Geschichte des königlich hannoverschen Amtes Polle - History of the royal local office Polle - Lower Saxony - Germany

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Magazin 1843

 

I. Geschichte des königlich hannorschen Amts Polle
von H. Meyer, Bodenwerder

 

Wem Geschichte überhaupt und Vaterlandskunde insbesondere am Herzen liegen, der wird nicht ohne freudige Theilnahme gewahren, wie namentlich für diese in der jüngsten Zeit ein reges Interesse erwacht ist. Wie man sich vielfach bestrebt, die noch dunkeln Puncte der va-terländischen Geschichte aufzuhellen, so werden auch derartige Beiträge gern gelesen. Besonders bemerkt man dies bei den Darstellungen der geschichtlichen Verhältnisse einzelner Gegenden, Bezirke, Städte, und selbst kleinerer Ortschaften, aus der gewiß sehr richtigen Ansicht, daß solche Spezialgeschichten das Material sind, woraus das Gebäude der Landes-geschichte demnächst von einem tüchtigen Historiographen mit Sicherheit aufgeführt werden kann. Der Einsender des gegenwärtigen Aufsatzes hat daher seine geschichtlichen Forschun-gen auf mehrere königliche Ämter der  Provinz Calenberg, welcher er angehört, gerichtet und wünscht die Resultate seiner Bemühungen nach und nach in diesen Blättern mitzuteilen. Es sind dabei allerdings auch, wie die Citate ergeben werden, ältere und neuere Geschichtswerke benutzt, doch besonders schätzbare Beiträge verdankt er den Amtsarchiven, deren Einsicht ihm die Herren Beamten unter besonderer Genehmigung der hohen königlichen Landdrostei mit wohlwollender Geneigtheit gestattet haben. 1) Wenn es  sehr mühsam ist, aus der letzteren Quelle zu schöpfen, so erfordert die Benutzung der ersten nicht minder sehr große Vorsicht, da eine gründliche Kritik vorzüglich in der neueren Zeit gezeigt hat, wie unsicher die Nach-richten besonders des spätern Mittelalters sind, die so oft einer dem anderen nachgeschrieben hat 2) und wodurch der Wahrheit, als dem als dem Haupterforderniß jeder Geschichts-schreibung, geschadet ist. Einsender glaubt deßhalb auf freundliche Beurtheilung des Lesers um so mehr rechnen zu dürfen; da es Jedem, der ähnliche Arbeiten unternommen hat, gewiß einleuchtet, daß es nicht ohne Aufopferung und mannichfache Schwierigkeiten für ihn ge-wesen ist, die hier und da zerstreut gewesenen Nachrichten nach ihrer Sorgfältigsten Prüfung in ein zusammenhängendes Ganze zu vereinen und somit über das Dunkel früherer Jahr-hunderte einiges Licht zu verbreiten.

 1) Sowohl das ihm von der hohen Provinzialbehörde erwiesene Wohlwollen, als auch die freundliche Bereitwilligkeit der Herren Beamten bei der Durchsicht der Archive, wie die Gefälligkeit, womit einige andere verehrte Geschichtsfreunde seine kleine Arbeit förderten, erkennt der Einsender mit dem größten Danke.
 2) So stehen u. a. viele Geschichtsschreiber auf den Schultern Letzner’s, der von gründlichen Kritikern die
Prädicate: träumender Historiker, großer Fabelhans ec. erhalten hat und dessen Berichte zum guten Theile als Aufschneidereien sich ausgewiesen haben.

 

Wir beginnen mit dem Amte Polle, daß unter den calenbergischen Ämtern vorzüglich eine nähere Beachtung verdient. Der Amtsbezirk spielte eine Zeit lang eine wichtige Rolle unter den Territorien der früher blühenden Dynasten, deren Besitzungen nun einen nicht unbedeutenden Theil unsers Königreichs ausmachen. Jetzt bildet er eine Enclave mehrerer Nachbarstaaten und kaum ein Gerichtsgebiet im ganzen Lande hat so verschiedene Grenznachbarn als dieser. Er grenzt südlich an Preußen, westlich an Lippe. nordwestlich an die Grafschaft Pyrmont, nördlich und östlich an Braunschweig. Ein kleiner durch einen braunschweigischen Landstrich davon ganz getrennter Theil, der die Dorfschaft Pegestorf mit ihrer Feldmark enthält, hängt mit dem ebenfalls eine Enclave bildenden Stadtgebiete von Bodenwerder zusammen.

 

Wohl kein Strich unseres Königreichs dürfte das Amt Polle an Naturschönheiten übertreffen. Wer sich an einer großartigen Aussicht erfreuen will, die manchen Rheingegenden in nichts nachsteht, in Norddeutschland aber vielleicht ihres Gleichen nicht hat, der fahre von Heinsen bis Bodenwerder die Weser herab. Das weite prächtige Thal von Höxter und Holzminden verengt sich hier zum mäßig schmalen Passe. Lieblich grüne Wiesen und Weiden, östlich von wunderlich gestalteten waldbekränzten und epheuumrankten Felsenriffen umschränkt, westlich zu Feld und Hochwald emporsteigend, durchwogt hier der Strom, voller hier und mächtiger erscheinend in der beschränkten Umgebung. Der Lebhafte Wasserverkehr und Schiffbau des Dorfes Heinsen, mahnend an commerzielle Speculation, macht dieser Thalgegend den Charakter des Idyllischen streitig. Weiter wird nun das Thal, schmaler und allmählich ins Unbedeutende sich verlierend der grünen Wiesenrand. Mächtige Berge lagern sich hinter einander, die nächsten ihren Fuß in die kühlen Wellen tauchend und ihre Form in klarer Bestimmtheit hervortreten lassend, die fernen lichtblau umschlossen und mit dem Himmel und den Wolken sich verschmelzend. Düster, in verschiedenen Spitzen und krausen Linien emporragend, schließt der waldige Vogler in norden die Scene, über verworrenes Gebirg in osten weg und auf den Köterberg in südwesten, den Brocken der Landdrostei Hannover, schauend und diesem gleichsam neidisch grollend ob der kühn gewölbten Kuppel. Vorüber eilt, auf jähem Felsen mit schön geschmücktem Abhange sich erhebend, zum Theil verschleiert, durch einen freundlichen Kranz von Laubholz, die finstere Burg; neben den stattlichen Amtshause mit seinen anmuthigen Gartenumgebungen thürmt sich terrassenartig über reichen Obstgärten empor, nur von dem nahen Berggipfel überragt, der Flecken Polle. Finsterer steil aufsteigender Tannenwald spiegelt sich dann über hellgrünen Rain hinweg in dem ruhig hier fließenden Strome. Den Schutz eines hohen Walles suchend lehnt sich das Dorf Brevörde an kalkhaltiges Gebirge, das nun wieder zurückweicht, um einer Flur mit prangenden Fruchtäckern Raum zu machen. Am rechten Ufer ist dunkler Hochwald vorübergezogen und eben hat sich der Fluß zwischen den Dörfern Reileifsen und Grave durchgewunden, so erscheinen als Glanzpuncte gewiß des ganzen Weserthals die Steinmühlenklippen. Im weitgezogenen Halbkreise, Riesensäulen eines kolossalen Tempels, umstarren sie hinüberdrohend den Strom, regelrecht in der Gesammtanschauung, unendlich verschieden in der Einzelform. Die Kette der Felsengipfel ist wundersam gezackt, erhaben und burlesk zugleich, in der ersten Dämmerstunde die seltsamsten Gebilde, gar den „Pastor von Dölme“ auf der Kanzel, wie er in krauser Allongeperücke und langem Talar ernst hinüberschaut auf das jenseitige Dörfchen Dölme, hervor zaubernd; aus den Klüften brechen klare Quellen und schäumende Gießbäche hervor; hier hängt die klappernde Steinmühle, ein keck an die Wand geworfenes Schwalbennest; breitbeschwingte Raubvögel umkreisen krächzend die Felsenkegel – kurz ein Gemälde eigenthümlicher Art! – Wo sich die Felsenwand abdacht, hat im Verlauf der Jahre Steingeröll den Fluß zu der winzigen Breite eines Flüsschens, der Dölmer Gasse, eingezwängt. Der tobende Strom bäumt sich zornig und schlägt mit zerschäumend wilden Wasserfäusten das harte Gestein, bis er unter den riesig em-porsteigenden Klippenmauern des Breitensteins sich völlig beruhigt. Dann die Dörfer Pegestorf und Rühle trennend, durchwallt er ein enges Thal, links die steilen, klippenvollen Höhen des Hopfenberges, an dessen unterm Abhange dem Ufer des sich hier theilenden Stroms entlang eine fast vollendete Chaussee die wechselnden Scenen vermehrt, rechts den mächtigen Vogler; das Städtchen Bodenwerder, seine Gemarkung an den äußersten Fuß des Gebirgs lehnend, taucht den Blicken auf und verbirgt schwach den Hintergrund unseres Bildes, den felsigen und bunt bewachsenen Eckberg, der hier das Thal scharf abgrenzt, um die Eigenthümlichkeit dieser Partie damit anzudeuten. Völlig befriedigt verlässt der Beschauer den Prospect; die Mannichfaltigkeit der Formen und Gestalten, der verschiedenartige Charakter dieser Thalgegend, wo ihm neben dem Rauhen und Wilden überall Freundliches und Mildes entgegentritt, die herrlichsten Schattirungen der lieblichsten Farben hat ihm den reichsten Genuß verschafft. Will man auf dieser Weserfahrt zu Polle anlegen und eine Wanderung zu Fuß auf die nahgelegenen Berge unternehmen, so wird der vollste Ersatz diese kleine Tour lohnen. Der etwa anderthalb Stunden entfernte Köterberg, von dem ein Theil in das Gebiet des Amts Polle gehört, ist der mächtigste unter allen Bergen des weit verbreiteten Wesergebirges; sein stumpfrunder Gipfel erhebt sich 1507 pariser Fuß 1) über die Meeresfläche, fast 1300 Fuß über den Wasserspiegel bei Polle.

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 1) Der verstorbene Amtsassessor Wolbrecht hat bei einer vorgenommenen Messung den 2000 Fuß hoch gefunden. Unsere Angabe stützt sich auf das mit vieler Sachkenntnis geschriebene Werk: „Hoffmann, Übersicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse vom nordwestlichen Deutschland. Leipzig 1830.“

 

Kein Punct der Landdrostei Hannover, so wenig der Süntel als der Deister und der Iht, kann sich mit ihm messen. Von ihm hat man eine Aussicht, die nur durch den Harz, einen Theil des Thüringer Waldes und den Meißner begrenzt wird; der Teutoburger Wald hindert nicht, das jenseits liegende Westfalen bis in ungemessene Ferne zu überschauen. Man hat den Köterberg zu einem Stationspuncte auf der Telegraphenlinie Cöln und Berlin gewählt. – Bei der Rückkehr wird man nicht unterlassen, die Burgruine zu Polle zu besuchen. Wenn und gleich der Anblick vergangener Herrlichkeit mit Ernst und Wehmuth ergreift, wenn wir uns hier des Gedankens nicht erwehren können, daß so manches Leben in wechselnden sorgen und Freunden auf dieser Höhe verschwand, daß so manche Thräne hier floß und so manche wonnige Stunde hier beglückte, die Phantasie steigt dennoch gern in die graue Vergangenheit hinauf und ergeht sich in der ritterlichen Zeit der Vorwelt, der Geist aber zieht mannichfachen Gewinn aus solcher Betrachtung. Die Rudera sind im ganzen gut erhalten; wie viel auch die Tillyschen und schwedischen Kanonen davon zerstörten und wie viel auch der Zahn der Zeit daran zernagte, es ist noch manches geblieben, was uns auf die frühere Einrichtung des Schlosses schließen läßt. Ein großer Theil der Ringmauer, worin noch viele Fensteröffnungen, zum Theil gut conserviert, zu sehen sind; die Mauern des Portals; ein sehr bedeutender Thurm, unter viereckig und 20 Fuß Quadrat, oben rund, etwa noch 40 Fuß hoch; ein an die Burg sich schließender Vorhof von circa 300 Fuß Länge u. v. m. verdienen unter den erhaltenen Theilen besonders genannt zu werden. Der Umfang der eigentlichen Burg ist freilich so ausgedehnt als der mancher anderer Burgen, denn der Durchmesser des inneren Raumes hält in seiner größten Weite etwa 90 Fuß. Die freundliche Umgebung und die herrliche Aussicht, welche man von den Trümmern herab nach allen Seiten hat, geben der Polleschen Burg indeß vor vielen anderen Schlossruinen den Vorzug.

 

Das Amt Polle, überall gebirgig und bedeutende Waldungen in süden enthaltend, dem bewohnten Theile nach auf einen verhältnißmäßig kleinen Raum beschränkt, umfasst jetzt folgende Ortschaften:

 

 

 Nach amtlichem Verzeichnis:

 Heinsen, Kirchdorf

159 Feuerstellen

1130 Einwohner

 Polle, Flecken, mit dem Amtssitze, Kirchort

156 Feuerstellen

1209 Einwohner

 Brevörde, Kirchdorf

87 Feuerstellen

599 Einwohner

 Pegestorf, Kirchdorf

82 Feuerstellen

584 Einwohner

 Vahlbruch, Kirchdorf

89 Feuerstellen

564 Einwohner

 Meiborßen, zu Vahlbruch eingepfarrtes Dorf

47 Feuerstellen

289 Einwohner

 Die königl. Domaine Heidbrink, zur Gemeinde Polle gehörig

5 Feuerstellen

37 Einwohner

 

 Die Ziegelei deßgl.

2 Feuerstellen

13 Einwohner

 Die Sägemühle deßgl.

1 Feuerstelle

6 Einwohner

Die Weißenfeldermühle deßgl.

1 Feuerstelle

6 Einwohner

 Die Brille, ein einzelnes Haus, zur Gemeinde Brevörde gehörig

1 Feuerstelle

5 Einwohner

 Die Lumbornsmühle deßgl.

1 Feuerstelle

6 Einwohner

 Die Steinmühle deßgl.

1 Feuerstelle

9 Einwohner

 Die Hünichermühlem zur Gemeinde Meiborßen gehörig

1 Feuerstelle

10 Einwohner

SUMMEN:

633 Feuerstellen

4467 Einwohner

                                            

 

                                                                                                                                                   An den Seitenanfang

II. Geschichte des Amtsbezirks in seiner Gesammtheit.

 

Für die Geschichte der mittlern Wesergegend im allgemeinen und abgesehen von der bedeutenden Reichsabtei Corvey fließen die historischen Quellen ungleich spärlicher, als dieses hinsichtlich anderer Gegenden des Vaterlandes der Fall ist. Sie war nicht wie Goslar und dessen Umgebung der bleibende oder doch alternirende Sitz der Kaiser, auch nicht wie Braunschweig, Göttingen, Eimbeck, Osterode, Münden, Wolfenbüttel, Hildesheim, Osna-brück u. a. m. die Residenz mächtiger, einflussreicher und thatenlustiger Fürsten 1) oder die Entwickungspuncte einer großartigen städtischen Macht, und klösterliche Stiftungen und Ritterburgen gab es hier weniger als in manchen anderen Landestheilen, z. B. im Göttingschen. Einfach und patriarchalisch scheinen die Dynastengeschlechter hier im ganzen gewaltet zu haben; geringern Einfluß als in der Nähe ihrer Residenzen übten die entfernter wohnenden Bischöfe hier aus, in unbedeutender Ausdehnung und weniger tief in die Besitztverhältnisse des Landmanns hatte sich hier die Feudalmacht der Rittergeschlechter gestaltet. Daher drängen sich die bedeutendern Ereignisse, die Wechselfälle von Besitz und Macht hier ungleich weniger. So wichtig für die  Teritorialgeschichte unseres Landes und so interessant für den Vaterlandsfreund jetzt auch die Geschichte dieser Gegend sein mag, die Aufmerksamkeit der Historiker des Mittelalters und die Thätigkeit der Urkundenverfasser nahm sie in geringerm Grade in Anspruch.

 

  1) Wie reich bewegt, zum Theil romantisch stellt sich in dieser Beziehung die Lebensgeschichte vieler Fürsten des erhabenen Welfenhauses dar, von Heinrich dem Löwen, Magnus Torquatus, Otto dem Krieger, Otto dem Tarentiner, Wilhelm dem Streitbaren; Erich d. ä., Heinrich d. j., Julius, dem genialen Heinrich Julius, Georg, Ernst August, bis zur welthistorischen Wirksamkeit der großbritannischen Herrscher und zu den wechselvollen Schicksalen der wolfenbüttelschen Fürsten herab.

 

1. Die älteste Zeit. 2)

Daß hier in der ältesten Zeit die berühmten und tapferen Cherusker wohnten, deren Namen einige Jahrhunderte nach Anfang der christlichen Zeitrechnung in dem Bunde der Grafen verschwand, ist eine bekannte Sache. Wie war aber die Beschaffenheit des Landes vor dem fränkischen Eroberungskriege? Wie waren die Einrichtungen, die Verfassung und der Culturzustand des Volks? Das sind Fragen, die sich eben so natürlich den spätern Urenkeln aufdrängen, als sie, häufig aufgeworfen, beim Mangel hinreichender urkundlichen Nachrichten schwerlich je eine völlig genügende Erledigung finden werden.

