Polles Heimatdichter Carl Ziesel Schreibt über die Französische Besatzungszeit

Schwere Zeiten für das Amt Polle:

Polles Heimatdichter Carl Ziesel
Schreibt über die
Französische Besatzungszeit

Überlieferungen sowie Erzählungen, die schon Geschichte darstellen, erfordern, wenn sie niedergeschrieben werden, eine gewisse schriftstellerische Freiheit, die aber den historischen Kern nicht entstellen sollte. Seit längerem liegt schon ein Bericht vor, den Carl Ziesel „Der Hausvogt von Polle“ betitelte. Schriftstellerische Freiheit kann diesem Bericht nicht abgesprochen werden, sie macht ihn aber auch lesenswert. Seine Erstveröffentlichung erfolgte am 15. November 1896 in der Beilage Nummer 269 zum Hannoverschen Anzeiger in der Wahlheimat von Carl Ziesel, in Hannover. Dieser Bericht macht besonders deutlich, dass auch die Bevölkerung des Amtes Polle während der französischen Besatzungszeit schwer zu leiden hatte, durch Kontributionen und auch durch dienstbeflissene Beamte.

 

Carl Ziesel wurde am 4. März 1844 im Flecken Polle geboren. Seine Mutter Elenore Klenke, geboren am 16. Mai 1824, verstarb am 2. Oktober 1872. Sein Vater Ludwig Ziesel, unter französischer Besatzungszeit geboren am 5. Januar 1812, verstarb im gesegneten Alter von 82 Jahren am 14. August 1894. Er bekleidete, und dies ist aktenkundig, auch das Amt des Bürgermeisters in Polle.

 

Seine Jugend und einen Teil seiner Schulzeit wird Carl Ziesel sicher in Polle verbracht haben, fertigt er doch später in Rastatt „Max und Moritz in Polle“ in Form von Versen mit Zeichnungen an, von denen angenommen werden kann, dass er zum Teil die Jugendstreiche oder gar, besser gesagt, die Lausbubenstreiche selbst erlebt hat.

 

Als 22jähriger hat Carl Ziesel den Soldatenrock ausgezogen und ist am 27. Juni 1866 in der Schlacht bei Langensalza als Hannoveranischer-Cambridge-Dragoner dabei. Einige Jahre später trat er in Hannover als Telegraphensekretär in den Postdienst ein. Von seiner weiteren beruflichen Laufbahn wissen wir, dass er 1879 in Rastatt war und von dort die schon erwähnten Bubengeschichten von „Max und Moritz in Polle“ erhalten geblieben sind. Gut 100 Jahre später gingen sie in die Chronik des Fleckens Polle ein.   

 

Zu seinen Lieblingstouren gehörte neben Fritz Reuter Wilhelm Busch, der mit seinen bekannten gleichnamigen Geschichten wohl Carl Ziesel zu „Max und Moritz in Polle“ angeregt haben mag. Nach seiner Pensionierung malte Carl Ziesel Ölbilder, unter anderem seinen Eindruck aus der Schlacht bei Langensalza. Auch schrieb er Kurzgeschichten für den Hannoverschen Anzeiger, von denen heute einige eine geschichtliche Bedeutung für den Flecken Polle haben.

 

Zu den Geschichten gehört auch „Der Hausvogt von Polle“, identisch mit dem „Burgvogt von Polle“ und in der Chronik des Fleckens etwas abgeändert zur „Franzosenzeit im Weserbergland“. In der Oberweser-Mundart, die heute in Polle nur noch sehr wenig gesprochen wird, schrieb er die Geschichte „An’n  Wihnachtsabend up’n Anstand“. Eine weitere launige und zugleich detailreiche Geschichte aus seiner Feder erzählt, „Wie Polle in den Deutschen Zollverein kam“. Er beschreibt die herrliche Zeit, in der der Schmuggel in das Kraut schoss, und zeichnete den historischen Augenblick ab, wo nach erfolgter einmonatiger Vergünstigung, „dat was ne herrliche Tied“, am 1. Januar 1854 die „bedreuwete Wertschaft“ begann.

 

In seinem Heimatort und zu seinem Elternhaus, dem Haus mit der Nummer 19 auf der Marktstraße in Polle, muss es Carl Ziesel häufig auch in den späteren Jahren hingezogen haben. Dabei besuchte er auch seine Schwester Friederike, die mit Carl Mönckmeier auf der Großkötnerstelle Nummer 29, nur ein kurzes Wegstück vom Zieselschen Elternhaus entfernt, verheiratet war. Von seinem Besuch der Burgruine in den späten Jahren mit seiner Frau Sopie Rebekka, sie war die Tochter eines Hoteliers Evers aus Bremen, ist eine zeitgenössische Aufnahme erhalten geblieben.

 

Nur wenige Wochen nach seinem 69. Geburtstag, am 19. April 1913, verstarb Carl Ziesel. Seine letzte Ruhestätte fand der Heimatdichter in Hannover, wo auch seine vier Kinder wohnen. An seinem Todestag soll zur Erinnerung der Originalbericht vom 15. November 1896 aus der Beilage zum Hannoverschen Anzeiger aus der französischen Besatzungszeit in der damaligen Mundart wiedergegeben werden.

