiche Einwohner, die sich eingefunden hatten und die Träger begleiteten.  Am Ortsrand brannten die Fackeln  schließlich ab. Ende der sechziger bis Anfang der siebziger Jahre brannten die letzten Osterfeuer auf der Birkenberg; schließlich eingestellt, denn der Funkenflug gefährdete die Schonungen.  1981 wurde dann mit folgendem Plakatanschlag auf den  Höhenweg eingeladen:

 


„Ob Sonne, ob Regen

Leute, geht Richtung Sonnenberg,

dem Osterfeuer entgegen.

Ob es donnert oder kracht,

es wird am Ostersonntag um

20.30 Uhr entfacht!“



Veröffentlicht:  TAH, 8.4.1982

Autor:  Wolfgang Wagner


Anmerkung:  Fr. Else Berner, Polle Burgstr.;  Fr. Hermine Claaßen, Polle Marktstr.;  Fr. Alwine Müller, Polle Bergstr.; H. Konrad Bögeholz, Brevörde , H-Karl Meyer,Polle Burgstr.;  Fr. Bittner aus Pegestorf sowie weitere Personen gaben mir seiner Zeit wertvolle Hinweise und Anregungen zum Osterbrauchtum.  Dabei lag der Eindruck vor, daß die Weser eine natürlich Brauchtumsgrenze ist.  Osterfeuer und Wasserholen wurden  auch auf der gegenüber  liegende Seite gepflegt.  Das Krengelschenken schien dort gänzlich unbekannt zu sein.  Es ist denkbar, daß dieser Brauch aus Westfälischen Gebiet eingewandert ist.

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