 

  2) Wir müssen hier auch einige Andeutungen aus der allgemeinen Geschichte geben, denn, wie der tiefdenkende Möser (Osnabr. Gesch. Th. 2. Vorrede S. VIII.) „daß kleine Rädchen greift immer ins große, und man die Wirkung von jenem nicht deutlich machen, ohne dieses zu Zeiten mit umlaufen zu lassen.“

Die häufig verbreitete Vorstellung von der damaligen Beschaffenheit unsers deutschen Vaterlandes als einer Art von sumpf- und waldbedeckter Halbwüste wird durch die Thatsache widerlegt, daß das Land ein Heer waffenfähiger Männer hervorbringen konnte, zahlreich genug, die kriegsgeübten Legionen des Varus völlig aufzureiben, daß es im Stande war, einige Jahrhunderte später dem umfangreichen Britannien eine Bevölkerungsmasse zuzusenden, ausreichend, dem Lande und dessen Einwohnern den Stempel ihrer eigenen Nationalität tief und dauernd aufzudrücken und den Romanismus, anders als in Gallien, Italien und der iberischen Halbinsel, fast gänzlich, selbst der Sprache nach, zu verdrängen.

 

Die Ureinwohner der Gegend haben nur eine Spur in den Sagen des Volks 1) zurückgelassen. Sie werden durchgängig als starke, kräftige, riesenhafte Männer dargestellt, die sich gegen Einwanderer sehr feindselig gezeigt haben. Ein Schrecken des Landes, sind sie mit entwurzelten Baumstämmen oder mit dicken vom Baume heruntergebrochenen Ästen auf die Anbauer losgegangen. Auf den Bergen des heutigen Amtsbezirks, dem Köterberg, Eselsberg, Riesenberg u. a. m. haben sie gehaus’t. In einer Fehde, worin sie mit einander gerathen, ist der Bewohner des Eselsberges während des Schlafs von den andern überfallen, erschlagen und in einem kleinen Thale unweit Meiborßen begraben worden. Ein kolossaler Grabhügel an dieser Stelle, auf einer vom Walde eingeschlossenen Wiese, wird von der Tradition als das Hühnengrab bezeichnet. der Hügel hat ganz die Form der gewöhnlichen Todtenhügel; eine Einfassung ist nicht vorhanden, er wird durch seine eigene Großartigkeit erhalten; bis jetzt ist er ungeöffnet geblieben, ein geheimes Grauen hält die Einwohner davon ab, da bei einem deßhalb angestellten Versuche vor einigen Jahren ein entsetzlicher Modergeruch aus dem Hügel hervorgeströmt und ein gewaltiges Ächzen im nahen Walde gehört sei.

 

Aus dem urkundlichen Dunkel tritt diese Gegend zuerst durch die Beschreibung des dreißigjährigen Eroberungskrieges Carl des Großen gegen die Sachsen hervor. Der Schauplatz seines zweiten sächsischen Feldzuges fällt ziemlich in die Nähe von Polle. Im Jahre 775 erobert er die sehr feste vom Herzog Bruno vertheidigte Brunsburg bei Höxter und besiegt die Sachsen, die ihm hier den Übergang über den Weserstrom zu wehren suchen. 2) Bei Hlidbeki, Hludbeki, 3) dem spätern Lotbeke (vid. Urk. Herz. Heinrich de 1304) und heutigem Lobach, einem sehr nahe und hart unterm Everstein gelegenen braunschweigischen Dorfe, lässt der Kaiser, nachdem er beide Ufer der Weser hier in seiner Gewalt hat, einen Theil seiner Armee stehen, um mit den andern nach der Ocker zu marschieren; die Sachsen aber dringen durch Kriegslist ins fränkische Lager und bringen den Heerführern Carls einen harten Schlag bei. Zu Skideronburg, dem jetzigen Schieder, ist im Winter 784 die Hofhaltung des kaiserlichen Sohnes Carl 4) und in dem nahen Lügde begeht er 785 das Weihnachtsfest. 5) Im Jahre 797 hat der Kaiser sein Heerlager längere Zeit bei (Herstelle nennt er den Ort, heristallum saxonicum), wenige Stunden von der heutigen Polleschen Grenze, und hält hier eine große Versammlung von Bischöfen und Grafen, zu welcher auch Sachsen berufen werden, die hier einmüthig ein Gesetz entwerfen; 6) im folgenden Jahre fährt er dann die Weser hinab bis Minden. 7)

 

 1) „Die Sage will ihr Recht. Ich schreit’ ihr nach.“  Fouque an Fichte. (Held d. N. II.)
  „Es ward von unsern Vätern mit Treuen uns vermacht
Die Sage, wie die Väter sie ihnen überbracht;  Wir werden unsern Kindern vererben sie aufs neu; Es wechseln die Geschlechter, die Sage bleibt sich treu.“  Chamisso, Gedichte Seite 307.
2) S. Poeta Saxo ad ann. 775 in Leipnitz Script. Rer. Brunsv.
 3) Daselbst.
 4) Ebendaselbst ad ann. 784. zu Schieder gründete Ludewig der Fromme ein Bistum, das später nach
Fallersleben, dann nach Frose, endlich nach Magdeburg verlegt wurde.
 5) S. Grupen Orig. Pyrm. et Schwalenb. p. 1.
 6) Capitul. Sax. ai. 797 bei  Baluze I. 275., cf. Wigand Geschichte von Corvey und Höxter, Abth. I.
p. 7 u. 14. Zu Herstelle, wo Carl auch eine Kirche stiftete, wird sein Andenken noch in Volkssagen bewahrt. Es wird ein Stein im Felde gezeigt, auf dem der Kaiser gesessen hat; der schwere Held hat darin tiefe Spuren eingedrückt, die noch sichtbar sind.
 7) Rehtmeyer Braunschw.-Lüneb. Chronik p. 137.

Auf den öfteren Aufenthalt der carolingischen Kaiser in unserem ihnen so angenehmen Weserthale deutet schon der königliche Meierhof zu Höxter hin. Diese Villa regina Huxori mit allen Zubehörungen bestimmte Ludwig der Fromme im Jahre 823 zur Dotation des aus dem Solling hierher verlegten Klosters Corveys. 1)

Die fränkischen und sächsischen Geschichtsschreiber, verglichen mit den von Tacitus gegebenen Andeutungen, dann die Kirchengeschichten von Corvey und Paderborn verbreiten auch einiges Licht über die bürgerlichen Einrichtungen der hiesigen Sachsen und den Anbau unsrer Gegend. 2) Das Volk, wie es Carl fand, lebte schlicht und einfach, in uralter germanischer Sitte und Verfassung; es war kühn, jederzeit zur Wehr gerüstet gegen die, welche ihm seine Freiheit antasten wollten. Städte und Dörfer kannten sie nicht, sie wohnten auf einzelnen Höfen, wie noch heut zu Tage in Westfalen, und der freie Besitzer eines Hofes gab diesem gewöhnlich seinen Namen; 3) er hatte seine Hörigen, die zum Theil ihre Wohnung und ihr Hauswesen hatten und sich einer milden Behandlung erfreuten. 4) Jede Bauerschaft hatte einen Richter, Bauerrichter, ein größerer Bezirk (Land) hatte einen Landrichter, wozu man gewöhnlich den Besitzer des Haupthofes wählte; auf dem von ihm präsidirten Ding (Goding) wurde das Urtheil von den sämmtlichen freien Hofbesitzern als Beisitzer des Gerichts nach altem Gewohnheitsrecht gefunden (Weisthümer); hier wurden auch die Angelegenheiten der Gemeinde besprochen und entschieden. 

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 1) Das berühmte Diplom vid. Schaten Annal. Paderb. lib. II. ad ann. 823. –Solcher königlichen Meierhöfe hatte Carl sich in Sachsen wenige vorbehalten, denn er achtete das Eigenthum der Beflegten; im Fran kenlande besaß er viele Cammergüter.
 2) Die Resultate dieser Berichte sind in neuerer Zeit von eben so gelehrten als gründlichen Forschern zu
sammengestellt, auf die als Auroritäten wir uns beziehen können. Dahin gehören: Eichhorn, deutsche Staats- und Rechtsgeschichte; Jacob Grimm, deutsche Rechtsalterthümer; Wigand, Geschichte von Corvey und Höxter; vorzüglich Möser, Osnabrücksche Geschichte.
 3) so gab es in der Umgegend von Corvey einen Hof Ovenhus (Haus des Ovo), Alberteshus (Haus des
Albert), Bosseshus (Haus des Boso) u. a. m. Umgekehrt nannten bei  Familiennamen sich die Edlen nach ihren Besitzungen, d. h. nach ihren Burgen und Schlössern. 4) Die Erinnerung an ein solches Verhältniß lebt hier in einer Sage fort. Ein Riese steigt von seiner Burg bei Brevörde herab und überschreitet die Weser, um im Bruchfelde zu lustwandeln. Als er spähend niederschaut, bemerkt er zu seinen Füßen einen Bauer mit dem Gespanne, der das Land pflügt. „Sollst die Dingerchen der Hausfrau mitnehmen,“ denkt er, und hurtig schiebt er alles, was sich da regt, zu-sammen und trägt es in seinem zusammengeschlagenen Oberkleide nach Haus. „O sieh’ doch, welche Ohrwürmer!“ ruft er seiner Frau entgegen, indem er das Kleid aus einander schlägt. Sie aber wird be-sorgt und erwiedert: ach das kann schlimm werden, die kleinen Wesen können uns hier einmal sehrschaden, trag sie doch wieder an ihren Ort. Er gibt ihr Recht und trägt den Bauer sammt Pflug und Pferden wieder zurück aufs Feld, wo dieser dann sogleich die Arbeit fortsetzt. – Merkwürdig ist, Daß eine, dieser sehr ähnliche Sage im Elsaß sich findet (vide Chamisso, Gedichte S. 300), nur daß dort nicht der Riese von der Burg Niedeck selbst, sondern dessen Tochter den ackernden Bauer und zwar als Spielzeug heimträgt, daß der Alte befiehlt, ihn zurückzubringen, „denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot.“ Beide sagen sollen offenbar die milde Behandlung versinnlichen, deren sich bei den alten Deutschen die Hörigen von ihren Herren zu erfreuen hatten. Der Beweggrund dazu ist jedoch in den beiden Sagen verschieden. Daß in der hiesigen Sage dem Bauer darum Milde widerfährt, weil das Riesenweib es wünscht, deutet wohl das größere Ansehen an, welches die sächsische Hausfrau genoß. Noch in Urkunden hiesiger Gegend aus dem 13 Jahrhundert ist zu erkennen, daß das Wort der Frau auch etwas galt, denn es wird über Grundstücke oft nur mit Zustimmung der Hausfrau verfügt.

 

Im Kriege erwählte man den Richter als den Würdigsten der Freien (Wehren) auch zum Heerführer (Heermann, Herzog), welche dadurch, wie auch durch größern Güterbesitz, allmählich ein größeres Ansehen erlangten, das auf ihre Familien überging. So bildete sich der Stand der Edhelinge, Edlen, der hohe Adel (nobiles). 1) Diese waren es, welche die Nation beim Friedensschlusse mit den Franken im Jahre 803 repräsentirten. 2) Erbliche Fürstengeschlechter, wie bei den übrigen Germanen, gab es hier nicht, wenigstens ist keine Spur von ihnen vorhanden.

Carl der Große, als er die Sachsen sich unterwarf und das Christenthum und den Zehnten unter ihnen einführte, ließ ihnen übrigens ihr altes Landrecht, 3) ihre Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen. Zwar wurde das Land nach fränkischer Weise in Gaue (Gerichtsbezirke) getheilt, denen Grafen als Richter vorgesetzt wurden; indeß war diese Bestellung fast nur Bestätigung der älteren Edhelinge in ihrer Würde, der bisherige von den Freien gewählte Landrichter, Besitzer des Haupthofes, hieß nun Graf und wurde vom Kaiser eingesetzt. Daß nur Einheimische zu dem Grafenamte ernannt wurden, ist wohl gewiß. 4) Wahrscheinlich war bei der Gaueintheilung auch der Umfang des Güterbesitzes der Edlen berücksichtigt worden. Jeder blieb daher im Besitz seines Gutes und so frei als er bisher gewesen war.

 

Die Hauptsorge Carls war, Bisthümer zu errichten, um der eingeführten christlichen Kirche einen Stützpunkt und eine feste Dauer zu verschaffen, zugleich sich selbst aber einen bleibenden Einfluß zu sichern, da die Bischöfe als Reichsfürsten von den Kaisern, bis diesen die Investitur vom Papste entwunden ward, abhängig waren. Die Diöcesen Paderborn, Hildesheim und Minden begrenzten sich in hiesiger Gegend; die Grenzlinien wurden unter seinem Sohne und Nachfolger Ludwig dem Frommen im 9. Jahrhunderte genauer bestimmt. In der Regel stimmen die Grenzen der Gaue mit den Diöcesangrenzen zusammen, was sich aus der gemeinschaftlichen Quelle beider Institutionen, so wie daraus erklären lässt, daß Carl der Große den Bischöfen die Aufsicht über die Verwalter der Gaue, über die Grafen, anvertraut hatte. Ein Diöceanbezirk umfaßte indeß mehrere Gaue.

 

 1) Das ganze Volk theilte sich so in drei Stände: Edle, Freie und Unfreie (Leute). Tacit. Germ. 25. und bei Nithardus lib. 4. cap. 2; „quae gens Saxonum omnis in tribus ordinibus divisa consistit, sunt enim inter illos, qui edhilingi, sunt qui frilingi, sunt qui lazzi illorum lingua dicuntur latina vero lingua hoc sunt :  nobiles, ingenui atque serviles.”
2) Poeta Saxo ad ann. 803: “- - - huc omni Saxonum nibilitate Collecta, simul has pacis leges inierunt.”
 3) Dies wurde zum Teil auf seine Veranlassung schriftlich gesammelt (lex Saxon.) und nur durch die
Capitularien ergänzt.
) Poeta Saxo ad ann.803:
„Tum sub judicibus, quos rex imponeret ipsis, Lrgatisque suis, permissi legibus uti Saxones patiis.“
Der letzte Zusatz erscheint, besonders nach Gestaltung des damaligen Rechts als Gewohnheitsrecht, als eine factische Beschränkung des Rechts zur Ernennung der Richter auf Einheimnische.

 

Der südliche Theil des heutigen Amtsbezirks mit dem Dorfe Heinsen und den daran stoßenden jetzigen Wüstungen Windelmuderod und Robrechtsen gehörte zum Auga und zur Paderbornschen Diöcese, der übrige ungleich größere Theil gehörte zum Gau Tilithi und zur Diöcese Minden. 1) Die Grenzlinie ging unterhalb Heinsen durch, dann auf der Höhe fort über den Köterberg 2) hinter Vahlbruch weg bis an die Emmer. An der östlichen Seite gehörten noch mehrere, jetzt braunschweigsche Ortschaften am rechten Weserufer, als Rühle (Ruelen in alten Urkunden), Dölme (Telmere, auch Dolhelm) und Reileifsen, woraus der Bischof von Minden den Zehnten zog, mit den Gau Tilithi; der Vogler (Fugleri) bildete hier die Grenze gegen den Gau Wickanafelde und die Diöcese Hildesheim.

 

 1) Wir stützen uns, ohne weitere Deductionen zu geben, in dieser Hinsicht auf die bekannten gründlichen Forschungen des Landdrosten von Wersebe (Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale, Unstrut, Weser und Werra) und des Geh. Raths von Spilcker (Geschichte der Grafen von Everstein.)
 2) Dieses Bestätigt auch Wigand a. a. O. S. 19 und fügt hinzu: „Mit wenigen Abänderungen, die im Laufe
der Jahrhunderte durch Zufall oder Gewalt hervorgebracht, sind es die Grenzen der spätern Grafschaft und des Stifts Corvey geblieben.“

 

Die hiesige Gegend war schon früh angebaut und bevölkert. Theils läßt sich dies mit Gewißheit schon daraus folgern, daß hier die Brunsburg, die festeste Burg in ganz Sachsen,, war, in deren Nähe eine Menge wehrhafter Männer wohnte, das höchst wichtige Bollwerk zu vertheidigen. Auch fand Carl der Große, als er die Weser passieren wollte, hier eine große Schaar kampflustiger Sachsen. Urkundlich geht die zahlreiche Bevölkerung aus den Corveyschen und Paderbornschen Schenkungsdiplomen hervor, die eine sehr große Zahl ansehnlicher Höfe aufführen, womit die Umgegend von Corvey schon zur Zeit Carl des Großen und seiner nächsten Nachfolger übersäet war. In den Urkunden des Kaisers Conrad II. von 1031 und 1036 werden im heutigen Amtsbezirke Polle schon Heinsen als ein Haupthof, die nachher untergegangenen Vorwerke Windelmuderod und Robrechtsen und Vahlbruch aufgeführt, und Pegestorf wird genannt in dem Register des Abts Sarracho von Corvey, welcher 1071 starb. In welcher Zeit an die Stelle der einzelnen Höfe hier Dörfer traten, wird von der Geschichte nicht ausdrücklich berichtet. Zum Theil waren es außer den innern Fehden der Edlen wohl die verwüstenden Einfälle der wilden und wegen ihrer Grausamkeit so sehr gefürchteten Ungarn, welche die Bewohner der Einzelhöfe veranlaßten, zur gemeinsamen Vertheidigung näher zusammenzurücken und besonders in der Nähe der jetzt sich mehrenden Burgen sich anzubauen. Daß die Ungarn auf ihren Raubzügen auch in die hiesige Gegend gekommen sind, ist gewiß. Die Corveyschen Geschichtsschreiber 3) melden, daß sie schon Anfang  des 10. Jahrhunderts auch hierher gedrungen seien, mehrfach  großen  Schaden ange-

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 3) cf. Wigand Abth. 1. p. 110. 111.