                                                                                                     Wolfgang Wagner


„Der Hausvogt
von Polle“

Eine Erzählung von Carl Ziesel

Im Anfange des vorigen Jahrhunderts, als Napoleons eiserne Faust schwer  auf Deutschland lastete und die ganze südliche Hälfte Hannovers dem Neugeschaffenen Königreiche Westfalen einverleibt war, sah es in unserem Vaterlande traurig aus. Die Bevölkerung hatte durch die jahrelangen französischen Einquartierungen, durch die fortlaufenden Kriegskontributionen und endlose Steuern schwer zu leiden und verarmte zusehends immer mehr; sie sah daher dem Tage, wo sie von der ungerechten, gegen ihren Willen ihr aufgedrungenen Herrschaft wieder befreit werden sollte, sehnsuchtsvoll entgegen.

 

Vor 1807, der Errichtung des Königreiches Westfalens, lag die Verwaltung des Amtes Polle in den Händen des Drosten C. von Alten. Dieser Mann von echt deutscher Gesinnung, der stets bemüht gewesen war, das Los seiner Untergebenen während der französischen Invasion erträglicher zu gestalten, fühlte sich für die neuen Verhältnisse nicht geeignet und legte sein Amt nieder. An die Stelle des Drosten trat nunmehr der bisherige Amts-Hausvogt Joh. Heinr. Otto als Maire. Die westfälische Regierung hatte alle Ursache, mit der Amtsführung dieses Mannes, der es verstand, die arme, geplagte Bevölkerung durch allerlei Bedrückungen und Erpressungen bis auf den letzten Groschen auszusaugen, zufrieden zu sein. An König Jéromes Hofe in Kassel konnte man infolge des dort herrschenden lustigen Lebens Geld und immer wieder Geld gebrauchen, und da der eifrige Beamte stets neue Hilfsquellen zu erschließen wusste, so wurde gern ein Auge zugedrückt, wenn er auch für seine eigene Tasche sorgte.

 

Auf welche Weise Geld zusammenkam, machte dem Hausvogte, wie man ihn im Volke nannte, wenig Sorge. Mit besonderer Vorliebe pflegte er abends hinter den Häusern aufzupassen und in die Häuser zu schleichen, um die Einwohner bei dem geringfügigsten Verstoße gegen polizeiliche Vorschriften zu empfindlichen Geldstrafen heranzuziehen. Fand er zum Beispiel die beiden Eimer, welche der Ondre gemäß in der Küche mit Wasser gefüllt stehen mussten, nicht vor, so verfügte er sofort in brutalem Tone: „’t sind fiw Dahler!“ Ein offenes Licht auf dem Hausflur, ein wenig grünes Holz zum Trocknen in der Nähe des Ofens, eine gesprungene Laternenscheibe und so weiter ahndete er  mit dem geläufigen Polizeimachtwort: „’t sind fiw Dahler!“

 

Man sieht hieraus, wie der Mann aus Kleinigkeiten etwas zu machen verstand. Wo die Leute die für die damalige Zeit ungewöhnlich große Summe von fünf Talern hernahmen, was kümmerte ihn das? Konnten sie nicht zahlen, so erfolgte Pfändung, und ihr bisschen Hab und Gut wurde verkauft.

 

Inzwischen rückte das Jahr 1812 heran, Napoleon, auf dem Gipfel seiner Macht stehend, begann zu dem großen Feldzuge nach Russland zu rüsten. Während aber ganz Deutschland, ja halb Europa zu Napoleons Füßen lag, sahen die Völker im Südwesten dieses Erdteils starkes Wetterleuchten. Dort in Spanien und Portugal kämpften Tausende von Hannovers tapferen Söhnen in der deutschen Legion unter Wellington für die Befreiung des Vaterlandes, und in den blutigen Schlachten und Gefechten von Tavera, Bittorio, Salamanca, Barossa, Garzia-Hernandez und El Bodon, an welchen hannoversche Soldaten ruhmreich teilnahmen, wurde zuerst dem Siegeslaufe der französischen Heere ein  Ziel gesetzt.

 

Napoleon brachte indessen gegen Russland eine Armee zusammen, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte. Seine so genannten Verbündeten, wozu natürlich auch das Königreich Westfalen gehörte, hatten zahlreiche Hilfstruppen zu stellen. Infolgedessen erfolgte die Aushebung zum Militärdienste in diesen von Napoleon völlig abhängigen Ländern in einer bis dahin ganz unbekannte, erschreckende Weise.

 

Viele junge Leute, welche das Los getroffen hatte, Soldat zu werden, entzogen sich ihrer Einstellung durch Flucht. Die meisten von ihnen, namentlich die aus dem Hannoverschen, suchten nach England zu entkommen, um sich dort bei der Legion anwerben zu lassen; andere gingen in entlegene Dörfer und Gehöfte, um sich als Knecht zu verdingen und zu verbergen, wieder andere gingen in die Wälder des Sollings oder des Köterbergs, um hier die Stunde der Befreiung abzuwarten. Oftmals kamen die Flüchtlinge abends spät in die nächstgelegenen Ortschaften, um sich Lebensmittel zu holen. Diese sowie Unterkunft bei schlechtem Wetter wurden ihnen von den Einwohnern denn auch gern gewährt.

