Die
Geistlichen der Kirchen zu Brevörde und Polle
zwischen
1540 und 1920
Den
folgenden Ausführungen liegt die Arbeit Philipp Meyers
„Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und
Schaumburg-Lippe seit der Reformation“ – Zweiter
Band Seite 277/273 – zugrunde. Die bei der Fülle des
Stoffes verständlicher Weise kurz gehaltenen Angaben konnten
durch Auszüge aus den Akten des Niedersächsischen
Staatsarchivs Hannover und des Ephoralarchivs in Bodenwerder
ergänzt werden. Für die Zeit von 1574 bis 1636 wurden
in einigen Fällen auch die „Helmstedter
Matrikeln“ hinzugezogen.
Meyer
stellt eingangs fest: „Brevörde ist m. c. (mater
combinata) von Polle. Bis zum 16. Jahrhundert war Brevörde
mater (Mutterkirche), Polle filia (Tochterkirche). Patron für
Polle Landesherr, für Brevörde Besitzer der
Grafschaft Pyrmont bis 1920, seit 1720 bei der Präsentation
alternierend“.
Wodurch es
zu der abwechselnden Besetzung der Pfarrstelle durch die Konsistorien
in Hannover und Arolsen kam, ist geschichtlich nicht einwandfrei zu
klären. Fest steht, dass die
braunschweigisch-lüneburgischen Herzöge und ihre
Nachfahren, die hannoverschen Kurfür-sten und Könige,
Erbnachfolger der Eversteiner Grafen waren. Die Pyrmonter Grafen waren
lange Zeit Pfandinhaber der Poller Burg, des dazugehörigen
Weichbildes und vielleicht auch des ganzen Amtes. Ihre rechte gingen
auf dir Fürsten zu Waldeck über. Pfarrbesetzungen
durch sie erfolgten auch schon 1720.
Die lange
Reihe der Geistlichen beginnt Meyer mit dem Namen Wittlake
(1543-158?), Er lässt das Ende der Amtszeit offen. W. soll als
fast Hundertjähriger in Polle gestorben sein. Träger
seines Namens leben noch heute in Polle.
Den Namen
seines vermutlichen Nachfolgers bringt Meyer nicht, doch liegt die
Bestallungsurkunde für „Herrn Henricus Blasenius“ aus dem Jahre 1569,
ausgestellt von dem Grafen Hermann Simon zur Lippe, dem derzeitigen
Besitzer des Pyrmonter Schlosses, noch heute im hessischen Staatsarchiv
in Marburg. 1577 erfolgte seine erneute Belehnung durch
„Philipp zur Lippe und Spiegelberg“. Die von Meyer
Offengelassene bzw. vermutete Amts-beendigung Wittlakes (158?) kann
also nicht stimmen. Von Blasenius Nachfolger kennen wir keinerlei
Daten, sondern nur seinen Namen: Zacharias Spethanen.
Auch mit Rolomannus Hulß
befinden wir uns noch auf ungewissem geschichtlichen Boden. Meyer
meint: „vor 1598“. Er fügt hinzu, dass
Hulß erblindet gewesen sei und deshalb einen Adjunkten
nötig gehabt habe. Ob das Christopherus Kuhlingus
war, der von 1598 bis 1606 in Brevörde
amtierte? Es ist kaum anzunehmen, da die Helmstedter Matrikeln seine
Ordination „in pago Wreberda (so fälschlich
für Brevörde!) et castello Polla“ mit dem
12. Juni 1596 datieren. – Auch „Magister
Christianus Caselitz, Halberstadensis“,
also aus Halberstadt stammend, wird in den Helmstedter Matrikeln
genannt. Pastor zu Brevörde war er von 1606 bis 1610. Bis 1631
amtierte er in Sarstedt. Meyers Bemerkung
„vertrieben“ bezieht sich sicherlich auf seinen
dortigen Aufenthalt und ist als Folge des
Dreißigjährigen Krieges anzusehen.