 

richtet, Ortschaften zerstört, Kirchen verbrannt, Klöster geplündert, die Einwohner getödtet und die Priester ermordet hätten. 1) Im Jahre 915, unter der Regierung des Kaisers Conrad I., der zwar eine Zeit lang diese Gegend vor ihnen geschützt hatte, aber wegen der beständigen Kämpfe gegen die übermüthigen Großen des Reichs ihre Besiegung nicht möglich machen konnte, kamen sie aufs neue; die Mönche zu Corvey flüchteten mit den Schätzen und Heiligthümern des Klosters in den Sollinger Wald. Eine dritte zerstörende Heimsuchung dieser Gegend erfolgte im Jahre 919. 2) – Dann war es aber auch die anwachsende Bevölkerung, zumal der Hörigen (Leute, lide in der Landessprache, davon jetzt noch Liedlohn, homines, liti, litones), die den Anbau der Dörfer herbeiführte. Es wurde diesen von den Freien ein kleiner Hof, dazu ein Feld, eine Hufe (mansus), oder einige, oft mit einem Gebäude (cum aedificio) abgetreten oder urbar zu machen bewilligt, und diese baueten sich dann in der Nähe der freien Höfe an. Im Anfange des 12, Jahrhunderts heißt Brevörde noch eine villicatio, zu Ende des 13. Jahrhunderts hatte es eine Kirche mit einem Pfarrer und war also ein größerer Ort, und nicht lange darauf wird es in einer Urkunde ausdrücklich ein Dorf genannt. – Daß auch neugegründete Kirchen zum Anbau größerer Ortschaften die Veranlassung wurden, indem in ihrer Nähe die Andächtigen sich sammelten und ihre Wohnungen da gern aufbaueten, daß auch hie und da die Anlegung einer Mühle neue Anwohner herbeizog, ist die Ansicht Mösers, und gewiß hat wohl manches Dorf in Niedersachsen jenen Umständen seinen Ursprung zu verdanken; indeß fehlt es an Nachrichten, in wie weit solche auf Ortschaften im heutigen Amtsbezirk Polle eingewirkt haben.

 

 1) Wie diese Barbaren verfuhren, berichtet die Rehtmeyersche Chronik p. 188 und 198, cf. Chron. Mind. ap. Pistor. Tom. III. p. 809: „Sie (die Ungarn) verschonten weder Weiber, Priester noch Jungfrauen, die Kinder rissen sie den Müttern aus dem Schoße, schlugen sie an die Wände und stachen sie durch, daß die Mütter mussten zusehen. Die Gefangenen mussten ihnen den Karren ziehen, etliche schickten sie in Ungarn, daß man sie allda in den Pflug spannen sollte. – Im ersten Jahre Kaisers Ottonis (937) wurden am Tage S. S. Felicis et Audacti im Kloster Obernkirchen (unweit Hameln) von den Ungarn erschlagen 128 Personen, theils Priester und Klosterjungfrauen, theils gemein Gesind.“ Die älteren Chronisten sagen: „Ungari Saxoniam crudeliter vastabant.“
 2) In Leibnitz Script. Rer. Brunsv. Tom. II. p. 172 wird erzählt, das Kloster zu Kemnade bei Bodenwerder, dessen erste kaiserliche Schutzurkunde vom Jahre 1004 datirt ist, sei auf mehrere Jahre, vielleicht
wegen der Raubzüge der Ungarn, verlassen worden und sei bei seiner neuen Besetzung mit Klosterleuten aufs neue geweiht, weil es wahrscheinlich entweiht gewesen sei. Da die ungarischen Horden durch Kaiser Heinrich den Finkler 933 bei Mersebirg und durch Kaiser Otto den Großen 955 auf dem Lechfelde so völlig besiegt wurden, daß sie seitdem keine Einfälle ins deutsche Reich mehr wagten, so stellt die Chronologie jene Andeutung der Script. als irrig dar.

 

Die carolingischen Institutionen, nehmen wir die Einrichtung der Bisthümer aus, verloren bald immer mehr an Festigkeit und Geltung, als die starke Hand fehlte, die das Ganze zusammenhielt. So war es besonders hinsichtlich der Gauverfassung. Die vielfachen Kämpfe, die das deutsche Reich gegen seine zahlreichen Feinde zu bestehen hatte, waren vorzüglich die Veranlassung, daß das Ansehen der Grafen und Herzöge 3) wie der Edhelinge überhaupt immer noch wuchs. Seitdem sich besonders in der Schlacht bei Ebstorf im Jahre 880 gegen die Normänner nur zu deutlich ausgewiesen, daß der sächsische Heerbann – das Aufgebot, in welchem zu erscheinen jeder Freie verpflichtet war – wegen seiner Ungeübtheit sehr schlechte Dienste thue, waren es hauptsächlich die  Edlen, die  Grafen und  Herzöge, die  mit

 

 3) Die Institution des herzoglichen Amts rührte eigentlich nicht von Carl dem Großen her. Zu dieser Würde waren vor seinem Erscheinen schon die angesehensten Freien durch Wahl der Hofherren im  Kriege berufen worden. Carl ernannte auch wirklich keine beständigen Herzöge, da sie ihm gefährlich schienen, und wie richtig hatte er geahnet. „Ein wahres Herzogthum wäre ein Schnitzer in der Politik gewesen,“ sagt Möser. Er sandte den Sachsen einen Heerführer nur bei besondern Feldzügen und nahm anfangs dazu seine Prinzen. Langjährige Kriege und fortwährende Gefahr des Reichs veranlassten erst ihre beständige Ernennung. So wurde bei dem Einbruch der Normänner 809 der erste sächsische Graf Ebert zum Herzog ernannt, und auch Reinbern, der Urenkel Wittekinds, war Herzog gegen die Normänner.

 

ihrem zahlreichen Dienstgefolge das Reich vertheidigten und auf welche die Kaiser sich stützen mußten. Die letztern mußten froh sein, daß jene häufig Burgen anlegten zur Verthei-digung gegen Ungarn, Normänner, Slaven u. a. m., und es kam bald dahin, daß solches, was früher in der Regel nicht geschehen durfte, ohne kaiserliche Erlaubniß und eben sowohl wegen inländische Fehden geschah. Dazu wurden sie oft für geleistete treue Dienste vom Kaiser durch Verleihung von Regalien und kaiserlichen Haus- und Cammergütern, auch Reichsgütern belohnt. Auch auf andere Weise, durch Erbschaft, Kauf, Eroberung hatten diese Edlen ihre Besitzungen oft in den verschiedensten Gauen vermehrt. Dazu kam noch, was sehr wichtig ist, daß die weniger angesehenen Freien fast durchgängig in ein Abhängigkeitsverhältniß zu den Mächtigen „nobiles“ kamen. Der Kaiser war nicht im Stande, sie zu schützen; sie mußten daher, um Schutz zu finden, den Besitzern der Haupthöfe sich anschließen, Waffendienst bei jeder Aufforderung versprechen und zum Pfand ihrer Treue eine Abhängigkeit ihrer Erbgüter anerkennen, diese oft gar übertragen und als Benefiz wieder annehmen (zu Lehn auftragen) oder eine Zinsbarkeit des Hofes eingehen, die Burg bauen und bewachen helfen (Burgfestdienst). 1) Manche unbegüterten Freien traten auch in das Dienstgefolge eines nobiles ein, um dadurch Höfe und andere Güter als Benefizien zu erwerben. Endlich galt es gar für eine Ehre, einem Mächtigen anzugehören und in einem abhängigen Verhältnisse zu ihm zu stehen. 2) So hatten denn die mehrgedachten Hauptherren (nobiles) das Obereigenthum auch über die ihnen nicht gehörenden umliegenden Besitzungen erworben und konnten im Besitz einer großen Macht selbst den Kaisern trotzen, besonders wenn diese häufig abwesend waren, eine geringe Hausmacht besaßen und im Kriege unglücklich kämpften. Dem Namen nach bestand nun die Gauverfassung freilich noch und so wurde in einer Urkunde Kaisers Conrad von 1031 Vahlbruch als in der Grafschaft des Grafen Wittekind 3) belegen aufgeführt, doch die Gaue selbst waren durch veränderten Grundbesitz und in manchen Gegenden besonders durch die Immunität der geistlichen Stifter 4) und durch das Austreten der  Städte  vielfach  zerstückelt, die Grenzen anders geworden, und  Waffen-

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 1) Durch die angegebenen Verhältnisse, wie dadurch, daß den ursprünglich Hörigen eine Wohnung und Länderei vom Haupthofe gegen Zins und Dienste überlassen wurde, ist der Grundstein des wohltätigen, unser Vaterland vor vielen andern Ländern auf einer beglückenden Stufe mittlern Wohlstandes erhaltenden Meiernerus gelegt.
 2) Möser a. a. O. Th. 2 p. 115 sagt daher: “Freiheit war damals kein Vorzug, sondern eine Schande.
Unter Freiheit muß man hier jenes freiwillige (wenn auch ursprünglich nethgedrungene) ehrenvolle Band gegenseitiger treuer Dienste verstehn.
 3) Die Namen Wittekind und Gottschalk sind vorherrschend im Schwalenbergischen Grafengeschlechte,
wie Conrad, Otto, Ludwig und Hermann in der Eversteinschen, und Bodo, Siegfried und Heinrich in der Homburgschen Familie.
 4) So hatte schon Ludwig der Fromme urkundlich dem Stifte Corvey zwei Billen geschenkt, frei von
aller Berechtigung und Anmaßung irgend eines Grafen oder öffentlichen Richters (comitis vel publici judicis.)

  

macht gab Ansehen und Herrschaft. So finden wir denn außer den alten Grafen auch andere mächtige Geschlechter im 11., 12. und 13. Jahrhunderte als Herren großer Landstriche, die ihnen entweder als Allodium oder als schutzhörig oder als verliehene Benefizien untergeben waren und die sie als ihr Gebiet betrachteten und vererbten. In der Regel besaßen sie Landeshoheit, die sich nach und nach mit der Schutzherrlichkeit ausgebildet hatte. Sie nannten sich edle Herren, nobilis Domicellus, liber Dominus, vir nobilis; manche erschienen mit dem Grafentitel oder nahmen ihn später an, weil sie entweder wirklich das Grafenamt vom Kaiser oder auch von einem Stifte gehabt oder doch ein Stück desselben mit dem Grafenbanne erworben hatten oder weil alle Mitglieder dieses Standes Grafenrechte be- saßen. 1) Unter diesen Dynasten erscheinen die von Everstein mit diesem Familiennamen (de Everesten) seit dem Jahre 1110, 2) dann als Grafen (comes) von Everstein zuerst in einer Urkunde von 1142 als reich begüterte Herren in der hiesigen Gegend, namentlich auch im heutigen Amtsbezirke Polle. Sie werden, bevor sie sich comes nennen, in einer kaiserlichen Urkunde unter den Fürsten aufgeführt. 3)

 

 1) S. Eichhorn, deutsches Privatrecht S. 160. 161.
 2) Die Familiennamen kamen bekanntlich erst im 12. und 13. Jahrhundert allgemein auf. Zuerst fingen, etwa zu Anfang des 12. Jahrhunderts, die Edlen an, von ihren Stammsitzen Familiennamen anzunehmen, die Ministerialen und Mannen (das Dienstgefolge) wurden dagegen noch einige Zeit nur unter
ihren Taufnahmen aufgeführt. Mehrere von Falke, von Spilcker u. a. m. mitgetheilte Urkunden zeigen dies deutlich.
 3) cf. Wigand a. a. O. Abth. 2. S. 16.     

 

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2. Die Herrschaft Polle als ein Besitzthum der Grafen von Everstein.

 

Bei dem Erlöschen der Gauverfassung und nachdem an die Stelle der alten Kaiserlichen Grafschaften viele geistliche und weltliche Herrschaften getreten waren, gab es nicht sogleich geschlossene Territorien. Diese bildeten sich vielmehr erst nach und nach. Man rechnete einem Hauptschlosse einen umherliegenden Bezirk als Zubehör hinzu und benannte ihn nach demselben. 4) In diesem Sinne nehmen wir auch den Ausdruck „Herrschaft Polle“ und rechnen dahin den jetzigen Amtsbezirk, da die Nachrichten fehlen, zu welcher zeit er seine Begrenzung gegen diejenigen Landstriche bekommen hat, die zu Anfang dieser Periode denselben Herrn anerkannten.

 

Wann die Grafen von Everstein zum Besitz von Polle gelangt sind, ist ungewiß. Im Jahre 1285 nahmen sie ihre Residenz im Schlosse Polle. Eine in diesem Jahre ausgestellte Ur-kunde, 5) worin Graf Otto seine  von den  Grafen  von Schwalenberg erworbenen Güter  in

 

 4) Ein Beispiel davon ist die Theilungs-Urkunde der Söhne Heinrich des Löwen.
 5) Diese und alle andern hier erwähnten Urkunden findet man in Spilkers Werke: Geschichte der Grafen
von Everstein, Urkundenband, entweder vollständig abgedruckt oder doch nachgewiesen; andere Queallen werden wir jedes Mal angeben.

Gestorf und das Patronatrecht der dortigen Kirche dem Kloster Loccum überließ, tragen wie die andern von jetzt an ausgestellten Urkunden das „Datum in castro nostro Poll.“ Das Schloß Everstein, ihre bisherige Residenz, hatten sie in demselben Jahre nach einer Ausgestandenen Belagerung an Herzog Heinrich den Wunderlichen veräußert, und auch das Schloß Holzminden nebst der Stadt traten sie damals für 2000 Mark an den Erzbischof Siegfried von Cöln ab.  Gewiß ist jedoch, daß sie schon früher einen dem Schlosse Polle zugerechneten Bezirk besaßen. Nach einer Urkunde von 1243 schenkte Graf Conrad einen Zehnten in Brevörde dem Kloster Amelungsborn, nach einer andern von 1252 trug Graf Ludwig dem Erzbischof von Mainz Güter zu Lehn auf zum Ersatz eines demselben Kloster gegebenen Zehntens, und nach einer Urkunde von 1266 errichtete Graf Ludwig d. ä. eine Stiftung bei dem gedachten Kloster mit dem Zehnten am Steinwege zwischen Grave und Brevörde. Andere Nachrichten darüber sind nicht aufgefunden. –Von der Zeit ihres Hoflagers im hiesigen Schlosse fügten sie ihrem alten Geschlechtsnamen den von Polle bei oder nannten sich bloß von der letzteren Herrschaft. So nennt sich Otto in einer Urkunde von 1290, worin er bekennt, daß der Erzbischof von Cöln ihn zum Marschall in Westfalen bestellt und ihm die Schlösser und Burgen der Kirche eingeräumt habe, einen Grafen von Everstein und Herrn von Polle; imgleichen 1293, als er dem Landgrafen Heinrich von Hessen alle seine Schlösser öffnet und verspricht, ihm gegen seine Feinde helfen zu wollen: Hermann stellt 1325 eine Urkunde nur als edler Herr vom Polle aus, und 1337, wo ihm Stadt und Amt Lügde vom Erzbischof Walram von Cöln Übertragen war, einen Revers als Graf von Polle. 1)

 

 1) Die über einen, dem gräflichen Geschlechte von Everstein angehörenden Mindenschen Domherrn und Hamelnschen Probst Wedekind in Spilckers Geschichte I. S. 234 urkundlich aus dem 1294 angemerkte Thatsache „als ein merkwürdiger Beitrag zur Culturgeschichte jener Zeit“ ist werth, hier erwähnt zu werden: „Er, ein angesehener Mindenscher Domgeistlicher, aus einem vornehmen Hause geboren, konnte nicht schreiben, für ihn mußte damals der Cantor unterschreiben.“

 

Unter welchem Titel die nobiles ihre Herrschaften besaßen, haben wir bereits gesehen. Es ist nun das Verhältnis zu berücksichtigen übrig, in welchem die Eversteiner zu den Herzögen in Sachsen und nachher zu denen von Braunschweig-Lüneburg standen, da dies für die vorliegende von Wichtigkeit ist. Ursprünglich standen die Herzöge als Heerführer im Kriege über den Grafen. Auch hatten sie in jener Zeit, wo Waffenmacht am Ende Alles galt und Alles entschied, 2) ein überwiegendes Ansehen erlangt, oft die Verwaltung der Grafschaften in ihrer Provinz an sich gerissen und die Grafen und andern nobiles vielfach zu einem Waffendienst gezogen. Nachdem das Lehnsverhältnis sich ausgebildet, hatten sie die Verleihung der Reichslehen in ihrem Herzogthume sich angemaßt oder gar die Grafen genöthigt, die Grafschaften von ihnen zu Lehn zu nehmen. Daß ihnen vom Kaiser eine Lehnsherrlichkeit zugestanden wurde, ersieht man unter andern daraus, daß Herzog Lothar im J. 1110 die Graf-schaft Holstein, die als Sächsisches Reichslehen eröffnet war, an Adolf von Schauenburg verlieh, so wie aus einem dem neuen Herzogthum Österreich ertheilten kaiserlichen Privile-gio. 3) Was nun die Eversteine betrifft, so ist nirgend ersichtlich, daß sie von den Herzögen von Sachsen abhängig gewesen wären, und es ist eben so wenig bewiesen, daß der zu der höchsten Stufe herzoglicher Graf Gewalt gelangte Herzog Heinrich der Löwe ein solches Verhältnis begründet hätte. 4) Wäre es aber wirklich gewesen, so ist dagegen gewiß, daß nach-

 

 2) Damit soll nicht gesagt sein, daß in Deutschland damals ein völlig rechtloser Zustand Statt gefunden habe, sondern nur, daß die Macht mehr als das Recht galt und daß daher derjenige, welcher das Staatsrecht erecutiren wollte, der Stärkere sein müßte. So konnte nur ein Kaiser, der mit großer Hausmacht versehen war oder die Mehrzahl der Grafen des Reichs auf seiner Seite hatte, gegen einen sich ihm widersetzenden Herzog sein Recht ausüben. Die deutsche Kaisergeschichte lehrt das an mehreren Beispielen.
3) S. Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte, § 234 und 93.
 4) Es beweis’t wohl wenig, daß der Graf von Everstein auf einem Fürstentage, den Heinrich der Löwe
1163 in Hannover hielt, gegenwärtig war, da wir etwas darüber nicht wissen. Spilcker am a. O. Bd. 1. S. 257 behauptet auch, daß die Eversteine Lehnsleute Heinrich des Löwen nicht gewesen seien, obgleich sie, innerhalb der Grenzen des Herzogrhums reich begütert, in manche Verhältnisse mit ihm hätten eintreten müssen.  