 

Die so genannten „Heeresunsicheren“ abzufassen, ließ der Hausvogt sich ganz besonders angelegen sein. Wehe den Unglücklichen, wenn sie in Hände seiner Schergen fielen! Mit den Händen an den Schweif eines Pferdes eines berittenen Gendarmen gebunden, wurden sie in rücksichtsloser Weise nach dem 20 Stunden entfernten Kassel transportiert, um hier als Deserteur vor ein Kriegsgericht gestellt und tags darauf in dem bekannten Forst erschossen zu werden.

 

So verhaftete man eines Tages auf dem Poller Felde einen beim Roggenmähen beschäftigten hübschen jungen Mann aus dem Lippischen. Dieser mochte geglaubt haben, im Hannoverschen sicherer zu sein als in seiner Heimat, eine bittere Täuschung! Durch einen Gendarmen nach Kassel geschleppt, wurde er dort füsiliert. Ein Bekannte des Unglücklichen, der Grenadier Lenz aus Polle, war zur Vollstreckung mit nach dem Forst kommandiert.

 

Besser erging es einem aus Altendorf bei Holzminden gebürtigen Manne namens Knocke. Dieser kam als Flüchtling nach Polle, besuchte heimlich seine dort wohnende Braut und hielt sich dann eine Zeitlang in den Schluchten am Gieseberge und in der Glesse verborgen; die Nacht verbrachte er in der am Birkenberge gelegenen Schuwutshütte  (Uhuhütte).

Diese Hütte, von Jägern errichtet, diente diesen zum Versteck, um von hier aus die zahlreichen Raubvögel, welche einen an einer Stange befestigten Uhu umkreisten zu erlegen. In der Nähe der Hütte befand sich als ein Überrest mittelalterlicher Justiz der halbverfallene Galgen. An diesem gemiedenen Orte vermutete wohl niemand den Flüchtling, und kein Mensch belästigte ihn; aber manchen Abend spät kam die Braut, weder Spuk noch Galgen fürchtend, zur Schuwutshütte, den Geliebten zu sehen, ihm Trost in seiner Bedrängnis, aber auch Mittel zum Lebensunterhalte zu bringen.

 

Doch der Verräter schlief auch hier nicht. Ein eifersüchtiger Nebenbuhler des Bräutigams hatte abends aufgepasst, des Mädchens heimliche Gänge belauscht, und, als er des Flüchtigen nächtlichen Aufenthalt ausspioniert, diesen dem Hausvogt verraten. In einer dunklen Nacht wurde die Hütte umstellt, der Verfolgte nach verzweifelter Gegenwehr überwältigt und in das Amtsgefängnis eingeliefert. Sein Schicksal war wie dasjenige der Leidensgefährten: Abführung durch einen berittenen Gendarmen nach der westfälischen Hauptstadt.

 

Heinsen, nach Polle die hannoversche Ortschaft auf dem linken Weserufer, war passiert und der Heinser Wald, der sich eine Stunde lang am Fluss hinzieht, erreicht. Knocke, den Blick nach dem gegenüberliegenden Heimatorte gerichtet, mochte wohl an seine dort wohnende alte Mutter und auch an seine hübsche Braut zurückdenken. Von Heimweh und Sehnsucht erfüllt, bat er daher den ihn transportierenden Gendarmen flehentlich, ihn hier, wo er doch unbemerkt fliehen und bald in Sicherheit sein könne, laufen zu lassen; sei er doch kein Verbrecher und habe doch auch nichts Böses getan; verstoße es auch vielleicht gegen die Pflichten des Beamten, so könne dieser als Deutscher es vor Gott und seinen Gewissen verantworten, wenn er seiner , des gefangenen, Flucht nicht hinderlich in den Weg trete; in Kassel angekommen, sei Gnade nicht zu erwarten und der Tod sein unabänderliches Los.

 

Der Gendarm aber, ein roher geselle, hatte kein Wort des Trostes und der Beruhigung, sondern nur Hohn und Spott für den Unglücklichen, und um diesem zeigen, dass seine Bitten ganz und gar keinen Eindruck auf ihn machten, spornte er das Pferd zu scharfen Trab an, so dass Knocke, wie er später erzählte, vom übermenschlichen Laufen im wahren Sinne des Wortes die Zunge aus dem Halse hing.

 

Eine halbe Stunde unterhalb Holzmindens, dort, wo die Weser eine starke Biegung nach Nordwesten macht und unmittelbar den Berg berührt, tritt als ein Ausläufer des Köterberges der Kiekenstein, ein Felsvorsprung, hervor. Von welchem man eine herrliche Aussicht auf das fruchtbare Wesertal mit Fürstenberg, Höxter, Corvey, Holzminden und Bevern genießt. Die schmale Fahrstraße führt unter dem Kiekensteine etwa 60 bis 70 Fuß hoch über dem Wasser hart am Berge entlang. Vom Wege aus sieht man den schroffen Abhang hinunter in den rauschenden Strom. Die Passage war hier zu damaliger Zeit nicht ohne Gefahr; erst in neuerer Zeit, nach Besserung der Landstraße, sind zur Sicherheit Prellsteine angebracht. An dieser Stelle angekommen, fasste Knocke, ein Mann von kräftigem muskulösem Körperbau, von Wut und Verzweiflung getrieben, einen tollkühnen Entschluss: „Wozu“, sagte er sich, „noch länger diese Qualen erdulden? Besser, hier an diesen Klippen zu zerschellen, als in Kassel, einem tollen Hunde gleich, totgeschossen zu werden.“