Nachfolger
in Polle wurde Johannes Meißner,
der zuvor fünf Jahre Hauslehrer bei dem Drosten zu Ottenstein
war, ehe er in Helmstedt studierte. Bei seiner Ordination
heißt es in den Matrikeln „in oppidula Polla et
pago Wreverde (oppidula und pago hier
in der Bedeutung Ort und Dorf). Der Namenszusatz
„Buttstadensis“ weist auf seine Herkunft aus
Buttstädt in Thüringen hin. Meißners Wirken
ist auch durch einige Kaufverträge bezeugt. – Noch
in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
fällt die Amtszeit seines Nachfolgers Conrad Dreier.
Die Helmstedter Matrikeln vermerken: „Conradus Dreierus,
Coppenbruggensis (also Coppenbrügge) in oppido Poll et
Breforde 11. März 1628“. Dreier war vorher mehrere
Jahre Schulmeister in Oesdorf bei Pyrmont.
Mit
„Magister Henricus Geißel
tritt ein Mann in die Erscheinung, der volle
fünfzig Jahre in Brevörde und Polle wirkte (1647 bis
1697). Er wurde 1617 in Hameln geboren und war
von 1644 bis 1647 Pastor in Elvershausen bei
Northeim. Nach den schriftlichen Angaben des Poller Geistlichen Viering
soll Geißlers Porträt in
Lebensgröße in vergoldetem Rahmen in der Poller
Kirche aufgehängt gewesen sein. Das 120 Morgen große
Brevörder Pfarrgut bewirtschaftete er
zunächst selbst. Als er eine Poller
Beamtentochter heiratete und aus diesem Grunde nach Polle
übersiedelte, verpachtete er die Pfarrländereien
gegen die Entrichtung des „Fünften“ an
Brevörder Bauern. Die Grabsteine Geißels und seiner
Ehefrau befinden sich noch heute auf dem Platz vor der Poller Kirche.
Vermutlich waren die Eheleute ursprünglich in der Kirche
beigesetzt. Aus dem Grabstein der Ehefrau – beide Inschriften
sind nur noch schwer lesbar – geht hervor, dass sie am 28.
März 1672 nach 28-jähriger Ehe im Alter von 53 Jahren
verstarb. Sie schenkte ihrem Ehegemahl vier Söhne und vier
Töchter. (Aus schriftlichen Unterlagen geht hervor, dass die
Ehefrauen des Andreas Geißel, des Apothekers
Schüßler und des Cornetts Michael Wrede Schwestern
waren). Geißel hatte in seinen letzten Lebensjahren einen
Amtsgehilfen (ab 1689), der 1697 sein Nachfolger wurde. Es war Johann
Friedrich Curen aus Netze/Waldeck.
Nach Akten des Staatsarchivs Hannover hatte er große
Schwierigkeiten mit seinen Brevörder Pfarrmeiern. Seine
Behauptung, ihm stehe wie dem Pfarrherrn in Heinsen und Pegestorf statt
des üblichen Zehnten der Fünfte zu, wurde in Abrede
gestellt. In einem Schreiben vom 26. Januar 1714, in welchem Curen von
der „von dem Hochgräflichen Regierenden Hause
Waldeck und Piermont vor 24 Jahren anvertrauten Priesterbedingungen zu
Brevörde und Polle“ spricht, hat er „acht
Himbten Weizen, ein Fuder Rogken, ein halbes Fuder Gersten, ein halbes
Fuder Habern, acht Metzen Erbsen, acht Hahnen und acht Stiegen Eier zu
fordern“. Curen starb am 15. Mai 1717 in Polle.
Den Streit mit den
Brevörder Pfarrmeiern setzte sein Nachfolger Franz Anton Orth mit gleicher Heftigkeit fort. Er
betrachtete sich als ihr „Gutsherr“. Orth war in
Lohra bei Marburg geboren; er verheiratete sich 1717 mit der Tochter
des Rentmeisters Wilstach in Aplern, nachdem er zuvor in Rinteln
studiert hatte. 1739 verließ er Polle um das Predigtamt in
Oesdorf und die Superintendentur der Grafschaft Pyrmont anzutreten. Er
verstarb in Pyrmont im Jahre 1749.