 

dem der mächtige Herzog Heinrich des Herzogthums Sachsen entsetzt war, selbst die meisten abhängigen nobiles factisch unabhängig wurden, 1) da seine Nachfolger, namentlich Bernhard von Anhalt, fast nur dem Namen nach diese Würde bekleideten, ohne Kraft, die von Heinrich innegehabten Rechte auszuüben. Alles, was aus den Eversteinschen und andern Urkunden über die Verhältnisse der Grafen von Everstein hervorgeht, berechtigt und zu der Annahme, daß sie völlige Landeshoheit hatten, seit sie urkundlich Polle besaßen. Auch wäre hier wohl die Urkunde Kaisers Friedrich II. vom Jahre 1232 zu erwähnen, nach welcher jeder Fürst alle Freiheiten und Gerichtsbarkeiten nach der Gewohnheit seines Landes, er möge damit belehnt sein oder es als Eigenthum besitzen, ruhig haben sollte, und wonach jeder Graf und Herr sich als wirklicher Regent betrachten durfte, wenn gleich die Souveränitätsrechte noch sehr unvollkommen und unbestimmt waren. – Gegen die nachherigen Herzöge von Braunschweig-Lüneburg standen die Eversteine in keinerlei Abhängigkeitsverhältnisse. Bei ihrer Aussöhnung mit Herzog Otto puer im Jahre 1235 sind sie nach Inhalt des Sühnevertrags nicht als Vasallen bezeichnet, was doch in diesem Falle hätte geschehen müssen, wenn ein solches Verhältniß wirklich Statt fand. 2) Verheirathungen braunschweigscher Herzöge mit Eversteinschen Gräfinnen zeigen, daß man diese Dynasten als ein freies, ebenbürtiges Geschlecht ansah; so war eine Gräfin Adelheid von Everstein die Gemahlin Herzogs Ernst von Grubenhagen, 3) so die letzte Eversteinsche Erbtochter eine Gemahlin Herzogs Otto von Lüneburg (de erica). Als freie Dynasten schlossen sie Bündnisse mit andern unabhängigen geistlichen und weltlichen Fürsten. Sie hatten die ganze Gerichtsbarkeit, die bei Verpfändungen ausdrücklich erwähnt wird „Judicia nostra ipsiusComitatus;“ bestätigen als Landesherren den Städten (wie Holzminden) die Privilegien, besaßen den Wordzins (Abgabe von Grund und Boden). Sie fangen ihre Urkunden gewöhnlich an: Wir - - von Gotte Gnaden, Grafen von Everstein. Sie hatten ihre Burgmänner, ihre Ministerialen, ihre Hofämter, namentlich ihre Drosten, Truchsessen, dapiferi, wie denn in Eversteinschen Urkunden mehrere Male „dapifer noster“ vorkommt. 4)

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 1) cf. Vaterl. Archiv 1835 S. 38 ff.
 2) S. Spilcker a. a O. Bd. 1. S. 304. – Es stellt sich demnach auch als irrig dar, wenn Geschichtsschreiber sagen, es habe Herzog Albrecht der Große. als es den Grafen Conrad von Everstein vor der Asseburg an den Füßen aufknüpfen lassen, somit den Unglücklichen als treubrüchigen Lehnsmann, als meineidigen Vasallen und Unterthan mit diesem schrecklichen Tode bestraft.
 3) Urkunde von 1340, woran auch das Siegel der Adelheid hängt.
 4) Beide Benennungen, Truchseß und Drost, wurden schon lange für gleichbedeutend genommen. Der
Truchseß, ursprünglich Trugs-Essen, von daps, dapis, ein prächtiges Mahl, und fero, tragen, bringen, war in den ältesten Zeiten ein Hofdiener, der über Keller, Küche und Haushalt eines Hofes die Oberaufsicht führte, bei feierlichenGelegenheiten die erste Schüssel auf die Tafel seines Herrn trug und sie demselben überreichte, später wenigstens den auftragenden Dienern im Cerimoniel voranschreiten und ihnen den Platz für die Schüssel anweisen mußte. Eine von Kindlinger (Münst. Beitr. 2, 356.) mitgetheilte Urkunde schreibt z. B. vor, daß der Drost sogar die Vertheilung des Lachses beaufsichtigten mußte, womit jährlich die Äbtissin des Stiftes Essen ihre Amtleute an einem gewissen Tage bewirthete:
  „Item sall der drost oik darbi wesen, wanner min vrumen koik den salmen snidet up mendeldach, den
min vruwe den amptlüden, die uit oren hus van or abdie belenet sin, pleghet to gevene; und ein droste sall wissen, wo man den salmen deilen sall. Dis hovet sall half hebn ein droste, die ander helfte vomme hovede sall hebn der abdissen mairschalk, dairna naest dem hovede sall hebn ein kemmerlink und ein skenke, und die andern ampte, die uit der abdissen hus belenet sin; in dat inghedompte (Eingeweide) solen bliven und die rhugge in der abdissen koken.“ Man sieht zugleich hieraus, daß das Drostenamt das erste der Hofämter war. Daß diese daher oft auf die Landesverwaltung großen Einfluß erlangten, ist erklärlich. Drost wird wohl am richtigsten von trustis die treue (fidelitas nach Wachter) abgeleitet. In unserm Lande hießen ursprünglich die Pfandinhaber landesherrlicher Ämter Drosten, daher der Beitrag von den Amtsökonomiem und Finanzaufkünften zu den Landessteuern in den Römerzügen Drostenaxt genannt wurde. Vgl. hann. Mag. 1804. Nr, 85.

In wie weit Polle von den Befehdungen und andern politischen Vorfällen damaliger Zeit berührt wurde, hat uns die Geschichte nicht aufbewahrt; doch blieben die Besitzer der Herrschaft den Streitigkeiten der großen und kleinen Landesherren nicht fremd. Einen der ältesten und diplomatisch bekannten Grafen von Everstein, Adalbert, sehen wir im Gefolge Heinrich des Löwen 1152, dann 1156 in Braunschweig, 1163 in Hannover auf einem Fürstentage und 1166, auch bei dem Kaiser Friedrich Barbarossa 1156 in Bomeneburg, 1164 in Italien, 1170 Frankfurt. Wie wir dann im Jahre 1180 einen Grafen Albert mit dem Erzbischof von Cöln im Feldlager vor Braunschweig unter Heinrichs Feinden finden, so sehen wir auch andere Eversteinsche Grafen gegen die Nachkommen Heinrichs feindlich handeln, was aus einer mit dem Herzoge Otto im Jahre 1235 in Göttingen geschlossenen Aussöhnung, so wie aus einer Fehde mit Albrecht dem Großen, als der den Grafen nahe verwandte Erzbischof von Mainz den Herzog bekriegte, hervorgeht, während ein Graf Albert 1198 mit dem zum Kaiser erwählten Herzog Otto, Heinrichs Sohn, verbunden war. 1) Der fürchterliche und fast hundertjährige Kriegsturm dieser Zeit, von dem auch die Wesergegend vielfach heimgesucht ward, ist ohne Zweifel für die Herrschaft Polle sehr verderblich gewesen. Wenn

 

 1) Das Benehmen der Eversteinschen Grafen gegen die Welfen erscheint in dieser Zeit sehr schwankend.
  Spilcker vermuthet, daß nicht nur verwandtschaftliche Verhältnisse, sondern vorzüglich die ihren Besitzungen drohende Gefahr, die sich besonders 1178 bei einem Kriegszuge des Erzbischofs Philipp von Cöln, an die Weser recht herausstellte, sie bestimmt habe; auf die Seite der Hohenstaufen zu treten. Es
ist möglich. daß einige Glieder der Familie auf dieser, andere auf jener Seite standen. Nach Letzners Erzählung hätten Grafen von Everstein dem Herzoge Heinrich dem Löwen, als er geächtet und überall von seinen Feinden verfolgt in die hiesige Gegend gekommen sei, große Dienste geleistet. Sein Bericht lautet Rehtmeyer Chronik p. 362: „Den 18. Nov. (1182) ist der Herzog mit den Seinen von Eineck gezogen, bis auf das Schloß zu Ottenstein, auf einer Höhe nicht weit von der Weser gelegen, da haben sich seiner die Grafen von Everstein aus herzlichem und nachbarlichen Mitleiden als ihres Ober-, Lehn- und Landesherrn gar treulich angenommen, ihm auf ein solches kleines Haus in der Öde und Wüste gelegen, alles , was zum Unterhalt nöthig war, zugeführt und mitgetheilt. Auf dieses Haus ist der Herzog oftmals in stehender Feide mit wenigem Gesinde und insgeheim kommen und also nach seiner damaligen Gelegenheit heimlich wieder davon gegangen. Es hat Herzog Heinrich, als er wieder zu Landen und Leuten kommen, den Grafen von Everstein dieses haus zu Ottenstein mit aller Zubehörung zu Lehn gegeben.“ Könnte man den Letznerschen Nachrichten trauen, so wäre dies allerdings wichtig. Rehtmeyer fügt freilich hinzu, es sei ihm eine Abschrift des Lehnbriefes über die Verleihung von Ottenstein vom Jahre 1185 aus dem Kloster Falkenhagen zugefertigt. Wäre jener Aufenthalt Heinrich des Löwen eine Thatsache, dann möchten wir eine Sage, die hier im Munde des Volks lebt, damit in Verbindung bringen. Es seien, so erzählt man, einst aus der Glesse (in der Nähe von Ottenstein) wiederholt Haufen unsichtbarer Zwerge gekommen und haben sich auf ihren Wanderungen zu Brevörde übersetzen lassen. Dem Fährmann ist bloß der Anführer des Haufens sichtbar und nur an dem gewaltigen Gewicht, welches sein Schiff zu tragen hat, merkt er, daß er viele Personen hinüber transportiert. Dein Fährgeld liegt hinten im Schiff, sagt ihm der Reiter, aber er findet da nichts als – Pferdemist.
  Ärgerlich wirft er diesen mit der Schaufel über Bord, doch das plumpt ins Wasser hinein wie schweres
etall, er untersucht den Rest näher und findet lauter hübsche Goldklumpen. – Der Fährmann wäre da eingeweiht in den geheimen Aufenthalt des Herzogs, die Züge vom Schlosse Everstein gehen zu Brevörde über die Weser nach Ottenstein, und die spähenden Feinde Heinrichs werden durch diese Mährchen, das in der damaligen Zeit allgemeinen Glauben findet, getäuscht. – Sagen von wandernden Zwergen findet man häufig, und oft liegen ihnen Ansiedelungen von Chronisten, immer aber der Begriff des Fremden, Unbekannten, Unsichtbaren zum Grunde.

 

auch die Eversteinschen Besitzungen nicht so sehr als manche andere Gegenden unmittelbar angegriffen wurden, 1) so geschah doch namentlich in den Kämpfen gegen Heinrich den Löwen das Eindringen in dessen Länder von allen Seiten so heftig, so ohne alle Schonung gegen Feinde und Freunde und so wiederholt, daß eine Verheerung der angrenzenden Territorien unausbleiblich war. Die beispiellose Unsicherheit wurde noch dadurch verwehrt, daß in dem langdauernden Kriege die Räubereien zum Geschäft wurden und viele Edle sich diesem unedlen Gewerbe hingaben. Dies wurde denn die Veranlassung zur Vermehrung und Vergrößerung der Dörfer, indem die Bewohner der Einzelhöfe und der kleinern, zumal der verwüsteten Ortschaften sich da anbauten, wo die Volkszahl schon bedeutend war, daß gemeinsame Vertheidigung gegen die Streitereien schützte. 2) – Eine nicht unbedeutende Fehde der Grafen von Everstein war es, als Herzog Heinrich der Wunderliche zur Belagerung des Schlosses Everstein im Jahre 1284 zog, indem sie in Folge derselben dieses Stammschloß abtreten mußten. Im Jahre 1389 schlossen die Grafen ein Bündnis mit dem Abte Bodo von Corvey, dem Herzoge Otto von Braunschweig und Heinrich edlem Herrn zu Homburg gegen die Herren von der Lippe, welches die Eroberung der Stadt Holzminden – diese war von Cöln an Lippe durch Kauf gekommen – zum Zweck hatte. Laut der darüber vorhandenen Urkunde war verabredet, daß zur Besatzung in Lügde stellen solle der Abt von Corvey 5, der Herzog von Braunschweig 25, der Edle zu Homburg 15, der Graf von Everstein 10 „to jeglikem Kriege mit Glevigen 3) wo gerüsten  Lüde,“ und daß, wenn Holzminden erobert würde, jeder

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 1) Zu der Vermuthung, es sei dadurch, daß einzelne Glieder der Eversteinschen Familie in dem Kampfe um die deutsche Kaiserkrone auf Otto’s Seite standen, ein Angriff auf ihre Besitzungen herbeigeführt, leitet die Rehtmeyersche Chronik S. 449: „Viele mächtige Fürsten und Herren Deutschlands verbanden sich wider Kaiser Otto 1221, aber Graf Albrecht von Everstein, ein wohlgeübter Kriegsheld, hielt fest an Kaiser Otto und brachte damit seine Graf- und Herrschaft meistentheils in große Beschwerniß und in andrer Leute Gewalt und Hände.“
 2) Spittler, Geschichte des Fürstenthums Calenberg Th. 1, S. 32: „Ein Krieg, der beinahe ununterbrochen
55 Jahre lang dauerte, verheerte das ganze Land in allen Gegenden, zerriß alle bisherigen Bande, hob alle öffentliche Sicherheit auf und machte den Landbau des zerstreut wohnenden Landmanns fast unmöglich. das Landvolk floh in Menge nach großen Meierhöfen hin, wo sich die Anzahl der Bauern schon lange so vermehrt hatte, daß es ein Dorf zu sein schien.“ S. ferner daselbst S. 36 – 38. Bekanntlich gaben diese Verhältnisse auch manchen Städten den Ursprung.
 3) Nach einer Notiz im hannoverschen Stadtrechte „macht ein Glevynge drei Pferde, das ist ein Herr, ein
necht und ein Junge.“ S. Vaterl. Archiv 1839, S. 205.

 

ein Viertel der Stadt haben solle, ferner: „Were dat men wat gewounne, Gevangenen, venge Reysenen, Bürgere odir Gebüre, odir Kokinspyse nehmen, dat solde man glike delen nach Manthal gewapinder Lüde, de denne dar mede up dem Felde weren.“ Holzminden ward wirklich den Herren von der Lippe entrissen und nach Inhalt des Vertrages getheilt. 1)

Wir haben Obiges hier mitgetheilt, weil es das Verhältnis der Streitkräfte jener Herren zeigt.

Im Laufe der Zeit waren die Eversteinschen Besitzungen sehr zusammengeschmolzen. Manches hatten die Grafen an die Klöster gegeben, besonders hatte Amelungsborn viel von ihnen zu erwerben gewußt. So einen Zehnten bei Brevörde im Jahre 1243, wie wir schon erwähnt, für das Seelenheil der Gräfin Lutgard, die in Amelungsborn ihr Grab hatte; ferner bedeutende Ländereien nebst einigen Bauerhöfen daselbst; auch den gedachten Zehnten am Steinwege, um der verstorbenen Gräfin Adela ein Gedächtniß bei dem Kloster zu stiften. Bei weitem mehr aber noch war von den außerhalb der Herrschaft Polle gelegenen Gütern sowohl durch unglückliche Fehden als durch Veräußerungen und Verpfändungen verloren gegangen. Indeß waren die Besitzungen noch sehr ansehnlich, als außer einem unverheirathet gebliebenen Bruder Graf Hermann VIII. als einziger Sprößling der Familie zu Ende des 14. Jahrhunderts ohne Erben lebte. Es läßt sich denken, daß die Nachbarn ihre Blicke auf die schöne Erbschaft warfen. Welche uns verborgen gebliebene große Rolle mögen die darauf gerichteten Pläne in den Bündnissen der umwohnenden geistlichen und weltlichen Fürsten damaliger Zeit spielen! Manche politische Merkwürdigkeit hat das Mittelalter aufzuweisen, bei denen es schwer fällt, die gepriesene deutsche Redlichkeit zu retten. Könnte die Diplomatie uns jene Verhandlungen berichten, wir dürften dann im Stande sein, mehrere uns unerklärliche Facta der Geschichte zu deuten.