 

Der Gedanke, an seinem verhassten Begleiter gleichzeitig Rache nehmen zu können, gab ihm Riesenkräfte. Ein gewaltiger Ruck und Sprung nach links die Böschung hinab – und Gefangener, Ross und Reiter überschlugen sich und stürzen so kopfüber den steilen Abhang hinab in die durch das herabfallende Geröll hier versandete, nicht tiefe Weser. Knocke, zuerst betäubt, aber durch das kalte Wasser bald wieder zu sich kommend, fühlte, dass seine Knochen wunderbarerweise noch heil waren und er bei dem gefährlichen Sturze außer einigen derben Schrammen und Beulen nichts abbekommen hatte; das Pferd dagegen lag mit zerbrochenem Genick da, der Gendarm jammernd und stöhnend unter diesem. Knocke erste Sorge war nun, sich zu befreien, und es gelang ihm auch, mit der Waffe des Gendarmen und mit Hilfe des letzteren, der eine Hand frei hatte, seine Fesseln zu zerschneiden.

 

Mit den Worten: „Kanaille, du verdientest, dass ich dich hier jetzt elendig ersäufte, indes, da Gott mich beschützte, so will ich Gnade für Recht ergehen lassen“, befreite Knocke nun auch den Verunglückten, welcher ein Bein und ein paar Rippen gebrochen hatte, aus seiner gefahrvollen Lage, legte ihn trocken und lief dann in das nahe gelegene Dorf Stahle, um dort die Bewohner des ersten besten Hauses auf den am Ufer der Weser liegenden Hilflosen aufmerksam zu machen.

 

Von Stahle aus den Wald erreichend, hielt Knocke sich daselbst beinahe ein ganzes Jahr verborgen. Als dann endlich die Fremdherrschaft zusammenbrach, stellte er sich freiwillig zur Fahne und kämpfte unter seinem tapferen Herzoge Friedrich Wilhelm von Braunschweig bei Quatrebas und Waterloo.

 

Mittlerweile war Napoleons große Armee in Russland vernichtet. Die englische Armee und mit ihr die deutsche Legion hatten den Grenzfluss, die Bidassva, siegreich überschritten und standen in Südfrankreich. Die drei Husaren der Legion, das später soviel genannte hannoversche Cambridge-Dragoner-Regiment, wurde nach Norddeutschland eingeschifft, um hier mit Hilfe neu gebildeter Truppenkörper den Feind wieder zu vertreiben.

 

So schlug denn endlich die Stunde der Vergeltung, und auch der Hausvogt, der Unheil genug angerichtet hatte, entging seinem Geschicke nicht. Anfang Oktober 1813 verbreitete sich das Gerücht, dass die Kosaken in Kassel eingerückt seien und dass König Jérome geflüchtet sei. Es war an einem dunklen Abend; der Hausvogt saß am Schreibtische, das Dienstmädchen mit einem Kinde am Ofen, als plötzlich ein schwerer Stein durchs Fenster, dem Hausvogt dicht am Kopfe vorbei, ins Zimmer flog. Dieser, wohl wissend, was jetzt folgen würde, und mit keinem guten Gewissen behaftet, entwich schleunigst durch die Hintertüre in den Garten und gewann so, durch Finsternis begünstigt, das Freie.

 

Bald darauf betraten wild aussehende Männer, Flüchtlinge aus den Wäldern unter Führung eines gewissen Prangemann, das Haus und untersuchten es von oben bis unten, natürlich erfolglos; der Vogt war ausgeflogen. In der Schlafkammer des Hausvogtes fand sich ein halber Himpen fast bis oben hin mit Silberstücken angefüllt vor; indes zur Ehre der Männer muss gesagt werden, dass niemand von ihnen das Sündengeld berührte. Dem Mädchen dann noch mitteilend, dass nur seine und des Kindes Anwesenheit sie zurückgehalten habe, den Hausvogt mit Steinen totzuwerfen, ließen die Männer sich Essen und Trinken geben, füllten ihre Tabaksbeutel und verließen so, eine Wache zurücklassend, wieder das Haus.

 

Am anderen Morgen aber kamen Heinser Schiffer, wohl fünfzig an der Zahl, bewaffnet mit Knütteln und Stangenbäumen, wie solche zum Steuern der Flöße auf der Weser benutzt werden, die Straße herauf vor das Hausvogts Wohnung. Dem Zuge voran schritt, den Stangenbaum, an welchem ein rotes Tuch als Fahne befestigt war, schwenkend, der Schneider Müller, auch „Spektakel.Snider“ genannt. Dieser kühne Held, der 1793 die Belagerung von Valenciennes mitgemacht, gab nun durch einen Schlag ins Fenster und den Schlachtruf: „So ging es vor Valenschee“ das Signal zum Angriff, und nicht eher wurde Einhalt gemacht, bis alles, Fenster, Türen und so weiter, verwüstet und zerschlagen war.

