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Kleiner Streifzug durch die Geschichte, Funktion und den Aufbau der Burgruine im Flecken Polle, Landkreis Holzminden
Im Hochmittelalter bestanden auch im Landkreis Holzminden zahlreiche Burgen, die je nach der vorhandenen natürlichen Gegebenheit als Wasser-, Stadt- und Höhenburg errichtet wur-den. Diese bildeten neben Städten wichtige Zentren in der mittelalterlichen Kulturlandschaft. Nur wenig Bausubstanz ist aus dieser Blütezeit des Burgenbaus erhalten geblieben, Urkunden, Chroniken und Flurnamen berichten heute noch über die einstige Existenz und die teilweise wechselhafte Geschichte der alten Festungswerke. Zu einer typischen Höhenburg, die auf einem Bergsporn errichtet wurde, gehört auch die Dynastenburg der Grafen von Everstein im Flecken Polle, die als Wahrzeichen die Ortsansicht entscheidend mitbestimmt. In der etymologischen Wortbedeutung weist die Ortsbezeichnung auf eine Erhöhung hin.
Der heutige Teil der oberen Burganlage, die Burgruine, mit ihrer gekrümmten Grundrissform zählt zu den romanischen Höhenburgen. Die Entstehung wird allgemein auf um 1200 angesetzt. Damit fällt dieses in eine Zeit, als die Grafen von Everstein versuchten, ihr eigenes Territorium an der Weser mit den zusammenhängenden Besitzungen zwischen Hameln und Holzminden auszubauen und durch die Errichtung von Burgen zu sichern und zu festigen. Die Lage der Burg auf dem Bergsporn über der Weser weist eindeutig strategische Aspekte auf. So bestand unterhalb des Burgfelsen durch die Weser eine Furt, die gesichert werden konnte und bis in die Neuzeit hinein ein lästiges Schifffahrtshindernis bildete.
Überliefert wird die Burg erstmalig durch eine Urkundenabschrift, in der Graf Otto von Everstein im Jahre 1285 dem Zisterzinser-Kloster Loccum Güter in Gestorf bei Hannover überträgt. Bei der verheerenden „Eversteinschen Erbfolgefehde“ wird die Burg Polle 1407 von den Braunschweigischen Truppen eingenommen. Hermann der VII. Graf von Everstein geht als letzter seines Geschlechtes in die Verbannung.
Auch im Dreißigjährigen Krieg rückt Burg Polle als strategischer Mittelpunkt an der Weser mehrere Male in das Blickfeld der kriegerischen Ereignisse und geht nach Belagerung und Beschuss durch die Schweden 1641 letztlich in Flammen auf. Während die Unterburg später
eine Umgestaltung und Erweiterung als Verwaltungsmittelpunkt für die umliegenden Orte wird, verliert die Oberburg an Bedeutung, wird nicht wieder aufgebaut und verfällt als Ruine. Der schlechte Erhaltungszustand der Burgruine lässt nach einer eingehenden Bestandsaufnahme Anfang der achtziger Jahre eine umfassende Sanierung als dringend notwendig erscheinen. Im Frühjahr 1984 können die Arbeiten als Arbeitsbeschaffungsmaß-nahme aufgenommen werden. Gilt es doch, dass durch Pflanzen- und Strauchbewuchs gelockerte, durch die Verwitterung geschädigte Mauerwerk so wieder herzustellen und zu sichern, dass der derzeitige Charakter der Ruine erhalten bleibt. Von den erheblichen Schuttmengen konnte im Frühjahr 1985 der nördliche Teil der Ringmauer freigelegt werden. Durch bauliche Maßnahmen wurde dieses Teilstück ebenfalls gesichert und in den wesentlichen Zügen wieder errichtet. Für den Besucher, der den mittleren Teil der Burganlage vom Ort her betritt, vermittelt diese jetzt wieder einen wehrhaften Eindruck. Ein