 

Dem Bischofe von Paderborn, Johann Grafen von Hoya, Oheim des Grafen Hermann von mütterlicher Seite, gelang es, diesen unterm siebten Januar 1399 zu einem Erbvertrage mit dem Stifte zu bewegen. Man hatte den Grafen mit der Aussicht gekirrt, das er die Regierung der ganzen Stiftslande mit Ausnahme nur zweier Ortschaften und der geistlichen Gewalt bekommen solle. Hermann hatte für den Fall, daß er mit seiner Gemahlin Ermgard von Woldegge keine männlichen Erben erhalte, dem Stifte seine Grafschaft Everstein mit Mannschaft, Land und Leuten, Gerichten und Herrlichkeit und alle seine Schlösser, namentlich Polle, Burg und Stadt Artelsen, den Ottenstein, Burg und Stadt Osen, seinen Antheil an Holzminden, auch Hämelschenburg übertragen. Es ward besonders bestimmt, daß die Amtleute und Schloßinhaber zu Polle und Ärzen aus Paderbornschen oder Eversteinschen zum Schilde gebornen Mannen genommen werden sollten. Der unverheirathete gräfliche Bruder Meinhard trat dem Vertrage bei, mit dessen Ausführung der Anfang gemacht wurde. Die Huldigung war geleistet worden, Graf Hermann hatte der Stadt Warburg ihre Privilegien bestätigt und Dringenberg in besitz genommen.

 

aber „zu Schloß Poll“ wird 1404 ein junger Graf geboren und der Erbvertrag hat damit sein Ende erreicht. Wenigstens ward er kurz nachher aufgehoben, obgleich stipulirt war, daß die Stiftsschlösser zurückgegeben werden sollten, wenn ein dem Grafen Hermann geborner Sohn zwei Jahre lebe. Hermann scheint den Vertrag längst nicht gern mehr gesehen zu haben, da seine Hoffnung, die Regierung des ganzen Stifts Paderborn zu erhalten, bei den damaligen Unruhen nicht in Erfüllung ging. Doch des Grafen Freude, sich durch einen Stammhalter beerbt zu sehen, ging gar bald zu Grunde, denn der Neugeborne starb im zarten Alter. Er schloß nun eine Erbverbrüderung mit Simon und Berend, Herrn zur Lippe, am 6. Juni 1403, wodurch eine ewige Vereinbarung der beiderseitigen Länder beabsichtigt ward. Schlösser und Ortschaften sind in dem eidlich bekräftigten Vertrage nicht aufgezählet. Beide Erbverbrüderte versprachen, für den Fall des Ablebens ihrer gegenwärtigen Gattinnen sich nicht wieder zu verehelichen. 1) Würde das Lippesche Land an den Grafen Hermann fallen , er aber demnächst ohne Erben sterben, so war der Rückfall an eine weibliche Verwandte von Lippe festgesetzt, dann aber sollten den Verwandten des Grafen von Everstein 1000 löth. Mark westfälischen Silbers werden. Es wurde die wechselseitige Huldigung der Unterthanen zugesagt, und Hermann nannte sich nun Graf von Everstein und Herr zu Lippe, die Lippeschen Herren führten nun den Titel: Herren oder Junker zu Lippe und zu Everstein. Graf Hermann vereinigte das Lippesche Wappen mit dem seinen, indem er eine fünfblättrige Rose in einem besondern rechtsstehenden Schilde neben einem andern mit dem Eversteinschen Löwen stellte. Dem Grafen wurde übrigens bald darauf eine Tochter geboren.

 

Die Geschichte dieser Erbverbrüderung lehrt aber, wie die Pläne der Menschen durchkreuzt, wie ihre Hoffnungen bei aller klugen Vorsicht verteilt werden. So bündig auch der Vertrag gemacht war; es gelang Lippe dennoch nicht, die Eversteinsche Herrschaft hinzunehmen. Diese kam vielmehr an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.

 

 1) In dem Vertrage, welchen so wie den mit Paderborn man bei Spilcker nachlesen kann, bekannten Her mann und Simon, „dat wy umme nut un bedarf unser land uns ghensliken vorenet hebbet unde in eyne erflike Broderscop ghezatet hebbet en zatet in dessem breue myt unsen landen Manschop un luden ewiliken by einander to bliuendem were dat unser greuen Hermanns van Eversteen un symons heren to Lippe Eliken vrowen afliuich worden, so enschal unser twyer vorscr. neyn meer Elike vrowen nehmen“ u. s. w.

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3. Polle kommt an das Braunschweig-Lüneburg

 

Wenn die Grafschaft Everstein in ihrem damaligen Umfange an die Herzöge von Braun-schweig-Lüneburg überging, so ist das wohl füglich nicht ein Heimfall zu nennen, wie Koch in seiner pragmatischen Geschichte dafür hält. 2) Die Grafen von Everstein waren ja, wie wir das oben näher gezeigt haben, hinsichtlich der hier in Frage kommenden Besitzungen keine Lehnsmänner und Vasallen der Herzöge von Braunschweig. Man braucht nur die Übertragungs-Urkunden zu lesen, um zu sehen, daß die Herzöge an einen Heimfall nicht dachten. Würden diese auch sonst geschwiegen haben, als der letzte Graf von Everstein den gedachten Erbvertrag mit Paderborn, als er die Erbverbrüderung mit Lippe schloß? Spilcker sagt in seiner Geschichte der Eversteine: „Ihre älteste Besitzungen an der Weser, Hameln etwa ausgenommen, scheinen völlig freie Güter gewesen zu sein.“

 

 2) Pragm. Gesch. S. 45: „Die sächsischen Grafen von Dassel, Everstein, Wunstorf, Wölpe ec. stammen wohl nicht von den alten großen Geschlechtern ab, sondern sie sind, nachdem jene mit der Zeit ausgestorben und ihre Lande den Herzögen eröffnet waren, von Lothario und den Henricis aus dem Adel genommen und ihnen die Grafschaften über die dem Landesherrn größtentheils eigenthümlich zustehenden Güter aufgetragen worden. Es sind daher die Hauptschlösser in die 1203 errichtete Theilung gebracht und die meisten Grafschaften nachmals den Herzögen wieder heimgefallen.“ Diese Ansicht ist schon in ihrem Vordersatze völlig unerwiesen.

 

Die Übertragung der Grafschaft, obgleich im Grunde „ein verhaßtes Müssen,“ war der Form nach eine freiwillige Cession, veranlaßt durch die Fehde der Herren von der Lippe mit den Herzögen von Braunschweig zu Anfang des 15. Jahrhunderts; eine Fehde, von welcher Spilcker unentschieden läßt, ob sie von Braunschweig gesucht sei, weil es voraussah, die herrlichen Eversteinschen, den Herzögen sowohl gelegenen Besitzungen würden an das Haus Lippe kommen. Auch ist es diplomatisch nicht erwiesen, daß sie mit dem an Herzog Friedrich von Braunschweig im Jahre 1400 bei Fritzlar verübten Morde in Verbindung steht.  1) Es dürfte hier am Orte sein, die Fehde etwas näher zu schildern, da es Thatsache ist, daß Polle dadurch in die Hände Braunschweigs kam.

 

 1) Einige Geschichtsschreiber stellen diese Fehde allerdings als einen Rachekrieg der Braunschweigschen Herzöge dar und melden, daß die Herren von der Lippe und der Graf von Everstein die Mörder Friedrichs gehegt hätten. Die vorhandenen Urkunden bestätigen dies indeß keineswegs. Vielleicht hatte man den Grafen von Everstein im Verdacht des Mitwissens, da er ein Schwager des Grafen von Waldeck war, der auf Anstiften des Erzbischofs von Mainz gegen den Herzog Friedrich bei Fritzlar angeführt hatte.

 

Die von reden und Andere waren als Friedbrüchige auf eine Anklage der Herzöge von Braunschweig von dem Landrichter Grafen von Hallermund in contumaciam in die Acht erklärt; nach eingelegter Berufung waren sie indeß von dem ganzen Collegio der Landrichter frei gesprochen worden, weil sie mit drei Eideshelfern beeidigten, daß sie keine Ladebriefe erhalten hätten. Simon v. d. Lippe hatte sie nun gegen einen Vorschuß von 800 Gulden in seine Schlösser aufgenommen und sie gar zu Burgmännern in Varenholz bestellt, von wo aus sie den Braunschweigern manchen Schaden zufügten. Die Herzöge Bernhard und Heinrich zogen gegen die Friedensstörer aus, mit denen Bernd v. d. Lippe verbündet war. Bernhard suchte sie in den Lippischen Schlössern, namentlich auch in dem Eversteinschen Schlosse Ohsen auf. Bernd von der Lippe 2) war unterdessen von hier längst gegen Herzog Heinrich aufgebrochen und hatte diesen am 19. Nov. 1404 am Oderberge (Ohrberg bei Hameln) überfallen und gefangen genommen. 3) Heinrich ward auf das Lippische Schloß Falkenburg in

Verwahrung gebracht und hier durch eine sehr harte Behandlung 4gedrungen, ein Lösegeld

 

 2) Seine Hauptleute waren Dietrich de Keteler, Johann de Droste, Gherd von Ense und Frederick von Brencken. Des Erstern Familie kömmt später in Polle vor. Ob es dieselbe war, die wir nachher als Heermeister und seit 1561 als Herzöge in Curland finden?
 3) Koch sagt in seiner pragmatischen Geschichte S. 272, die Gefangennehmung des Herzogs Heinrich
sei auf kaiserlicher freier Heerstraße hinterlistiger Weise geschehen.
 4) Leubnitz Script. Rer. Brunsv. Tom. III. p. 200: „Hinrick van Luneborcdh wart gefort up den Valckenberg, dar helt öne de Here vele strenglicken ein Jar umb, dat he na up dem krücken mostegan, do he loswart.“

von 1000,000 Gulden, zahlbar in Terminen bis Pfingsten über vier Jahr, zu versprechen und eidlich zu geloben, daß er sich wegen dieser Gefangenschaft nicht rächen wolle (mußte Urphede leisten). Diese Verpflichtung war 1405 gegen den Grafen Hermann von Everstein und die Junker Simon und Bernd von der Lippe genommen. Nachdem der vierte Theil der Summe bezahlt – die Hauptleute empfingen davon ihren „gebührenden“ Antheil des Lösegeldes – wozu eine Bede durchs ganze Land ausgeschrieben worden, ließ Heinrich sich vom Kaiser Ruprecht und Probst Gregor XII. seines Eides entbinden. Die ausgelobte Summe mochte ihm in der That unerschwinglich sein. Herzog Bernhard aber hatte längst ein Rechtsverfahren wider die Gegner bei dem Hofgerichte zu Heidelberg veranlaßt. Unterm 15. December 1405 erfolgte „gegen Bernd von der Lippe und dessen Hauptleute und Helfer, weil sie wider alles Recht und den Landfrieden in Sachsen den Herzog Heinrich gefangen und dessen Habe genommen; ferner gegen Hermann von Everstein und Simon von der Lippe, weil sie durch wissentliche Aufnahme der Gefangenen und deren Habe in ihren Schlössern sich der That theilhaftig gemacht, dem Befehle zur Loslassung und Rückgabe keine Folge geleistet, vielmehr darauf den Herzog noch härter gehalten, mit großer, schwerer und unmenschlicher Leibesnoth und Pein zu einer unziemlichen Schatzung und Urphede, auch zuletzt zu einer eidlichen Verschreibung gezwungen, ihnen einen selbst entworfenen Gnadenbrief des Königs Ruprecht zu verschaffen“ – der Spruch des Hofgerichts dahin: es werden wegen der vorgedachten Thatsachen Graf Hermann von Everstein, Simon und Bernd v. d. Lippe nebst ihren Helfern und Dienern in des Königs und des Reichs Acht gelegt, aus des Reichs Frieden genommen und in den Unfrieden gesetzt; es werde verboten, mit ihnen Gemeinschaft zu haben, sie zu hausen, zu speisen,  zu tränken; es werde geboten, sie überall anzuhalten und mit ihnen als Reichsächtern zu verfahren, so lange bis sie in des Königs und des Reichs Gnade und Gehorsam wiedergekehrt seien. Das Urtheil wurde geschärft, indem das Hofgericht unterm 21. Februar 1407, weil die Verurtheilten „über Jahr und Tag muthwillig, ungehorsam und in einem verhärteten Gemüthe freventlich gelegen,“ die Oberacht gegen sie aussprach, wodurch ihnen alle rechte und Freiheiten, ihre Lehen, welche ihren Lehnsherren, und ihre eignen Güter, welche die Reichscammer zufallen sollten, genommen wurden. 1) Zahlreiche Feinde standen wider die Geächteten auf. Im Bunde mit seinen Brüdern, dem Herzoge Bernhard und dem Erzbischofe von Bremen, mit dem Landgrafen von Hessen, Bischof von Minden, herzog Otto von Geldern, Herzog Adolf von Berg, den Grafen von Hoya, Schaumburg u. A., auch dem Bischofe von Paderborn und dem Abte von Corvey 2) hatte Herzog Heinrich, der die Erecution erhielt, 3) die Eversteinschen und Lippischen Besitzungen angegriffen. Schon am 8. Febr. 1407 wurde das Schloß Polle erobert, Heinrich erstieg die Mauern zur Nachtzeit, als die Besatzung keinen Angriff erwartete. 4) Auch das Städtchen Horn wurde eingenommen und Schloß Falkenberg verwüstet. Überall wurden große Verheerungen angerichtet 5) und wahrscheinlich wurden eben in jenem Kriege einige der Ortschaften zerstört, die wir  jetzt als Wüstungen kennen. Tapfer kämpften die Angegrif-

 

 1) Diese Thatsachen sind durch die vom Herrn von Spilcker aus dem Detmolder Archive mithetheilten Urkunden aufgehellt.
 2) Havemann in seiner Geschichte Th. 1. S. 231 nennt außer den obengedachten Theilnehmern des Bundes
auch den Herzog von Meklenburg und den Markgrafen von Meißen.
 3) Pragmatische Geschichte von Koch S. 272: „Den westfälischen Freigrafen wurde alles Verfahren in derSache untersagt.“
 4) Leibnitz Script. Rer. Brunsv. Tom. III. p. 201: „Do de Wechter slepen und sich nicht fruchteden, do
stech he to öne in aver de muren, dat Schlot vestede he do woll ,it wepenern und vittalien.”
 5) Ibid. p. 196 et 395: “He herede unde brande in dem lande; he brande reyn aff da do was, dar wart nicht
vele gerovet.“

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fenen, besonders bewährte der alte Junker Simon seinen Heldenmuth und nöthigte sogar die Feinde zum Abzuge aus seinem Ländchen. Beide Verbrüderten hielten noch immer an der Erbverbrüderung. Der Kampf war indeß zu ungleich, Graf Hermann mußte fürchten, bei dem Ringen mit der Übermacht Alleß zu verlieren, auch mochte ihn der Verlußt seines Residenz-schlosses tief beugen. Er schloß daher Frieden mit den Herzögen zu Hameln am 20. Jan. 1408. In dieser Übereinkunft verlobte er seine einzige Tochter Elisabeth (Elsebe) mit Herzog Otto, Bernhards Sohn, und verschrieb ihr seine Besitzungen Ärzen, seinen Theil an Ohsen, Hämelschenburg, Ottenstein und seinen Theil an Holzminden zum Brautschatz. Das Schloß Polle aber wird nicht mit aufgeführt, die Herzöge hatten es bereits im Besitz und sahen es als eine Eroberung an.

 

Kurz darauf und geraume Zeit vor der im Jahre 1425 vollzogenen Verheirathung seiner Tochter gab Graf Hermann schon seine Herrschaft ab. Aus zwei Urkunden von 1408 und 1413 muß man sie nothwendig schließen; in der ersten bezeugt der Graf, daß das Kloster Amelungsborn von einem Hofe in Reinlevessen keine Dienste gethan „zu seinen Zeiten,“ und der letzten, daß er jenen Hof „zu der Zeit, als er noch Herr gewesen“ von der Unterhaltung seiner Hunde befreit habe. Auch handelten schon 1409 die Herzöge als alleinige Herren des Eversteinschen Schlosses Ohsen, indem sie es in diesem Jahre an den Grafen von Spiegelberg verpfändeten.

 

Die Herzöge hatten beim Friedensschlusse versprochen, dem Grafen „truweliken helpen“ zu wollen, daß er die Gnade des Königs Ruprecht wieder erlange und ihm die dazu behufigen Briefe vom reiche zu verschaffen. 1409 befreite das Hofgericht die Verurtheilten von der gegen sie ausgesprochenen Acht und Oberacht, weil sie sich mit dem Herzoge Bernhard gütlich ausgesöhnt hätten. 1) Auch hatten die Herzöge in dem Vertrage zu Hameln zugesagt, dem Grafen Hermann auf Lebenszeit das Schloß Neustadt am Rübenberge einzuräumen, ihm den Aufenthalt in allen ihren Schlössern zu gestatten und dann Kost und Kleidung und Futter verabreichen zu lassen und ihn in ihren Rath zu nehmen. Es sind keine Nachrichten darüber vorhanden, ob er das Schloß zu Neustadt bezogen oder wo er nach Abtretung seiner Herrschaft sonst gewohnt. Ein Zeitgenosse von ihm 2) erzählt uns, Graf Hermann von Everstein sei im Jahre 1413 gestorben. 3)

 

Die Aussöhnung der Herren von der Lippe mit den Herzögen geschah am Osterfeste 1409 zu Polle. Zugleich wurde allen etwa aus der Erbverbrüderung zu machenden Ansprüchen entsagt.

 

 1) Vermerkt war auch dabei, es geschehe die Aufhebung der Acht, nachdem der Hofrichter und der Hofgerichtsschreiber wegen der ihnen von der Acht und Oberacht zukommenden Gebühren befriedigt  worden.
 2) Engelhusen in Leibnitz S. R. B. Tom. II. p. 1140.
 3) Irrthümlich ist es, was mehrere Schriftsteller anführen, Graf Hermann habe den letzten Homburg im Jahre 1445 ermordet und sei darauf landesflüchtig geworden. Diese Angabe wird am bestimmtesten
dadurch widerlegt, daß die Gattin jenes Edlen von Homburg, Schonetta von Nassau, bereits in einer Urkunde 1413 als Witwe aufgeführt wird und sich 1414 anderweitig mit Herzog Otto zu Osterode vermählte.