Andreas Blum, 1706 als Sohn eines
Superintendenten in Arolsen geboren, war Pastor in Sachsenberg/Waldeck
gewesen, bevor er 1740 nach Polle kam. Seine Wirksamkeit war nur von kurzer Dauer. Er stand mit
vielen Gemeindemitgliedern im Streit und wurde 1746 wegen der
Verbreitung von Irrlehren seines Amtes enthoben.
Wilhelm
Ludolf Steuerwald war von 1746 als
Interimsprediger in Polle tätig. Er stammte aus Gifhorn, wo
sein Vater Pastor war. Zuvor war er Feldprediger und hernach Pastor in
Päse bei Gifhorn. 1784 starb er als Pastor in Fallingbostel.
Auch
Gotthilf Friedrich Dieterici war
vier Jahre hindurch Feldprediger bei dem Regiment Borg in den
spanischen Niederlanden, bevor er 1746 das geistliche Amt in Polle
antrat, das er volle zwanzig Jahre innehatte. Er lebte in Helpensen bei
Hameln im Ruhestande, wo er 1782 starb.
Der 1731
als Sohn eines Pastoren in Mengeringhausen/Waldeck geborene Johann
Friedrich Hoffmeister war
Hilfsgeistlicher zu Pyrmont und Lehrer am dortigen Waisenhause, ehe er
1766 Pator in Polle wurde. Dort starb er 1773.
Johann
Christoph Uder war 1743 als Sohn
eines Kaufmanns in Osterode/Harz geboren. Nachdem er zunächst
als Kandidat tätig war, kam er 1773 nach Polle, war hier 21
Jahre im Amt und starb 1794 im frühen Alter von 51 Jahren.
Sein
Nachfolger wurde Johann Christian Viering, der
der Sohn eines Predigers im Waldeckschen war. Die Angabe Meyers, dass
er 1742 geboren sei, kann nicht stimmen. Aus den Akten geht hervor,
dass er bis zu
seinem 82. Lebensjahr in Polle amtierte und dort 1814 im Alter von 84 Jahren starb. Demnach müsste
er schon 1730 geboren sein. Nach seinem Studium war er dreieinhalb
Jahre in Lemmie bei Gehrden, danach auf einer Waldeckschen Pfarrstelle,
ehe er 1795 bis 1814 das Pfarramt in Polle antrat. Viering war mit der
Tochter eines Hofrats und Landrichters verheiratet. Aus dieser Ehe
gingen fünf Söhne und vier Töchter hervor.
Der Vater berichtet von seinen Kindern, dass der älteste Sohn
und Gutsverwalter bei Halberstadt sei. Der zweite Sohn stehe in
Kriegsdiensten. Als sein Regiment sehr schwere Verluste in Schlesien
erlitt und nach Holland verlegt wurde, hatte er auf dem Durchmarsch
durch Holzminden für einen Tag die Möglichkeit, seine
Eltern wieder zu sehen. Der Sohn diente seit 1809 bei der Deutschen
Legion und befand sich als Offizier in Bexhill/Sussex/England. Die
älteste Tochter war Haushälterin bei einem
holländischen Freiherrn in Den Haag. Als er nach Paris
versetzt wurde, folgte sie ihm dorthin. Die zweite Tochter, die
ebenfalls Haushälterin war, war zunächst bei Herrn
von Hake in Buchhagen und nach dessen Tode bei seinem Bruder in
Hasperde. Viering verdanken wir auch Mitteilungen über das
Pfarrgut und über die Poller Schule. Er behauptet, sein Wissen
aus dem Archiv in Arolsen zu haben. (Durch seine Bemerkungen kam der
Verfasser dieses Aufsatzes in den Besitz einer wichtigen
Urkundenphotokopie den Pastor Blasenius betr.). Nach Vierings Meinung
ist das Pfarrgut ein Lehen des Hauses Pyrmont und weder dienst- noch
zehntpflichtig. „Die Inhaber des Pfarrgutes können
durch nichts darthun, daß sie auf eine gültige Weise
Meyerrechte erlangt haben, sie sind vielmehr als Pächter
anzusehen“.