kleiner unscheinbarer Raum in der Ringmauer, in seiner Funktion unbekannt, ist dabei heute nicht mehr zugänglich. Eine Armbrustscharte fand in der Bastion neben dem Aufgang einen angemessenen Platz und erlaubte den Verteidigern auf der Burg, sich verdeckt zu bewegen. Ein Zinnkranz, eine Brustwehr sowie ein Wehrgang dürften einst den Abschluss der die Burg umlaufenden Ringmauer gebildet haben. Ob dagegen ein überdachter Wehrgang vorhanden war, so wie es von erhaltengebliebenen Burgen bekannt ist, bleibt ungeklärt. Damit könnte dem Gebäudeteil eine noch nicht bekannte und bedeutende Funktion zukommen. In das Bruchsteinmauerwerk eingelassen ist eine alte Sandsteinkugel aus der Zeit der Burgbelagerung. Der eigentliche Wohnbereich wird heute noch von den Außenmauern umfasst und enthält neben dem Bergfried den Burghof mit dem Burgbrunnen. Bei einer Belagerung war die Versorgung der Burgbewohner mit Trinkwasser von aisschlaggebender Bedeutung. Die Erbauer der Burg legten deshalb besonderen wert darauf. Bei dem Brunnen handelt es sich um einen quadratischen Schacht, der in den Muschelkalk getrieben wurde und bis 1936 verschüttet war. Mit einer Tiefe von etwa 10 Metern erreicht der Brunnen die ursprüngliche Sohle des Schachtes noch nicht. Einer Überlieferung zufolge soll der Brunnen der Ausgangspunkt von Fluchtwegen bis in den Ort hinein sein. Dieses erscheint nicht abwegig, da der obere Burgbereich teilweise aufgeschüttet ist und aus der Burgkunde Fluchtwege bekannt sind. Bei den fortschreitenden Sanierungsarbeiten wurde überraschend an der Ringmauer zur Weserseite ein bisher unbekanntes Gewölbe freigelegt. Durch eine archäologische Untersuchung konnte der Schutt beseitigt werden und ein Aufgang in die Burg ausgegraben werden. Parallel dazu wurden Reste eines eingestürzten Gewölbes freigelegt und wieder rekonstruiert. Nur durch weitere gezielte archäologische Untersuchungen im Burgbereich und im Brunnen kann die Frage nach dem Umfang der Bebauung und dem Vorhandensein weiterer unterirdischer Gänge abgeklärt werden. Neue Erkenntnisse lassen sich dabei nicht ausschließen. An den Außenmauern sind noch gut die alten Fensternischen des Wohnbereiches erkennbar. Ein Teil der Gebäudemauern sind aber schon nach altem Bericht zufolge im 18. Jahrhundert zusammengefallen. Der repräsentative Rittersaal und das Frauengemach, die Kemenate, lassen sich den noch vorhandenen Gebäudeflügel nicht mehr zuordnen. Das Burgarchiv dürfte sich vermutlich hier ebenfalls befunden haben. Nur wenig geht aus den Urkunden über das Leben auf der Burg Polle hervor. Von Wohnkomfort konnte da allerdings keine Rede sein und in der Regel war die mittelalterliche Burg eine Wohn- sowie Verteidigungsgemeinschaft, die mit den später entwickelten, idealisierten Vorstellungen wenig Gemeinsames hat. Die Burgküche muss sich nach den bisherigen Erkenntnissen an der Westseite, in der Nähe des Bergfried, befunden haben. Ein guterhaltener Ausgussstein ist dort heute noch in der Mauer vorhanden. Gefunden wurden unter anderem am Hang größere Mengen an Knochen, Tierzähnen, Keramik- sowie Glasfragmente, also Abfall aus dem Burghaushalt, der Beseitigung aus dem Fenster befördert wurde. Quellennachweis und Literatur: (Auswahl) Goetz, H.W. (1986) : Leben im Mittelalter, München 1986
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