 

4. Das Amt Polle unter der Regierung des Braunschweig-Lüneburgschen Hauses

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Politische Schicksale. – Schon bei der im nächsten Jahre nach der Acquisition eingetretenen Landestheilung zwischen den herzoglichen Brüdern Bernhard und Heinrich wurde über die neuerworbenen Güter verfügt. Dem Braunschweigschen Theile, welcher Bernhard zufiel, war die Herrschaft Everstein beigelegt worden. Als im Jahre 1428 aufs neue getheilt wurde, weil Heinrichs Sohn, Wilhelm d. ä. (der Streitbare oder mit den sieben Hauptschlachten genannt), behauptete, sein Vater sei bei jener ersten Theilung verkürzt worden, wählte Wilhelm den Braunschweigschen Theil. mit welchen Polle nebst Ohsen, Ottenstein und Holzminden vereinigt blieb. 4) Wilhelm behielt diese Territorien auch, als er genöthigt wurde, im Jahre 1432 mit seinem Bruder Heinrich dem Friedsamen zu theilen und diesem die größere Hälfte seine im Jahre 1428 erlangten Besitzthums zu überlassen.

 

 4) S. den Theilungsreceß in Erath von Braunschw. Lüneb. Erbtheilungen S. 39. Ärzen nebst Hämelschenburg wurde dem Lüneburgschen Theile beigelegt und damit die Verleihung sämmtlicher Lehen, die von der Herrschaft Everstein relevierten, indem festgesetzt war, daß diese Lehnsherrlichkeit derjenige Contrahent haben solle, welchem Ärzen zufallen, dagegen alle Lehnsherrlichkeit der auch unlängst erworbnen Herrschaft Homburg demjenigen Theilhaber, in dessen Theil das Schloß Homburg fallen würde.
vid. Erath a. a. O. S. 42.

 

Sein Sohn Wilhelm d. j. theilte bekanntlich im Jahre 1491 und vollends 1495 sein Land, welches auch den seit 1432 wieder angefallenen Theil und das Fürstenthum Göttingen umfaßte, unter seine Söhne Heinrich d. ä. und Erich d. ä. Von hier an existiert ein Fürstenthum Calenberg, denn diesen Namen bekam Erichs Antheil. 1) Polle wird unter den Bezirken, die dazu gehörten, ausdrücklich aufgeführt 2) und ist nicht wieder davon getrennt worden. Zwar wurde im Jahre 1636, als aus dem Nachlasse Friedrich Ulrichs Calenberg an die Cellesche Linie fiel und deren Herzöge, die Brüder August, Friedrich und Georg, unter sich darüber die Bestimmung trafen, daß der letztere die Regierung des Fürstenthums übernehmen solle, auch festgesetzt, daß Polle nebst Langenhagen, Nienover und Leuthorst an Friedrich zu Nutznießung auf Lebenszeit überlassen würden, indeß dieser Vertrag kam wegen des in demselben Jahre erfolgten Todes des Bruders nicht zur Ausführung. 3)

 

  1) Bekannt ist Erichs Erklärung. als ihm die Wahl der gemachten Erbportionen anheim gegeben wurde, vid. Rethmeyer a. a. O. S. 772:  „Dat Land twischen Diester und Leine, Dat is et rechte dat eck meine.“
 2) S- Spittler, Geschichte des Fürstenthums Calenberg, Th. 1. S. 155.
 3) Daselbst Th. 2.  Beilage Nr. VI. §. 7. und Nr. VII. §. 1.

 

Das Schloß Polle theilte gleich nach seiner Übertragung an Braunschweig das Schicksal andrer fürstlichen Schlösser: es ward von den Herzögen an Adelige verpfändet. Nicht das Geldbedürfniß allein trieb die Braunschweigschen Fürsten zu dieser Maßregel. Dies freilich zunächst, insofern eine zweckmäßigere Nutzung noch nicht eingeführt war und dann auch weil die Herzöge recht oft in dem Falle sich befanden das augenblickliche Einbekommen ansehnlicher Summen wünschen zu müssen. In jener Zeit aber, wo es hier noch kein stehendes Heer gab, vielmehr die Lehnsritter mit ihrem Gefolge den Kriegsdienst leisteten, mußte es den Herzögen wünschenswerth erscheinen, beim Aufgebot sich an die Verwalter größerer Bezirke halten zu können, welche die Ritter des unterhabenden Territoriums sistierten. so war denn das Schloß Polle nebst Zubehör von den Herzögen zuerst an Reynecke von der Lippe in Pfandschaft gegeben. Nach einer Urkunde vom Jahre 1420 verpfändeten die Vormünder der hinterlassenen Kinder des Herrn von der Lippe „den Poll“ halb mit seiner Zubehörung für 1000 Gulden an Syverd von Oyenhusen. 4) Nicht gar lange nachher hatten es Bernd und Wentzlaw Gebrüder Kannen von Lügde inne.

 

 4) Wahrscheinlich schreibt sich aus jener Zeit die Verleihung der Meierhöfe zu Polle, die später von der Familie von Oyenhusen zu Grevenburg relevirten.

 

Diese verafterpfändeten 1448 an den Grafen zu Pyrmont die Hälfte des „Polles,“ des Schlosses und Weichbilde und des ganzen dazu gehörigen Gerichts und anderer Zubehörungen für 1550 Gulden. Von dieser Pfandsumme waren 1100 Gulden bar erlegt, die übrigen 450 durch Einräumung der Hälfte von Ottenstein bezahlt worden. In der Pfandverschreibung war bestimmt, daß die Pfandschaft neun Jahr dauern solle, doch müsse die verpfändete Hälfte früher zurückgegeben werden, falls Herzog Wilhelm oder dessen Erben „den Poll“ früher wieder einlösen würden. Auch sollten die Grafen von Pyrmont von Polle aus gegen Niemand zu handeln befugt sein, bis sie deßfalls von den Kannen und dies von dem Herzoge Genehmigung erhalten hätten. 

 

Die Familie Kanne von Lügde behielt Polle eine geraume Zeit; erst im Jahre 1504 ward es ihr genommen. 1) von da an heißt es Haus und Amt Polle; nach einiger Zeit kommen wieder Pfandinhaber vor, dann ward es beständig von einem herzoglichen Amtmann verwaltet, der über die Einkünfte des Amts Rechnung ablegen mußte. Der erste Beamte nach 1504 war Todrang Spiegelt, von dem in einem noch vorhandenen Grenzvertrage vom Jahre 1532 gesagt wird, daß er vorzeiten schon die Grenze reguliert habe. Die Reihenfolge der nach diese Stelle

innegehabten Männer, von denen wir jedoch nicht genau angeben können, wie lange jeder die Verwaltung geführt, ist nachstehende:

 

 1) Hier ist ein Punct, den ich nicht zu erklären weiß. Rethmeyer sagt in seiner Chronik S. 849 (seine Quelle ist J. F. Gauhen Adels-Lexicon S. 742): „1504 gewann Herzog Heinrich d- ä. das Haus Polle an der Weser, so etwa zu der Grafschaft Everstein gehörig, dazumal aber die Junker, Kannen genannt, inne hatten.“ Wie kann Heinrich dazu, da er nicht Herr des Fürstenthums Calenberg war? Eine feindselige Handlung gegen seinen Bruder Erich war es nicht, da von einer Uneinigkeit zwischen beiden aus dieser Zeit nicht verlauten. Geschah es denn vielleicht im Auftrage von Erich, der damals für den Kaiser Maximilian in Baiern kämpfte? Hatten die Kannen vielleicht sich die Einlösung von Seiten des Landesherrn nicht gefallen lassen wollen, wie kurz darauf die Hildesheimschen Pfandbesitzer der Loskündigung des Bischofs Johann einen hartnäckigen Widerstand entgegensetzten? – Andere Geschichtsschreiber berichten über diesen Punct nichts und archivalische Nachrichten darüber sind zu Polle nicht vorhanden.

 

Amtmann Gerdt Hermanß kommt vor dem Jahre 1532 vor.

Drost Franz de Wrede kommt im Jahre 1558 vor

Drost Jasper de Wrede kommt im Jahre 1577 vor

(Von diesen beiden (Wrede) sagt ein späters Amtslagerbuch ausdrücklich, sie seien Pfandinhaber des Schlosses Polle gewesen.)

Amtmann Johann Drebber kommt im Jahre 1607 vor.

Amtmann Conrad Ludwig kommt im dreißigjährigen Kriege vor.

Amtmann Justus Ludwig, dessen Sohn, kommt im Jahre 1666 vor.

Amtmann Joachim Niemeyer kommt im Jahre 1686 vor.

Amtmann Georg Kotzebue kommt im Jahre 1710 vor.

Amtmann Jonas Höper kommt im Jahre 1713 vor.

Drost Wilhelm Johann von Rheden kommt im Jahre 1723 vor.

Oberamtmann Rumann 1) kommt von 1740 bis 1754 vor.

Amtmann Justizrath Carl Gustav Friedrich Myneke 2) kommt von  1757 bis 1778 vor.

Drost von Alten kommt von 1794 bis 1809 vor, und dann, nachdem während der westfälischen Herrschaft von 1809 bis 1813 Drost

Müller hier gewesen, wieder von 1813 bis 1819.

Amtmann Dammert von 1823 bis 1834,

Amtmann Dietrichs seit 1835.

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 1) Er war der Vater des vor mehreren Jahren verstorbenen Chefs des königlichen Justizdepartements, Geh. Raths Rumann.
 2) Amtmann Myneke hatte sich des besondern Vertrauens des Geheimraths-Präsidenten von Hake zu
erfreuen und ward von wichtigen Aufträgen, u. a. mit einer außerordentlichen Sendung an das Capitel des Stifts Corvey in einer für die Regierung sehr bedeutungsvollen Angelegenheit beehrt.

 

Im Jahre 1620 verschrieb Herzog Friedrich Ulrich „Unser Haus und Ampt Polla“ zur Schad-loshaltung den Städten Hameln und Bodenwerder, weil diese für ein durch den Herzog aufgenommenes Darlehn von 5000 Thaler verbürgt hatten.

 

Wie für alle Gegenden unsers Vaterlandes, so ist auch für das Amt Polle die Zeit des dreißigjährigen Krieges einer der bedeutsamsten Momente seiner Geschichte. 3) Obgleich manche Theile des Amts wegen seiner gebirgigen und waldigen Lage den Truppen nicht leicht zugänglich waren, so hat es doch durchgehends nicht minder gelitten, als andere Landestheile. Das Schloß ward von Tilly, als er auf seinem Zuge gegen den Bischof Christian von Halberstadt, „den Gottesfreund und Pfaffenfeind,“ zum ersten Male die Wesergegend heimsuchte, nach heftiger Beschießung erobert. 4) Ein Theil der Amtsgebäude und des Fleckens Polle ward dabei eingeäschert. Nach der Vertreibung Christians verließ Tilly Niedersachsen zwar, doch nur auf kurze Zeit; der Kampf gegen den König von Dänemark führte ihn 1626 aufs neue in diese Gegend. Jetzt gab er Polle wie die andern eroberten Plätze nicht wieder aus den Händen; er wußte zu gut, wie sehr ihn die katholische Partei verpflichtet war, als daß er nicht im Ernst hoffte, der Kaiser werde ihn mit dem Fürstenthum Calenberg bedenken. 5)

 

 1) Er war der Vater des vor mehreren Jahren verstorbenen Chefs des königlichen Justizdepartements, Geh. Raths Rumann.
 2) Amtmann Myneke hatte sich des besondern Vertrauens des Geheinraths-Präsidenten von Hake zu erfreuen und ward von demselben mit wichtigen Aufträgen, u. a. mit einer außerordentlichen Sendung
an das Capitel des Stifts Corvey in einer für die Regierung sehr bedeutungsvollen Angelegenheit beehrt.
 3) Sehr wahr heißt es im Vaterl. Archiv 1827, 2: „Eine der wichtigsten Perioden in der vaterländischen
Geschichte ist die unglückliche Zeit des dreißigjährigen Krieges. Kein anderer Krieg ist mit größerer Erbitterung, mit grausamerer Wuth und mit nachtheiligen Folgen auf dem vaterländischen Boden geführt worden. Eine solche Zeit und die Begebenheiten in derselben genau kennen zu lernen, ist sehr unterhaltend und belehrend.
 4) Die Sage erzählt, ein paar Damen des Schlosses haben, als es nicht mehr zu halten gewesen, aus
Furcht vor der zügellosen Soldateska sich freiwillig den Tod durch Herabstürzen aus einem Fenster des Schlosses gegeben. – Der Schrecken ging vor dem Tillyschen Heere her. Besonders waren die in demselben dienenden Croaten durch ihre schonungslose Grausamkeit über berüchtigt. In der Volkssprache, ja selbst von Schriftstellern damaliger Zeit wurden diese wilden Fremdlinge Crabaten genannt, und gewiß kömmt es daher, daß man noch jetzt kühne und zügellose, ohne Schonung handelnde Knaben Crabaten heißt. Vgl. Baring, Beschreibung der Lauensteinschen Saale S. 82 u. 83 und hannoversches Magaz. 1838. Nr. 27, wo ein im Stadtarchive zu Göttingen aufbewahrtes Tagebuch aus dem dreißig jährigen Kriege mitgetheilt wird, das unter den kaiserlichen Heerführern auch den Grafen v. Serin mit 2000 Crabaten aufführt.
 5) Die Lobredner Tillys behaupten dagegen, es sei ihm die Belehnung mit dem Fürstenthume Calenberg
angeboten, er habe sie indeß uneigennützig ausgeschlagen. In der neuesten Zeit findet Tilly an Gfrörer einen warmen Vertheidiger. Indeß werden diese Beschönigungen durch eine neuere Autorität widerlegt. Wir meinen das Werk des Herrn Grafen von der Decken: Herzog Georg von Braunschweig und Lüneburg, nach Originalquellen des königlichen Archivs zu Hannover das und berichtet, es sei Tilly zum Herzog von Calenberg und Pappenheim zum Herzog von Wolfenbüttel bestimmt, aber Baiern habe die Erhebung Tillys und Pappenheims nicht geduldet.

 

In den wichtigsten Ämtern des Fürstenthums nahm er die Huldigung ein, 1) und sein Unterbefehlshaber in Hameln nannte 1631 in den ausgestellten Empfangsscheinen den Amtmann Ludewig zu Polle nur  „den Hochgräflich Tillyschen Amtmann.“  Nach Tilly führte

 

 1) In den Ämtern Calenberg und Blumenau war namentlich diese Huldigung am 15. und 17. August 1629 erfolgt; vid. Chronika der Stadt Hannover. Manuscript.

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Piccolomini das Commando über die kaiserlichen Truppen in dieser Gegend. Die archiva-ischen Nachrichten des Amts lassen schließen, daß die Schweden selbst nach den großen Siegen bei Leipzig und Lützen, in deren Folge die Gegner aus vielen Stellungen in der Nähe vertrieben wurden, Polle nicht in ihre Gewalt bekommen haben, ungeachtet sie im Jahre 1634 zu Bevern und in dem so nahe gelegenen Amte Forst längere Zeit campierten. Im Jahre 1636 lagen zu Polle die kaiserlichen Regimenter Vitzthumb und Dalwigk. Das Schloß mußte ihnen

 

allerdings ein wichtiger Punct sein, es waren zwei Pässe,  die sie mit demselben beherrschten. Von hieraus konnten sie auch den wehrlosen Landmann plündern; das Schloß Polle war das Nest des Geiers, wo er sicher und gemächlich den Raub verzehrte. Die Commandirenden aber erklärten diese Besitzhaltung für eine freundschaftliche Garnison, etwa wie Wolfenbüttel eine solche von 1626 bis 1642 gehabt hatte. 2) Auch im Jahre 1641 noch hatten die kaiserlichen Truppen ihre Winterquartiere im Amte, denn in diesem Jahre ward von Polle aus eine Überrumpelung des von den Schweden besetzten Schlosses Pyrmont unternommen. Der Überfall misslang indeß völlig, die Vordersten der Angreifenden, die den Wall bereits erstiegen, waren hinabgestürzt, davon waren auch die Nachfolgenden zurückgewichen und hatten sich nur mit genauer Noth aus dem durchbrochnen Eise des Schloßgrabens gerettet.  Im Amtsarchive ist das Protocoll über ein deßhalb gegen den Capitain-Lieutenant Pauli angestelltes Kriegsverhör vorhanden, da er beschuldigt war, bei der Affaire seine Pflicht nicht gethan zu haben. 3) Die Schweden rückten in diesem Jahre – 1641 – zur Belagerung des Schlosses Polle vor. Sie verschanzten sich auf dem Heimberge, wo noch ein Platz die Schwedenschanze heißt, und von hier aus ward das Schloß von ihnen so heftig bombardiert, 4)

daß die gänzliche Zerstörung die Folge davon war. Nur ein Theil des Mauerwerks blieb stehen. sämmtliche Amtsgebäude, einen kleinen Stall ausgenommen, lagen in Schutt. Wer beschreibt die Verluste, die der Amtshaushalt und die Amtseingesessenen durch die zweimalige Verwüstung des Schlosses und durch das langjährige Hausen der wilden Söldner erlitten! Bei der Einnahme im Jahre 1623 waren von dem Tillyschen Heere dem Amtshaushalte 119 Stück Rindvieh geraubt, 51 Schweine waren von den Kugeln getroffen oder verbrannt, 23 Schweine und 29 Schafe waren, wie eine von dem Amtmann hinterlassene

 

 2) Der Schaden, welchen diese scheinbar freundschaftliche Garnison von Wolfenbüttel dem Lande zugefügt hatte, wurde bei den westfälischen Friedensunterhandlungen von dem schwedischen Hofcanzler zu vierzig Millionen geschätzt. S. Spittler a. a. O. Th. 2, S. 111: “Auch abgerechnet, daß der schwedische Hofcanzler im Eifer der Unterredung nach einer starken runden Zahl gegriffen haben mag, so bleibt doch immer das volle Bild eines unersetzlichen Verlustes zurück.“
 3) Weitere Aufschlüsse über die Kriegsvorfälle in dieser Gegend oder andere Nachrichten enthält das be
treffende Document jedoch nicht.
 4) Vor einigen Jahren ist in den Schlossruinen von dem damaligen Amtsassessor Wolbrecht in Polle noch ein Stück von einer Granate gefunden worden.