 

Unterdessen hatten andere einen Helfershelfer des Hausvogtes, den Steuerbeamten Wigand, aufgestöbert und ihm einen Strick um den Hals gebunden. So führte ihn die ganze Schar zum „Alten Zumpen“, wo jetzt nach getaner Arbeit der Tag in entsprechender Weise bei Bier und Schnäpsen gefeiert werden sollte. Antwortete der Gefesselte auf die ihm vorgelegte Frage: „Segg, bist du nich en westfälischen Spitzbube?“ mit „Nein“, so hieß es: „Watt, du wutt noch leigen? Teuf, denn most du Släge hebben“, und er bekam auch welche aufgezählt. Bejahte er dagegen die wiederholte Frage: „Bist du nich en westfälischen Spitzbube?“, so lautete es: „Ja, denn kriegst du Släge!“ Dieses Spiel wurde solange fortgesetzt, bis endlich ruhige Bürger den schon arg Mitgenommenen aus seiner immer drohender gestaltenden Lage und aus den Händen der erhitzten Leute befreiten.

 

Der Hausvogt aber hielt sich lange Zeit im Lippischen verborgen, und erst später, als der Drost von Alten namens der hannoverschen Regierung die Verwaltung des Amtes wieder übernommen hatte und er für seine persönliche Sicherheit nichts zu befürchten hatte, erfolgte seine Rückkehr noch Polle. Zurückgezogen lebend, ließ er seine Söhne studieren. Diese traten aber später aus nahe liegenden Gründen nicht in hannoversche, sondern in preußische Dienste.

 

Otto, in späteren Jahren von einer unheimlichen Krankheit befallen, nahm ein schreckliches Ende. Trotz sorgsamster Pflege, trotz der größten Sauberkeit, die um ihn in seinem Hause herrschte, wurde der Mann so entsetzlich von Ungeziefer geplagt, dass er sich nicht zu retten wusste und jedermann ihn, den sonst so Gefürchteten, wie die Pest mied. Im Jahre 1834 erlöste der Tod ihn von dieser furchtbaren und ekelhaften Krankheit. Auf seinem Grabstein liest man die Worte: „Hier ruht Staub im Staube, Saat von Gott gesäet, der Hausvogt Joh. Heinrich Otto, geb. 1747, gest. 1833. Und auf der Anderen Seite: „O. der Wonne, treu vor Gott gelebt zu haben, die Bahn geschmückt mit guten Taten, die Dir folgen, o Mensch, in das erste Gericht“.

 

Die hier aufgeführten Schilderungen verdanke ich den Mitteilungen meiner Großmutter, die in jener denkwürdigen Zeit, täglich in der Ottoschen Familie verkehrend, diese Ereignisse miterlebte, und alle die hier namhaft gemachten Männer persönlich kannte.

 

Der Schlachtruf des wütenden „Spektakel-Sniders“ erhielt sich lange. Noch einige vierzig Jahre später, zur Zeit des Krimkrieges, wenn wir Jungen uns auf dem Poller Kirchhofe balgten, und die „Russen“ aus der verschanzten Turmecke warfen, lautete unser Feldgeschrei: „So ging dat vor Valenschee!“ Mein seliger Vater aber als er auf die westfälischen Zeiten und Leute zu sprechen kam, wobei ich ihn wohl auf die erwähnte Grabinschrift aufmerksam machte, sagte: „Ne, Junge, das war keine Saat von Gott, die war vom Teufel gesäet!“

 

Frau Helen und Herrn Walter Hagedorn in Polle, Marktstraße 19, die durch ihre freundliche Unterstützung die Erfassung der Lebensdaten von Carl Ziesel ermöglichten, sei hier nochmals der Dank ausgesprochen. 

 

De „Liebe Gott“ von Polle

Sau kamm denn nu de Sülvesterabend heran. Am Middage was nochn Bock von Bremen ankumen, de mußte bis Middernacht elöschet weren, denn ümme Klocke twölwe harre de Freude`n Enne. Dat gung nu noch dull am Water her, et was ´n Rennen un Hasten, ümme alle de Säcke, Ballen un Fäter up Wagen un Schubkarren unner Dack un Fack tau bringen, grade as wenn Polle vor`ner Belagerung stünne, un soll nu noch in aller Ile up ölven Monate lang verproiantiert weren.

 

Dat hierbie kräftig einer hinner de Binde goten wurd, lett seck denken, un et herrsche denn auck baule eitel Lust und Fröhlichkeit de sogar up ösch Jungens anstickend wirke. Et harre nämlich esniet und froren, un wir harren up de meddeln Straten den Bar herunner`ne Stiegen un Schnurrbahn maket, sau glatt, dat da am Abend nich mal’ne Katte stahn konn. Dabie ging’t dann ohne förchterlich Geschrie: „Platz, Platz nich aff und wer nich make, dat’e uten Wege kamm, wurd einfach ümmerand, denn wenn die Sliegen einmal im Zuge was, Gaff’t kein Uphaulen mehr. Nu was aber use utgeladene Lustigkeit nich Jedermanns Sake un namentlich dem aulen Hausvogt ‚n argen Hreuel. Düsse, de as Beamter de Strafbefehle un annere unangenehme Dinge herüm ebrochte, erfreue seck keiner besonderen Beliebtheit, un weil’e bei jeder Gelegenheit „Ach du Lieber Gott“ säe, harre den Binamen „de libe Gott“ kriegen.