Johann
Wilhelm Karl Sporleder war 1765
als Sohn eines Amtsverwalters in Wernigerode geboren. Von 1802 bis 1804
war er „Lehrer der Söhne-Klasse in der
Töchterschule zu Hannover“, von 1815 bis 1840 Rektor
zu Herzberg und danach vier Jahre past. coll. in Ohsen. Polle hatte
während seiner Amtszeit 133 und Brevörde 77
Häuser mit insgesamt 326 Familien und 1954 Seelen. Darunter
waren 337 Schulkinder (223 und 114) in beiden Orten. Sporleder starb
1840 in Polle.
Die
Einkünfte der Pfarre wurden 1822 wie folgt angegeben:
Zwölf Malter Roggen, sechs Malter Gerste, sechs Malter Hafer,
acht Himbten Weizen, vier Metzen Erbsen, sechs Klafter Brennholz, 19
Brote, 19 Würste, 360 Eier, acht junge Hähne sowie 15
Morgen Ackerland, drei Morgen Wiesen, eineinhalb Morgen Garten und eine
freie Wohnung. Das Gehalt selbst betrug nur rund 36 Taler.
Franz
Friedrich Christian Koch kam
wiederum aus dem Waldeckschen. Er war 1805 als Sohn eines
Postverwalters in Korbach geboren. Nach seiner Amtszeit in Polle (1840
bis 1857) war er bis zu seinem Tode 1872 Pastor in Hemmendorf.
Karl
Christoph Georg Gehrke wurde 1812
als Sohn eines Fabrikanten in Hildesheim geboren. Vier Jahre war er
past. coll. in Herzberg. In Polle und Brevörde amtierte er von
1857 bis 1867; danach war er zunächst Pastor in Jerstedt (bis
1873) und in Gr. Schneen bei Göttingen. Dort starb 1891.
Nur sechs
Jahre währte die Poller Amtszeit des Geistlichen Wilhelm
Hermann Hagemann (1868 bis 1874),
der als Sohn eines Domänenamtmanns in Merxhausen (Hessen)
geboren war. Er war Pastor in Adorf/Waldeck gewesen. Nach seinem
Fortgang von Polle amtierte er in Bardiwick, wo er 1896 das Zeitliche
segnete.
Mit
Heinrich Friedrich Christian Beese aus
Heiligendorf, Kreis Gifhorn, übernahm ein Prediger die Poller
Pfarrstelle, den die ältesten Einwohner noch in
persönlicher Erinnerung haben werden, versah er doch hier
über 30 Jahre sein verantwortungsvolles Amt, nämlich
von 1874 bis 1907. In Polle beendete er auch seine Lebensbahn im Alter
von 67 Jahren. Bevor er nach Polle kam, war er Rektor in Neustadt am
Rübenberge.
Sein
Nachfolger wurde Friedrich Karl Theodor Emil Ritter.
Er war 1861 in Needar bei Korbach geboren. Sein Vater war
Konsistorialrat in Arolsen. Nach dem Ritter Pastor in Rhena/Waldeck und
von 1894 bis 1908 Superintendent in Pyrmont war, wirkte er von 1908 bis
1913 in Polle, ehe er als Pastor nach Sieboldshausen ging (1913 bis
1934). Nur zwei Jahre des Ruhestandes in Bad Pyrmont waren ihm noch
beschieden.
Der 1876
als Sohn eines Kanzleisekretärs in Hannover geborene Hermann
Karl Johann August Krohn beschloss
die Reihe der Poller Geistlichen, die im steten Wechsel zwischen
Hannover und Waldeck ordiniert wurden. Zuvor war Krohn past. coll. in
Münden und von 1907 bis 1914 in Barsinghausen. nach
sechsjähriger Tätigkeit in Polle wurde Krohn Pastor
in Weende bei Göttingen.
Durch den
so genannten „Akzessionsvertrag“ von 1867 waren
Waldeck und Pyrmont bereits unter preußische Verwaltung
genommen. Durch die Abdankung des Fürsten 1918 wurde die
Bindung an Preußen noch enger. Nach einer Volksbefragung 1921
wurde das Pyrmonter Gebiet 1922 mit dem Kreis Hameln vereinigt
Veröffentlicht:
wahrscheinlich im Täglichen Anzeiger Holzminden
Autor:
Friedrich Wittkopp
|