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Bäuerliches
Leben in Flett
und
Grotdäl
Erinnerung
an das Dasein auf einem alten niedersächsischen Bauernhof
Niedersächsisches
Bauernhaus mit der „Grotdör“ oder
„Missendör“. Rechts und links
davon befanden sich
Stallungen. Die Wohnhäuser – hier zum teil schon
nach vorn verlegt –
lagen ursprünglich
an der Gegenseite hinter dem Flett.
(Aufnahme: Hans Pusen)
Das
häusliche Leben unserer niedersächsischen Bauern
spielte sich zu ältester Zeit ausschließlich auf der
Diele, dem „Flett“, ab, denn dieses war der einzige
Wohnraum des Hauses. Die Stuben und Kammern wurden dem Bauernhause erst
später angefügt, als die Bedürfnisse der
Landbewohner mannigfacher geworden waren. Das Flett war von der
großen Lehmdiele, der „Grotdäl“,
vielfach durch ein Holzgitter getrennt, das dem oft frei im Hause
umherlaufenden Kleinvieh das Eindringen verwehren sollte. In der Mitte
des Flett, dessen Fußboden mit kleinen Steinen, oft in
hübschen Mustern, gepflastert war, befand sich das
„Heiligtum“ des Hauses, der aus Feldsteinen
gefügte Herd. Seine Form war in einigen Gegenden rund und
niedrig, in anderen jedoch viereckig und etwa zwei Fuß hoch.
Das Feuer auf diesem Herde verlöschte nie, selbst nachts wurde
es glimmend erhalten und mit dem eisernen oder tönernen
„Füerstülper“ bedeckt, damit die
Katzen, die sich gerne am Feuer wärmten, in ihrem Fell nicht
etwa glimmende Funken in das Stroh trugen. Frühmorgens fachte
die sorgsame
Hausfrau die Glut mit einem Blasebalg, dem Püster, oder auch
wohl mit eigener Lungenkraft an, und bald brodelte die Morgensuppe
über dem flackernden und knisternden Feuer.
Kienspan am
Kesselhaken
Über
dem Herde hing an dem oft mit geschnitzten Pferdeköpfen
geschmückten, durch den Rauch glänzend schwarz
gefärbten Rahmen der Kesselhaken, eine lange, flache,
gezähnte, unten zu einem Haken umgebogene Stange, an deren
Seiten zuweilen Tüllen für den Lichtspendenden
Kienspan angebracht waren. Dieser Kesselhaken spielte in dem Bauernhaus
mit dem Herd zusammen eine bedeutende Rolle. Vor dem Kesselhaken
empfing der Bauer einst von seinem Gutsherrn gegen einen Schilling den
Hof, und wollte der Herr den Bauern „abmeiern“, so
hing er zu Lichtmess einen Schilling an den Kesselhaken. Der Bauer
musste dann zu Michaelis ausziehen. Solche Höfe nannte man
Schillingshöfe.
Ein
dämmriges Licht erhellte das Flett von kleinen, auf beiden
Seiten angebrachten Fenstern, die häufig mit Buntgemalten
Glasscherben verziert waren. Es waren dies Geschenke von Nachbarn und
Freunden zur Erinnerung an die „Husbörn“,
das Richtfest, und bei dem so genannten Fensterbier gestiftet. Auf
jeder Seite hatte der Raum zudem eine waagerecht geteilte Tür,
die so genannte Blangen- oder Lüttdör im Gegensatz zu
der großen Tür, die von außen auf die
Lehmdiele führte und „Grotdör“
sowie auch „Missendör“ genannt wurde.
„Butzen“
als Schlafstätten
An den
Seitenwänden des Flett befanden sich die
Schlafstätten, mit Schiebetüren versehene Butzen.
Hier standen auch die mächtigen Truhen und Schränke,
glänzten auf den „Börden“ als
Stolz der Hausfrau die zinnernen und tönernen Teller und
Schalen. Am Speckwiemen vor dem Rehmen hingen Schinken, Würste
und Speckseiten zum Räuchern. Um den Herd herum standen
einfache Stühle mit aus Binsen oder Weidengeflecht
hergestellten Sitzen; der lange eichene Esstisch hatte seinen Platz am
Fenster, an ihm wurden die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen. Jeder
Hausbewohner hatte seinen bestimmten Platz. Messer, Gabeln und
Selbstgefertigte Holzlöffel steckten in einem Lederriemen an
der wand. Suppe und Milch wurden aus einer gemeinsamen
Schüssel gegessen.
Während
des Tages waren die Männer auf dem Felde beschäftigt,
und das Flett dann die Arbeitsstätte der Hausfrau und der
Mägde. Müßiggang war auf dem Bauernhofe ein
Unding; selbst die altersschwachen Altenteiler halfen noch in Haus und
Hof, soweit es ihre Kräfte zuließen. Der Hausfrau
oblag auch die Sorge für das Vieh; in dem großen
Grapen über dem Herdfeuer brodelten die Kartoffeln
für die „Swien“, und die Milchwirtschaft
ließ die Hände nicht ruhen, denn das Melken, Buttern
und Käsemachen nahm viel zeit in Anspruch.