 

Auck hüte Abend satt nu de „liebe Gott“ as gewöhnlich in witter Tippelmütze, langen Slaprock un Tüffeln an’n Feuten, am Fenster un la in’r dicken Postille: er studiert, as seine leuwe Frau säe. Dörch usen Lärm sauau all vergrellt, harr die ösch for hüte Rache sworen, un mit den Worten: „Na wartet man ihr Lümmels von Pollacken, heut sollt ihrs haben!“ wasse runtergahn. Da, as wie grade mit sau`n recht kräftigen Platz-Päatz Halleh!, wobie eck leider ingestahn mot, dat wie wüssten, dat seck de liebe Gott hier öber ärgere, an siener Husecke vorbie susen wollen, sprung hei ganz unverhofft un grade sau, as seck de Erzengel Michael woll up den Drachen störtet hett, hinner der Müern hervor, aber nich etwa mit’n bloßhauenden Swerte, davor aber mit ner düchtigen Pärpietsche un haue twischen ösch mang un ober de Köppe, dat es man so ballere un nich slecht mülme. Aber dat Unglück schreiet schnelle, denn Förster Schraders August, de hinnen upen satt, kreig behenne den Pietschenstiel tau faten, un de liebe Gott, de nich losleten wull un auck kaum noch Tied d’rtau hatte, kam in’t Rutschen, off hei auck schriee „Halt, halt, ach du lieber Gott!“ – Et hulp nichts. „August, hol wisse wisse!“ bölken use Kanuten, un hurre, schurre hopp, hopp, hopp ging dat in sausendem Galopp den Barg herunner, dat de prächtige Slaprock lang im Winne flattere und dem braven Manne binah de Puste und dat Heure nun Seuhen verging. Da unnen an der Farwe, wu’t recht stickel dahlging, lat August los, un de „liebe Gott“ flog Koppober den Brink herunner in de Mischen up’n Sneu un kehrte de Beine in de Höchte. U weil’e unnerwegs nich slecht in Sweit kumen was, krieg’n Snuben und fung förchterlich an tau prusten –„ un die gottlosen Bösewichter haben noch immer „Prost, Herr Hausvogt!“ gerufen, so harre hei seck bi usen Kanter Stehr naher ober ösch beswert. Stehr, 'n Lehrer, asse sein moste, bie dem wie wat leren un de allerwegen noch im besten Andenken steiht, aber auck dorch `ne nüdliche Auswahl von Haselstökken de Disziplin uprecht tau halten wußte, verfolge de Angelegenheit nich wier, denn de Kanter kenne den „lieben Gott“, harre auck sülbenst drei hoffnungsvolle Jungens, un sau kamm use Puckel for dietmal ohne nachdeilige Folgen davon.

 

Sylvesterabend 1853 in Polle
„Ne bedreuwete Wertschaft“

Anfangs der fuffziger Jahre im vorigen Jahrhundert make de Hannoversche Regierung bekannt:

„Das Königreich Hannover tritt mit dem 1. Januar 1854 dem Zollverein bei. Einige Gebietsteile, darunter das Königliche Amt Pole, treten dem Zollverein bereits am 1. Januar k. Jahres bei; dem Amt Polle wird dagegen als Vergünstigung für den ganzen Monat Dezember d. J. zollfreie Niederlage gewährt.“

Dat wären ja nu ganz prächtige Utsichten. Bet dahin was’t im Amte Polle auk man slecht bestellt. We leigen midde inne twischen veer fremder Heren Länder. Da gaw et Tollplackerien over Tollplackerien, un de mußte einer seck jedesmal gefallen laten, wenn man over de nahe Grenze woole. Dat was doch sau lästig un unangenehme, dat glöwet joi gar nicht!

 

Da mochte einer hengahn, nah wekker Himmelsgegend hei wolle: heer stunnen brunswicksche, da preußische, durten lippische oder waldecksche Kunterlöre. De passen up, dat nits, wo Toll oder Stüer open lag, over de Grenze smuggelt ward. Un harre einer mal wat Stüerbares bi seck, denne gawwt mannigmal mehr Lauperie un Aerger, as de ganze Kram wert was.

 

Ja, ja dat Reisen war bie der Tied 'n bannig Vergneugen! Dat kann eck jöck vertellen. Da blew einer, wenn hei nicht moßte, all leiwer in sinen veer Pfählen sitten.

In Polle wären nu nicht  blaut hannöversche, nä, auk noch brunswicksche und preußische Grenzkunterlöre statschoniert. Dat hulp aber nichts: de Smuggelie was doch in bestem Swunge.

Vörut wat es de Branntwien. De was in Lippeschen better un billiger as in Hannöverschen, un de nu as’n recht gangbaren Handelsartikel nah Polle „inneföhrt“. Ja, wo mannig Anker wurd in Sommer upn Heuwagen verpacket, oder süs bi Nacht un Niebel von Rischenau her, wat da boben an Köterberge liggt, innesmuggelt.