 

Nachricht sehr bezeichnend sagt, „von dem spanischen Rittmeister und dessen Offizieren gefressen und 50 Faß Bier ausgesoffen.“ 300 Malter Getreide im Stroh und 56 Fuder Heu waren in Feuer aufgegangen. Der Schaden ward zu 13.767 Thaler specificirt. Auch sämmtliche Urkunden und Register waren verbrannt. Erst im Jahre 1634 konnte man daran denken, eine Amtsstube wieder einzurichten. Die fürchterlichste Armuth herrschte im ganzen Amte. Viele Wohnungen waren von den Flammen verzehrt; vom Flecken Polle standen noch 58, vom Dorfe Brevörde noch 27, von Pegestorf 36 Häuser, größtentheils unbewohnbar. 1) Im

 

 1) In der Darstellung, welche Spittler Th. 1., S. 432 und Th. 2. S. 37 und 40 von dem damaligen Zustande der Städte, Münden, Göttingen und Northeim gibt, erblickt man ziemlich das Bild fast aller größern und kleinern Ortschaften unsers Landes, die Stadt Hannover etwa ausgenommen. In Northeim standen über 300 Häuser leer, die Stadt hatte kaum noch 150 Bürger und von diesen waren höchstens 40 im Stande, Abgaben zu zahlen.

 

Jahre 1638 waren die Krüge auf den Dörfern noch nicht wieder hergestellt. Die allgemeine Unsicherheit hielt die Einwohner ab, zur Herstellung ihrer Wohnungen etwas zu unternehmen. Als im Jahre 1638 das Vorwerk des Amts gebauet wurde, mußte der Amtmann allemal durch militairische Bedeckung, die sich dafür eine Vergütung zahlen ließ, die Wagen begleiten lassen, welche die Baumaterialien anfuhren. Woher sollte man auch die Mittel nehmen, die zerstörten Häuser wieder aufzubauen? Durch die Beständigen Einquartierungen, durch die wahrhaft unerschwinglichen Contributionen, 2) durch Plünderungen 3) und Erpressungen aller Art waren die Einwohner gänzlich ausgesogen. Die Felder blieben aus Mangel an Zugvieh größtentheils unbestellt; es waren im Jahre 1643 vorhanden: in Polle 19,

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 2) Die monatliche Last der kaiserlichen Einquartierungen und Contributionen für das Calenbergische Betrug über 30.000 Thlr., ohne was noch wöchentlich für die Friedländischen Soldaten besonders bezahlt werden mußte. Spittler Th. 1. S. 431.
 3) Der Schaden, welchen das Dorf Pegestorf an Acker- und Hausgeräthe, Korn, Vieh ec. allein von den
schwedischen Truppen erlitten, ward zu 2304 Thlr. 15 gr., specificirt.

 

in Heinsen 30, in Brevörde 8, in Pegestorf 28 Pferde, in Vahlbruch und Meiborßen gar keine. Aus einigen Notizen der Amtsregister vom Jahre 1644 ist auf die Noth zu schließen. Von einem Vollmeier in Brevörde heißt es: „hat in 6 Jahren kein lebendig biest gehabt, jetzt 1 Pferd, soganz räudisch; abgebrannt, der Hof wüste, nur daß er einen kleinen Spieker hat, darin er zur Noth wohnt.“ Von einem andern Vollmeier: „geht im Lande, bettelt, in 10 Jahren kein haus noch etwas an Vieh dabei gewesen.“ Von einem dritten Vollmeier: „hat 6 bis 7 Jahre wüste gelegen, zieht fürm Schiff, daß er so viel erwirbt, daß er sich des Hungers wehrt.“ – Von den Bauern in Vahlbruch: „haben in etzlichen Jahren gar kein Vieh gehabt, dies Jahr hat ihnen der liebe Gott etwas Mast beschehrt gehabt, dadurch mehrentheils jeder wieder an eine Kuh kommen, auch dies Jahr beginnen ein wenig feddervieh wieder zuzulegen.“ Von dem Dorfe Meiborßen: „da ist es so ein Elend, daß fast nicht zu sagen.“ – Fürchterlich war auch besonders die geistige Verwilderung, welche der unheilvolle Krieg herbeiführte. Die unmenschlichen Bedrückungen und Grausamkeiten, unter welchen die Unterthanen so lange seufzten und die das Volk täglich vor Augen hatte, tilgte jede edle Regung aus der Brust, Feigheit und Treulosigkeit traten an die Stelle der frühern Biederkeit. Die Tugenden der Väter verschwanden, ihre Laster blieben und wurden durch vieljährige Vermengung mit den rohesten und verdorbensten Fremdlingen siebenfältig vermehrt. Das kirchliche Leben war gänzlich erstorben, die meisten evangelischen Prediger waren seit vielen Jahren von ihren Stellen entfernt, 1) in fast sämmtlichen Parochien waren während des Krieges nicht einmal die Kirchenbücher mehr geführt worden. An Unterweisung der Jugend war nicht zu denken gewesen, das Kriegsgetümmel machte allen Unterricht unmöglich, wenn auch vielleicht in einem Orte noch ein Lehrer zu finden war. 2) „Es war nur ein kläglicher armer Menschenstamm, der und übrig geblieben war, eine im tobendsten Kriege aufgewilderte Generation,“ sagt Spittler sehr treffend, und wie ungeheuer waren die Hindernisse, die sich seiner Veredlung auch nach dem Frieden entgegenstellten, denn jede Quelle, durch welche vormals Aufklärung und Wohlhabenheit dem Volke zugeflossen, war versiegt; jedes Hülfsmittel, wodurch die Voreltern gebildet worden, war dem jungen Stamme entrissen.

 

 1) Die Geschichte von dem nahe gelegenen Bodenwerder und Lauenstein zeigt uns, daß da, wo das katholische Heer die Oberhand hatte, aller protestantische Gottesdienst völlig unterdrückt wurde. Das benachbarte Stift Corvey war darin besonders thätig.
 2) Selbst die meisten Schulen der Städte fehlten die Lehrer. Viele hatten das Schulscepter mit dem Degen
vertauscht, andere waren im Kriegsgewühl umgekommen und ihre Stellen waren nicht wieder besetzt worden, andere hatten ihr Amt verlassen müssen, weil ihnen kein Gehalt bezahlt werden konnte. So war die Stadt Göttingen ihrem ersten Lehrer am Pädagogium, der jährlich nur 111 ? Besoldung hatte, in den sieben Jahren von 1634 bis 1641 nach und nach 500 Thlr. schuldig geblieben. Götting. Chron. Th. 3. S. 65.

 

Der ganze Zeitraum vom westfälischen Frieden bis zum siebenjährigen Kriege, der ohnehin merkwürdige politische Schicksale für gänzlich zu verwischen, welche ein so beispielloser Gräuel der Verwüstung überall hinterlassen hatte. Manches geschah schon unter der Regierung des Herzogs Georg Wilhelm. Um die Einwohner des Amts zum Bebauen der wüsten Höfe ermuntern, bewilligte die Cammer freies Bauholz und eine zweijährige Freiheit

von Abgaben. Doch lagen nach vielen Jahren noch mehrere Höfe unbebaut 3) und selbst zur Zeit der Regierung Ernst August, unsers ersten Kurfürsten, unter dem zuerst eine planmäßige Beförderung der Cultur anfing, war noch viel Bedrängniß und Elend im Lande. 4) Erst den folgenden Regenten, unseren trefflichen Georgen, gelang es, die Nachwehen der schweren Zeit zu lindern und endlich völlig  vergessen zu  machen. Die weiter  unten folgende  Darstel-

 

 3) Man sieht an der Stadt Göttingen, wie sehr langsam aus Mangel an Hülfsmittel ein besserer Zustand eintrat. Im Jahre 1664 lagen dort noch 290 Häuser völlig in Trümmern und auch unter den übrigen waren an 100 so schlecht, daß davon keine Steuern abgeführt werden konnten. S. Splitter a. a. O. Th. 2. S. 169. Schlagender noch zeigt dies eine Darstellung aus dem Amte Dannenberg, vid. hann. Magaz. 1835, Nr. 104: „Im Jahre 1690 zählte man (in diesem Amte) noch 96 wüste Höfe. Um diese zu beseten, war erst wieder eine gleiche Volksmenge nothwendig und diese mußte erst heranwachsen. Unter der segensreichen väterlichen Regierung der drei George kam das Land in einen blühenden Zustand.“  Auch sind in den Forsten des Amts Polle noch viele Spuren ehemaligen Anbauens an diesen Stellen sichtbar.
 4) „Es kam noch unter Ernst August vor, daß der Bauer vom Pfluge hinweglief und seinen kaum wieder
bebauten Hof veröden ließ.“ Spittler Th. 2, S. 335.

 

lung der Industrie wird und zeigen, der Industrie wird uns zeigen, wie viel zur Hebung des Wohlstandes geschah und bei Betrachtung der geschichtlichen Verhältnisse der einzelnen Ortschaften werden wir sehen, daß eine Menge neuer Anbauer im 18. Jahrhunderte die Zahl der Feuerstellen vermehrte. Was aber für das Land überhaupt gethan ward, wie man sich von oben herab bemühte, ein „Christengeschlecht“ wieder zu bekommen, ist aus der allgemeinen Landesgeschichte bekannt. 1)

 

 1) Besonders enthält darüber das mehrgedachte Werk von Spittler schätzbare Nachrichten.

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Auch der siebenjährige Krieg, wenn gleich das Amt Polle ein Schauplatz seiner Scharmützel und Schlachten nicht war, führte sehr  große Bedrückungen und Nachtheile für die Einwohner herbei. Das schlimmste Jahr war das Jahr 1757, als die Franzosen nach der Schlacht bei Hastenbeck in der Umgegend von Hameln bis Polle campirten und die Winterquartiere bezogen. Eine im Archive vorhandene Ordre des Duc de Broglio vom 30. Juli befiehlt, daß alle im Amte befindlichen Wagen und alles Vorspann bei Strafe militärischer Eruction sich noch denselben Abend bei der zu Kl.-Berkel stehenden französischen Armee einfinden solle, indeß hatte der General de Luce bereits Alles weggenommen und der Amtmann Myneke konnte nicht mehr als 4 Wagen auftreiben. Die Franzosen behielten dann sehr oft Wagen und Pferde für sich und schickten die Bauern ohne Gespann zu Haus. Starke Einquartierung erlitt besonders der Flecken Polle; hier wurden einmal 1500 Mann und 700 Pferde vierzehn Tage lang eingelagert. Vahlbruch und Meiborßen wurden von streifenden Truppencorps völlig ausfouragirt und zum Theil geplündert; die Bauern flüchteten ihr Vieh häufig in das nahe Dickicht, und man erzählt sich hier noch, daß sogar die Kühe den Ruf „die Franzosen kommen“ am Ende gekannt hätten und auf dieses Angstgeschrei selbst dem Walde zugeeilt seien. Zahlreiche Naturallieferungen raubten auch den übrigen Ortschaften das Wenige, was ein furchtbares Hagelgewitter im Sommer jenes Jahres – die Feldfrüchte waren dadurch theils gänzlich, theils bis auf  ⅛ oder ⅓ des gewöhnlichen Ertrags vernichtet worden – ihnen übrig gelassen hatte. Bedeutende Brandschatzungen und Gelderpressungen der französischen Generale, besonders für Sauvegarden nahmen große Summen hin und beim Abmarsch französischen Truppen im April 1758 wurde der ganze Schaden der Amtseingesessenen zu 24. 228 Thlr. 30 gr., der des Amtshaushalts zu 2.846 Thlr 26 gr. berechnet. Nach Abzug der Feinde hoffte man eine bessere Zeit – anders wards zwar, als die Freunde ihren Platz einnahmen, doch besser leider nicht. An Zügellosigkeit stand das preußische Bauersche Husarencorps, das jetzt hereinzog, den Franzosen wenig nach; es beging hier so viele Excesse, das die Unterthanen, die aus Furcht vor der Rache der Truppen lange still geduldet, endlich durch den Amtmann Myneke die dringendsten Beschwerden an die Regierung brachten, wodurch die Generalität, zumal der Herzog Ferdinand von Braunschweig, die Bedrängnisse zu erleichtern. Ein ausführlicher Amtsbericht vom Jahre 1762, der den Zustand des Amts und das Benehmen der französischen und preußischen Truppen schildert, sagt, es sei schwer zu ermitteln, ob die Feinde oder die Freunde den Unterthanen am schädlichsten gewesen; man könne mit Wahr-heit sagen, daß die Leute weniger als nichts hätten. – Mochte indeß der Schaden groß sein, den dieser Krieg brachte, in Vergleich zu den unglückseligen Folgen des dreißigjährigen Krieges war er unbedeutend, die Bedrängnisse waren weder so allgemein und schwer als dauernd, und es war nicht jene Erschöpfung der Staatskräfte, nicht jene Zerrüttung des Gemeinwesens eingetreten, deren Wiederherstellung ein Jahrhundert verlangt; man brauchte doch nicht erst die Mittel wieder zu erwerben, um zu dem Verlornen zu gelangen.

 

Wir verzichten darauf, über die Zeit der französischen Occupation Näheres mitzutheilen. Das Verfahren der fremdem Gewalthaber war überall so ziemlich dasselbe, und das, was unter Scepter erlebt worden, ist jeden Orts den Zeitgenossen noch in frischem Andenken. Der Krieg selbst berührte übrigens das Amt nicht unmittelbar.

 

Gerichtsbarkeit. – Wie man sich denken kann, übte auch das Amt Polle die peinliche Justiz. Der Gebrauch der alten Deutschen, einen Todtschlag durch Wergeld zu sühnen, muß hier recht lange erhalten haben, denn man findet noch eine Spur davon gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, was sehr bemerkenswerth ist. Im Amtsregister vom Jahre 1631 sind nämlich unter den Strafgeldern 100 ? vereinnahmt von einem gewissen Bartramb, der Jemanden in Polle erschossen hatte; der Amtmann hatte diesen Vertrag „bis zu Fürstlicher näherer Verordnung“ angenommen, indem er über den Todtschläger noch ausdrücklich bemerkt: „und hatt sich mit des entleibtes freundtschafft abgefunden.“ 1) Ob die Sache damit abgethan war, ist zwar nicht gesagt. Ließen  sich aber die Verwandten mit Gelde abfinden,  so mußte  diese

 

 1) Die außer dem Wergelde an die Verwandte nach dem ältesten Rechte dem Könige oder Volke, also dem Fiscus, für den gebrochenen Frieden zu zahlende Buße hieß fredus. S. Jac. Grimm a. a. O. S. 656. In andern Gegenden unseres Landes ist eine Buße zwar fast zu derselben Zeit, u. a. 1617 in der Burgvogtei Celle, vid. hann. Magaz. 1796, Nr. 22, für einen Todtschlag bezahlt, doch von einer Sühne mit der Familie des Getödteten ist dort keine Rede. Im Osnabrückschen Amte Fürstenau hört das Wergeld nach dem Jahre 1597 auf. S. Möser, patriotische Phantasten Th. 2. S. 314.