Herdstelle
im Flett eines niedersächsischen Bauernhauses. Der Topf hing
an einem eisernen Kesselhaken, an dem früher auch der Kienspan
befestigt wurde. -
(Aufnahme:
Gerhard Seiffert)
Einfache,
aber derbe Kost
Auf die
Zubereitung der Mahlzeiten verwandte man nicht allzu viel
Mühe. das Essen einfach, derbe, nahrhaft und reichlich, denn
die Männer brachten einen tüchtigen Hunger mit, wenn
sie vom Felde kamen. Eine Milchsuppe mit eingebrocktem Schwarzbrot, ein
großer Grapen mit „Klüten“,
Mehlklößen, oder Kartoffeln und einige
große Stücke gekochten Specks oder
Pökelfleisch bildeten den täglichen
Küchenzettel, wenn nicht mit Fleisch und Kartoffeln
Zusammengekochte Bohnen, Steckrüben oder Erbsen damit
abwechselten. Abends gab es wieder Klüten, gebratene
Kartoffeln oder Pellkartoffeln und wohl auch einmal als leckeres, von
den Kindern besonders bevorzugtes Gericht,
„Pannkoken“, einige Satten Dickmilch wurden dazu
gelöffelt.
War das
Flett mehr die Arbeitsstätte der Frauen, so schafften die
Männer, soweit sie nicht auf dem Felde waren, auf der
Grotdäl. An den Seiten standen links die Kühe und
rechts die Pferde. Besonders zur Erntezeit war die Grotdäl oft
die Stätte reger Arbeit. Die großen, mit Heu oder
Korngarben hochbeladenen Wagen fuhren dann durch die Grotdör
in das Haus und ihre Last musste durch die Luke auf den Boden
„gestakt“ werden. Später wurden die Garben
zum Ausdreschen dann wieder heruntergeworfen.
Wenn die
Arbeit getan war
Erst nach
Anbruch des Abends, wenn die Arbeit getan war, wurde es im Flett und
auf der Grotdäl ruhiger. Dann setzten sich die Hausbewohner,
ob Bauer oder Bäuerin, ob Altenteiler, oder Knecht oder Magd,
noch auf ein Stündchen zur gemütlichen Unterhaltung
um das Herdfeuer, wo der Trankrüsel, oder zu älterer
Zeit der Kienspan, ein mattes Licht verbreiten. Nachbarn pflegten sich
wohl noch einzufinden, „um di tun
dat tau besnacken“. Auch lebten einst in fast jedem
Dorfe einige alte Leute, die als Geschichtenerzähler beliebt
waren und abends gern ihren gespannt horchenden Zuhörern von
allerlei Fahrten, alten Sagen und geheimnisvollen Spukgeschichten
berichteten. Solche meistens mit einer lebhaften Phantasie begabte
Originale bildeten oft die lebendige Dorfchronik, und ihr
Gedächtnis, in dem auch die kleinste Begebenheit haften
geblieben war, fand immer neuen Stoff zur Unterhaltung.
Müßiggang
verpönt
Die
gutmütige Hausfrau spendete den Ihren und den Gästen
dann auch wohl einen Trunk Eigengebrauten Braunbiers, das aus
großen Weißglasierten bunt bemalten
Fayence-Krügen oder aus Zinnkrügen getrunken wurde.
Aber auch jetzt wurden die Hände nicht
müßig in den Schoß gelegt, sondern mit
Ausnahme des Hausherrn und der Gäste hatte jeder seine Arbeit.
Die Hausfrau besserte Strümpfe und Kleidungsstücke
aus, die Mägde spannen, haspelten oder nähten,
während die Knechte Harkenzinken, Löffel und anderes
Gerät schnitzten, reparierten oder Körbe flochten.
Aber schon
nach wenigen Stunden begaben sich alt und jung zur Ruhe, um
für den kommenden arbeitsreichen Tag, der schon beim ersten
Morgengrauen begann, neue Kräfte zu sammeln. In Flett und
Grotdäl des Bauernhauses wurde es still.
So
war’s einmal, als es noch keine Trecker und
Mähdrescher, keine Melkmaschinen, Elektroherde, Staubsauger
und Waschmaschinen und als auch noch keine Fernseher gab. Jedoch:
„Man muss seine Ahnen ehren, aber über sie hinaus
fortschreiten. Nicht unserer Vorväter Werke, sondern unserer
Vorväter Gesinnung gilt es nachzuahmen und aus ihr heraus
Selbständiges zu schaffen“.
Autor: Gerhardt Seiffert
Veröffentlicht: DEWEZET,
14. Mai 1977 Nr.
112 / 130. Jahrg.
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