Dagegen hielen dann use utlännischen Nahwers allerlei Waren up den hannöverschen Orten. Da was’s vor allen andern dat Soalt. Dat was bi der Tied bi ösch ümme sieben Pennie dat Pund billiger asse up jönder Site. Dat wurd nu von den unbemittelten Lüen over de Grenze brocht. An tein Pund Soalt würden sieben Groschen Profit maket. Dat was bi den damaligen düren un slechten Jahren 'n gaud Dagesverdeunst, un de Lüe schüen den Weg von’n paar Stunnen nich, sülbsten up de Gefahr hen, von den Kunterlören mal affatet tau wören. Tau halen was bie deb Kunnen nich viel, se brummen denn öhre paar Wochen af, un de Geschichte fong von vorren wier an. Et was aber doch, alles in allem, ne bedreuwete Wertschaft.

Ne herrliche Tied.

Dat ward aber nu nah allem Drangsalieren 'ne herrliche Taukunft. Dat hett vor’t ierste.

Jedermann konne seck mit Kaffee, Zucker, Ries, Taback, Wienun allem müglichen bet in de Pauppen versorgen. Un dat ganz billig. U neck kann jöck seggen, alle Lüe kofften in as dull. Damit dat nu awer nich ganz to dull edriewen würd, moßte segg jeder von den Steuerinnöhmer 'n Schien utstellen laten. Da up hen konn hei denn de bestellten Waren in Empfang nähmen. De Waren kämen awer alle  von Bremen ut in Böcken up der Weser herab.

Eines Dages kümmt de aule Schoppsche na’n Innähmer un verlanget en Schien for’n Sack Kaffee. „Aber Schoppen“, segget de, „waswill se mit einem ganzen Sack Kaffee anfangen?“ „Drink’n will eck’n, Herr Innähmer, drinken! Hebb ick nich all mien Lebedage den dünnen Zichorientrüll herunnerspeulen most? Awer nu will eck’n Kaffee koken, nich ut’r Pieoen sall’s fleuten künnen!

Un sau ging dat nu alle Dage. Da wären Kunsorten, de knappe Geld for’n Sluck harren, nu awer gingen se henn un fördern 'n Schien for’n  Fatt Portwien, Konjak odder Romm. Natürlich harren desse Bestellers ühre Hindermänner, dat würen im allgemeinen Kauplüe Abnehmers von den Waren, de meistens all up vorherige Bestellung an utländische Handelslüe verkofft würen un denn nah dem 1. Januar tollfrei utföhrt werden konnen.

Awer unner düssen unner Kontrolle stahenden Handelsartikeln wurd von den Schippen heimlich noch viel herinsmuggelt un in mannigen Huse lag Sack an Sack Kaffee unner’n Heu un Stroh verborgen, un up den Schündälen lagerten Oxhowe von feinen Spirituosenun südländischen Wienen.

Da was nun Schünemanns Karl. De haare  'ne seltene Vorliebe vor Nordhüschen un ähnlichen Stoff. Un weil hei jümmer 'n Buddel as’n „Dolch in Gewande“ bi seck harre, sau heit hei schlangweg Buddelkarl. Der deinde tau der Tied up Finkeldeys Howe. Karel moßte, as as dat damals an der Dagesornunge was, jeden Morgen Klocke dreu ut dat Futter for de Päre snieen. Da nu up säner Schündäl auk veer fatt Wien unnerbracht würen, harre 'e nich widderstannen kunt, alle veer Fatt n’taubohren, un dörch’n Bauhnenstengel tau probeeren. De in dem ersten Fatte was tau suer un herbe, de in dem tweuten Fatte tau seute west, awer de in dem drüdden, dat was 'ne Sorte na aienen Gesmack, milde un doch fürig, eine, de Herze un Nieren erwarme. Wenn je nu vor Beginn seines Dagewarkes erst etliche derbe Töge dahn harre un kam dann an de Snielaen, so was dat Dirt kaum tau bännigen west un de Häcksel was man so flogen. Awer as dat so gegen Niejahr kummen was, harre dat Fatt bedenklich schülpet un Karel moste, ümme de Sake eingermaßen wier in’t Gliekgewicht tau bringen, fief Emmer vull Water taugeuten. „Himmel“, sä’e „wu mag Hemmerich in Permond, de dat Fatt kregen hätt, schimpet hebben. Awer wast nich ganz einerlei, wer den Wien soop? Meck Hett’e gaueahn, un dat Futtersnien damals, dat was deck for  meck  'ne wahre Lust.

Der historische Augenblick

Middlerwiele was’t spät wuren, et slaug twölwe, un’n Gebollere ging los: dat Niejahr wurd inneschoten. De Kunsorten, de süs nich in’t Wirthaus gingen, hüte Abend aber das Glas Grock, wat’t bie Corves un Hartmanns ümmesüs gaff, nich verpasse harren, wären up’n Wege na Hus; wekke davon, den’n achtenverzig noch in’n Koppe speuke, Süngen:

       „Bumsvallera, wir brauchen keinen König mehr, Bumsvallera, die Welt ist
       wunderschön!“   

Andere, weiniger demagogisch Gesinnte, stimmen dat noch ganz nie Lied an:

                                   „Wie die Blümlein draußen zittern,
                                           Und die Abendlüfte wehn!“

Wat for düssen Abend ja nu wundervoll passe, un Gottfried Meyer bölke ober dat ganze Market:

                   „Nu is Preßfrieheit, jeder kann’n Oelje slaen laten, wu’e will!

Grade as diese Kunnen nu im Anzuge würen, passere  'n  graut Mallör. Buddelkarel nämlich kam mit der letzten Fohre von drei Fatt Rotwien den Barg 'rup ejaget; dörch dat Gerumpel un unsinnige Jagen was de Haken von de Kiege, de dat hinnerste Fatt umspanne, uthaket; dat Fatt flog mit’n gewaltigen Knall von’n Wagen, boste midden utenanner, un de schöne Wien,'t  was en herrlichen Borgunder, flot de Straten hendal un farwe den Sneu blautrot. Buddelkarel schimpe Mord un Brand: Holland was in Naut, doch Hülpe was slünigst tau’r Hand. Schauster Smidts bieanne harren grade slachtet, un de Brennetrog, de noch vor der Döhr stand, wurd nu von den Ankömmlingen iligst herbiehalt, ümmer tau redden, wat noch tau redden was. Un Gottlof! De Brennetrog wurd noch von dem Wien half vull. „Kinners“, sä de Snider Neermann von der Borgstraten, de jümmer hochdütsch snakke, wenn’e einen in’n Timpen harre, „hier ist gut sein, hier lasst uns Hütten bauen!“ un dabie läe seck de Gesellschaft gliek slank an den Trog vor Anker, un jeder sach tau, up wekke Art un Wiese hei am besten sein Teil Kreig un tau sinnen Rechte kamm.

„Nu aber lat’r meck auck mal ran“. Säe Reihludjen, de etwas später kamm un von den ersten Tog all verpasset harre. Kort resolvert schrof hei de Spitze un Swammdose von siener langen Piepen af un fong nu dör dat Piepenrohr ut Liebeskräften an tau sugen un tau zukkeln. „De Wien hett woll’n lütjen Biegesmakc, schient aber süs nich slecht tau sein“, meinte hei, asse grade utspiegen moste, denn hei harre en paar Swiensborsten twüschen de Tähne kriegen. – Un de Snieder fung an tau reden: „Liebe Leute! Düs ist eine historische Nacht und muß ins Kirchenbuch eingetragen werden, un wo Kinner un Kinneskinner noch von sprechen werden und  'ne Morgenräte einer neuen Zeit bricht an, die  wir feiern müssen! Aber sieht es hier nicht grade aus as auf’n Slachtfelde? Uemmerzu wird geschossen, hier stehn die snaubenden Rosse und da liegt das zertrümmerte Faß. Un die Gefallenen liggen leicht uns wer verwundet rund um den Trog herümmer un die ganze Straße is rot as von Blut – un wenn ich nun sage, wie will das Reihludjen noch gehen, der heute schon was binnen hat und noch immer an den Brüsten von dem Brennetrog liegt un süggt, wenn er über Nacht die Hofdühre nich offen lässt und ihm dann leicht was passieren könnte.“ – „Apenswanz von Snieder“, fong aber Reihludjen nu an, „wat sült de dummen Küratschonen, süh du man tau, dat du nich up allen Veeren na Hust a krupen brukest un datt deck dann nichts passiert, du Tiekebock, Du!“

Buddelkarel make dem nu’n Enne, denn hei kamm mit’n Wateremmer an un Wuren: „Nu aber Platz, mien Hans kümmt an de Riege.“  Tog’e den Emmer dörch den Brennetrog, dat’e bienah voll was un brocht’n sienen Hans vornuppe hen. „Na, nu wird’t aber Dag!“ sä Discher Hötenbein,  „'t wäre doch  'ne Sünne un ne Schanne sau 'ne  Kostbare Gottesgabe vor dat unvernünftige Beist! Dat is noch wat op morgen, Karlvedder giff meck den Emmer man her! „Ja, Pärschinken un ne aule Fleitjepiepen!“ sä Buddenkarel, un dabie stell’e Hans den Emmer vor, de düssen denn auck ohne Besinnen bet up de Nagelprobe utsoop. „Alle Bonnöhr!“ fong de Snieder noch mal an,  „Karel, was hat dein Hans aber für’n kaptalen Zug, is  'n  Staat; er übertrumpft dir noch und du kannst würklich stolz auf ihn sein!“ – „Sinn eck auck“, sä Buddenkarel, „un ji Swinegels künnt nu man na Hus gahn und damit Jüh!“ Dat de Funken flügen ging’t nu de Straten herup; de andern aber gingen mit „So leben wir, so leben wir!“ utenanner.

Buddenkarel aber vertellt annern Dages: „Et was doch ne recht vergneugte Nacht. Eck hebbe bet innen hellen Dag rin lägen as’n Block, sülbenst de Posaunen an’n jüngsten Dage härren meck nich upwekket, Und min Hans – was de fidel, het jümmer hinnenutslan, dat de Meß un dat Stroh bet unner de Decke flog. Hüte aber steit’e, lett den Kopp hängen un kikke stief und gedankenvoll in eine Ecke. Eck meine, et geiht’m nich better as ösch andern allen – he hett 'n gruligen Kater!“ Un up sau’ne launige Art un Wiese kamm Polle in’n dütschen Zollverein.