 

Art der Sühne dem Volke nicht bekannt sein, und der fürstliche Amtmann, wenn er, freilich salve ratificatione, ein Brüchte erhob, mußte wohl wissen, daß diese Buße etwas Unge-wöhnliches noch nicht war. – Der Richtplatz der zum Tode verurtheilten Missethäter war auf dem Birkenberge an der nordwestlichen Seite des Fleckens Polle. Die letzten Hinrichtungen kommen im Jahre 1741 und 1742 vor. Diejenige im Jahre 1741 ward an drei Dieben voll-zogen, die einen Einbruch in Polle und einen andern in Heinsen begangen hatten. Diese Verbrecher gehörten einer zahlreichen Bande an, wovon Spuren im Amte bemerkt waren. Daher hatte man auch die Inquisiten nicht in Polle, sondern in Hannover gefangen gehalten, bis die Execution vollzogen werden sollte. Alle Männer und Jünglinge im ganzen Amts-bezirke wurden aufgeboten, zur Schließung des Kreises bei der Hinrichtung mit Heugabeln oder sonst langen Stöcken bewaffnet zu erscheinen. 2) Zwei der Missethäter wurden an einem

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 2) Die Bewaffnung der so zahlreich aufgebotenen Einwohner geschah in diesem Falle der Sicherheit wegen. Nach altem deutschen Rechte mußte übrigens die Gemeinde bei den peinlichen Hinrichtungen Hülfe leisten und die Kosten dafür tragen. Jac. Grimm hat S. 884 seiner deutschen Rechtsalterthümer an einem Beispiele gezeigt, wie die Dörfer eines Gerichtsbezirks nach altem Herkommen concurriren mußten. Der Hofgerichtsamtmann mußte den Schnappgalgen aus dem Burgwald machen lassen, die Einwohner des einen Dorfs mußten ihn aufrichten, die des andern die eichene Wied an dem Galgen befestigen, noch andere den Scharfrichter lohnen, wieder andere KAMM; Scheere und Besen bringen, ndere das Gestühl am Hochgericht machen, andere Sessel und Kissen für eine obrigkeitliche Person stellen, endlich andere „den ,ißthätigen Menschen, so einer vom Hochgericht abfällt, von Stund an begraben, und wer der letzte dazu kommt, soll ihn in die Kaule werfen.“

 

neuerbauten dreieckigen Galgen strangulirt und ihre Leichname dann in Ketten daran befestigt, der dritte wurde mit der Enthauptung begnadigt. Der im Jahre 1742 zur Richtstätte geführte Delinquent war wegen Sodomiterei verurtheilt; es wurde nach seiner Hinrichtung mit dem Schwerte sein Leichnam auf dem Blutgerüste verbrannt und mit der Tödtung des Thiers, an dem er die Schandthat begangen hatte, der Act beschlossen. Seitdem sind keine Todesstrafen auf dem Birkenberge mehr vollzogen. Die Criminalgerichtsbarkeit des Amts wurde dem Criminalamte Hameln beigelegt, nachdem die Regierung im Jahre 1821 ein eigens Gerichtsgebäude in der Stadt Hameln hatte errichten lassen.

 

Die hier das Polizeigericht bildenden Landgerichte zeigen im Amte Polle noch spät ihre ursprüngliche volksthümliche Einrichtung. 1) Aus einer archivalischen Nachricht vom An-fange des achtzehnten Jahrhunderts ersehen wir, wie diese Gerichte damals gehalten wurden. Zwölf Personen 2) bildeten den Schöppenstuhl: der Richter (der Vorsitzende des Stuhls), der Urthelträger 3) und neun Schöppen. Der Richter war Mr. Johann Heinrich Harmens; das Amt des Fiskals bekleidete der damalige Cantor in Polle; die Schöppen waren Bauern aus allen Ortschaften des Amts. Der Schöppenstuhl zog alle, die eines Polizeivergehns angeklagt waren, ohne Unterschied des Standes vor sein Forum. So wurde einst der Amtmann vor dem Landgerichte angeklagt, weil er einen Burschen aus Polle wegen ungebührlichen Betragens bei Ableistung des Frohndienstes mit Gefängniß gestraft hatte. Das Gericht erkannte: der Bursche habe die Strafe zwar verdient gehabt, indeß sei der Amtmann nicht befugt gewesen, den Schuldigen zu bestrafen, sondern er habe den Fall vor das Landgericht bringen müssen. – Jährlich bereiste ein hoher Angestellter als kurfürstlicher Cimmissair die Ämter wegen Abhaltung der Landgerichte. Die Eröffnung geschah unter vorgeschriebenen Feierlichkeiten, und jedes Mal wurden dann die Gesetze, wonach die Schöppen zu erkennen hatten, öffentlich verlesen. Ob dieselben „Landgerichtsartikel“ und dieselben Förmlichkeiten, wie sie in Polle galten, auch für andere landesherrliche Ämter bestimmt waren, wissen wir nicht genau; jedenfalls dürfte es manchem Leser nicht unlieb sein, wenn wir hier darüber das Wichtigste aus der erwähnten Acte mittheilen.

 

 1) Nur daß in der hier in Frage stehenden Zeit das hiesige Landgericht nicht mehr über peinliche Vergehen zu richten hatte.
 2) Es war eine Verordnung der carolingischen Kaiser, daß zu einem vollen feierlichen „placitum“ zwölf
Schöppen erscheinen sollten. Capitul a. 819 bei Georgisch corp. jur. germ. ant. 845. “vult domnus imperator, ut in tale placitum, quale ille nunc jusserit, veniat unusquisque comes et adducat secum duodecim scabinos, si tanti fuerint, sin autem, de melioribus homnibus illius comitatus suppleat numerum  duodenarium.“ Aus den zwölfen wurden später auch elf, indem man den vorsitzenden Richter für den wölften rechnete. Siehe Jacob Grimm a. a. Orte Seite 777.
 3) Der Urthelträger war derjenige Schöppe, welcher nach dem Abseitegehen der Beisitzer das gefundene Urtheil dem vorsitzenden Richter überbrachte, der Sprecher der Schöppen. Jacob Grimm in seinen deutschen Rechtsalterthümern hat die Sache allerdings, doch nicht den Namen, der in jeder Gerichtshandlung vorkam. S. a. a. O. Seite 786 und 787. 

 

„Eröffnung des Landgerichts.“

 

Judex.

Ich frage ein Urthel des Rechten, weil ich habe die Gnade von Gott, Macht und Gewalt von dem durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Georg Ludewig, Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg, des heiligen römischen Reichs Ertz-Schatzmeister und Churfürst, meinem gnädigsten Fürsten und Herrn, und dann von Ihro Churfürstlichen Durchlaucht verordneten Herrn Commissarien und Beambten des Churfürstlichen Hauses Polle, ob es Zeit sei, ein Landgerichte zu hegen, spannen 1) und halten?

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 1) „Das Gericht spannen“ deutet Möser in seiner Osnabr. Gesch. Th. 1, S. 17 so: „Das Markgericht geht an, wann der Holzgraf die Bank spannt, d. h. mit der Hand eine Spanne auf den gemeinen Tisch, wobei man sich setzt, gemessen und dabei Hand und Mund verboten hat, von diesem Augenblick an tritt der Gerichtsfrieden zu dem Markfrieden.“

 

Procurator

Herr Richter, habt ihr die Gnade von Gott, Macht und Gewalt von dem durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Georg Ludewig, Herzog zu B. und L., des heil. Röm. Reichs Erz-Schatzmeister und Churfürst, meinem g. F. und H., und und dann von J. Ch. D. verordnete Herrn Commiss. und Beambten des Churfürstl. Hauses Polle, so ist es Tag und Zeit, das ihr das Angesetzte Landgerichte hegen, spannen und halten möget.

 

Judex.

Wie soll ich denn das Landgerichte hegen und spannen, daß es am beständigsten gehalten wird, und was soll ich darin gebieten und verbieten?

 

Procurator.

Herr Richter, ihr sollt das angesetzte Landgerichte hegen und spannen, bei Ihro Churfürstl. Durchl. Hoheit und Gewalt, darin gebieten Recht und verbieten Unrecht, Kieff, Streit und garstige Scheltworte, auch alle Wehr und Waffen, daß auch keiner in das Landgerichte trete oder des andern Wort thue, es geschehe denn mit Erlaubniß des Gerichts.

 

Judex.

Uff diese Erkänntniß hege und spanne ich dieses angesetzte Landgerichte, bei Ihro Churfürstl. Durchl. meines g. F. u. H. Auctoritaet, Gewalt und Macht, gebiete darin Recht, und verbiete Unrecht, Haß, Kieff, Streit, Schmeh- und Scheltworte, auch alle Wehr und Waffen, daß auch keiner ohne Zulassung des Gerichts des andern Wort thue oder Nothdurfft fürbringe. - - - - -

 

Judex.

Frage weiter ein Urthel des Rechten, wann die Macht herein fiele, und die Sache erforderte, daß alles anheute nicht geschehen könnte, gerichtet und vollendet würde, wie ich mich denn verhalten soll?

 

Procurator.

Herr Richter, wann die Nacht einfallen würde und die Sache anheute nicht könne verrichtet werden, so sollt ihr das Gerichte im Namen der heil. Dreifaltigkeit aufheben, und folgenden Morgen, wie es heute gelassen, wieder anfangen.

 

Judex.

Weiter frage ich ein Urthel des Rechten, wann es die Nothdurfft erfordert, oder Herren geschäffte fürfielen, daß ich auffstehen müßte, habe ich dann auch Macht, einen andern an meine Stelle zu setzen, bis meine Sache verrichtet?

 

Procurator

Herr Richter, wann es die Nothdurfft erforderte, oder Herren geschäffte fürfilen, möget ihr woll aufstehen und euren negsten Nachbarn zu rechten hand euer richterliches Ambt befehlen, biß eure Sache verrichtet, wann solches geschehen, so solt ihr euer richterlich Ambt wieder annehmen und eure Stelle bekleiden, biß zum Ende des Gerichts.

 

Judex.

Erkent ihr das alles vor recht?

Procurator

Solches alles ist recht und landkündig.

 

Judex.

wer nun bei diesem gehegten Landgerichte zu klagen hat, der gebe sich beim Procurator an. Articul, so auf dem Landgerichte zu verlesen. (Einige dieser Artikel, die uns vorzüglich von allgemeinem Interesse zu sein scheinen, geben wir hier in extenso, von den übrigen deuten wir nur den Inhalt an.)

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  • Soll ein Jeder seinem Gesinde und Kindern des Sonntags und andere Tage, wann Gottes wordt gepredigt wirdt, fleissig zur Kirchen gehen und das göttliche wordt hören, sinderlich die Catechismus Lehre besuchen. Bei straff 5 gr.
  • Soll Niemand bey dem Nahmen Gottes fluchen oder gotteslästerlich schweren, bei straff, so offt dawider gehandelt wirdt, ein Thaler.
  • Feier des Sabbaths.
  • Schonung der Kirchhöfe bei 1 Thaler Strafe.
  • Arbeit am Sonntage.
  • Beleidigung der Amtsdiener.
  • Wer zu den Landt- und Halßgerichten oder bei anderen Gerichtstagen nicht zu rechter Zeit erscheint, soll 10 gr., wer gar außen bleibt, 1 Fl. Straff geben.
  • Ungebührliches Betragen vor Gericht.
  • und
  • Beherbergung der Fremden und Aufnahme der Häuslinge.
  • Es soll auch niemand seine Kinder, so er nicht zu eigner Haushaltung benötigt, auf eigne Hand sitzen lassen bei straff von 4 Thlr.
  • Wegen des Viehes der Häuslinge.
  • welche Dorffschaft ihre Wege und Stege nicht bei zeiten bessern wirdt, soll 5 Fl. Straff geben, und da in bösen Wegen Schade geschiht, denselben gelten.
  • Lehmgruben an den Wegen verpönt.
  • und
  • Schonung der Feld- und Gartenfrüchte.
  • Es soll auch niemand dem andern zu nahe zäunen oder etwas abpflügen, bey straff für jede furchen 1 Thlr.
  • und
  • und
  • Feuerpolizei
  • Herrendienst betreffend.
  • Knittel der Hunde betreffend
  • und
  • Wegen Verpfändung von Grundstücken.
  • Ruf der Einwohner zu den Waffen.
  • Wann einem Nachbaren Gewalt geschiehet in dem seinigen, soll der ander so palt zu hülfe kommen bey straff 1 Thlr.
  • Den Leirenkerln 1) soll niemand Hüner

1) Leirenkerls hießen die umherziehenden dudelnden Musikanten. Diese Landstreicher waren wegen ihrer Diebereien übel berüchtigt. Häufig waren es Zigeuner, die mit dem Dudelsacke umherzogen.

28. – 34. Weiden des Viehes betreffend.

35. Contracte sollen vor Gericht gemacht werden.

36. und

37. Haltung von Gemeindehirten geboten.

38. und 39. Hölzung betreffend.

40. Wegen Beherbergung der Diebe u. s. w.

41. Welcher unzüchtige lose weiber annimpt, be hauset und heget, und dieselben bey ihm in Unzucht betreten oder sonst geschwengert gefunden werden und

 etwa entlauffen, so soll der wirt für den Gast die brüche zahlen.

42. Störung der nächtlichen Ruhe.

43. Austeuerung der Kinder.

44. 47. Vorschriften wegen der Weide und Ernte.

48. Wer Mahlsteine seinem Nägsten zu schaden verrücket, soll 20 Fl. straff geben.  

 49. Noch eine Bestimmung wegen der Weide.

50. - 52. Wegen Injurien.

53. Wann ein Weib einem andern seinen Mann schilt oder ein Fraw oder Magt einander keufen, schlagen oder schelten und keine Wunden werden, soll die

fraw einen Sack mit Habern geben. 2)

54. Wegen Fischerei in den Bächen.

55. Falsches Maß und Gewicht betreffend.

56. Der Krüger soll einem Ackermann nicht über 1 Fl., dem Halbspenner 15 gr., dem Köther 10 gr. an Bier borgen, wirdt er ihm mehr thuen, soll ihm beim

Ambte nicht geholffen werden.

57. und 58. Heirathsconsense.   

59. Lieferung der Sperlingsköpfe.

60. – 65. Weide und Forstordnung.

66. Lieferung der Spulfedern.

67. und 68. Befriedigung der Gärten.

69. Über Zwangmahlrecht.

70. Widersetzlichkeit gegen den Vogt betreffend.

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 2) Im Jahre 1755 verfügte die Regierung, daß dieses Vergehen künftig nicht mehr mit Hafer, sondern  mit Gelde gebüßt werden solle. Der Amtmann hatte geklagt, daß die verwirkten Hafersäcke schlecht eingekommen seien.

 

Allem Anschein nach ist die Sammlung dieser Gesetzartikel als eben so vieler Gewohnheitsrechte und einzelner Befehle des Gerichtsherrn nach und nach entstanden. Namentlich ist auf der gedachten Acte der letzte §. von einer andern Hand später nachgetragen, und sieht man es an der Ordnung der Artikel, denn diese sind zufällig an einander gereiht und über einen und denselben Gegenstand sind Vorschriften an verschiedenen Stellen gegeben. Uebrigens ist die Fassung bündig, die Sprache klar und bestimmt; die durch die Strafsätze sich kund  gebenden Prinzipien sind verständig und gerecht. 1)

 

 1) Das Letztere lässt sich nicht immer von den Landgerichten anderer Orte sagen. Ein Beispiel zeigt uns

  das Landgerichtswrungen-Register der Celleschen Großvogtei und Burgvogtei de 1617 und 1619, wo-

  raus im hann. Magaz. 1796 Nr. 22 Auszüge mitgetheilt worden sind. Dort wurde die Beschuldigung

  der Zauberei und des Tanzens auf dem Blocksberge mit 4 Thlr. und eine ohne alle Ursache beigebrach-

  te tödtliche Schusswunde mit 5 Thlr. ggeahndet; das Wegbleiben vom Scheibenschießen wurde wie ein

  mörderischer Anfall mit einem Strohmesser mit 16 gr. gebüßt; für das Fangen eines Fuchses, der dem

   Bauer die Hühner stahl, wurde dieselbe Buße wie für die in einem fremden Hause begangene Gewalt-

  thätigkeit entrichtet, nämlich 5 Thlr.; Jemand der eine Tonne Heringe zu sich genommen, welche durch-

  ziehende Kriegsvölker hatten liegen lassen, wurde zu 5 Thlr., und ein Anderer, der Rocken vom Felde

  gestohlen hatte, zu 15 Schill. verurtheilt. Eine Geldbuße von 1 Thlr. mußte – man vergleiche die ver-

  schiedenen Vergehen – Einer, weil er einen Hasen gefangen; ein Anderer, weil er seine Stiefmutter

  geschlagen; ein Dritter, weil er seinem Vater Gewalt gethan; ein Vierter, weil er Jemanden mit bloßem

  Messer überlaufen, um ihn zu ermorden; ein Fünfter, weil er Jemanden auf freier Heerstraße überfallen

  und ihm eine Kopfblutwunde beigebracht; ein Sechster, weil er ein Bettgewand gestohlen; ein Siebter,

  weil er eine Frauensperson eine Hure gescholten; ein Achter, weil er einem Andern  zwei Rippen

  zerbrochen;  ein Neunter für die Verunreinigung einer fremden Hausthür, und ein Zehnter für das

  Entzweihauen einer solchen Thür. Für das Einbringen der Feldfrüchte am Sonntage nach der Mit-

  tagspredigt, für das Schimpfwort: ein loser Schelm, waren, wie für den gemachten Versuch, Jeman-

  den mit der Axt zu tödten, 1½ Thlr. angesetzt. Es scheint dabei Alles der Willkür der Richter über-

  lassen gewesen zu sein.

 

Eine große Ausdehnung hatten, doch nur in Pegestorf, die Hägergerichte. Diesem Gerichte waren gewisse Grundstücke, Hägergüter, unterworfen, die der Hägerjunker nach Hägerrecht verliehen hatte und wovon der Besitzer ein Hägermann hieß. Die Hägergerichtsbarkeit begriff folgende Gerechtsame in sich:

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1. Alle wegen der Hägergüter vorfallenden Streitigkeiten ließ der Hägerherr durch ordentlich gehaltenes Hägergericht entscheiden nach einem besonderen Rechte (Gewohnheitsrecht), und die Appellation gegen den darin gefällten Spruch war bei Verlust des Hägerguts untersagt.

2. Beim Absterben des Hägermanns mußte vom Hägergute eine Abgabe entrichtet werden, die von einer Hufe Land oder von einem Kothhofe in einer Kuh und von einem vollen Meierhofe in einem Pferde bestand.  Der Hägerherr konnte ein Stück Vieh nächst dem besten wählen, daher auch die Abgabe die Kör hieß. In alten, vorliegenden Acten wird eine solche Kuh die Baulebungskuh genannt und es war diese Abgabe mithin das bekannte Bestehaupt. 2) Gewöhnlich einigte man sich über einen Geldwerth, der später zu 5 Thaler für eine Kuh und zu 12 Thaler für ein Pferd bestimmt wurde. Die Besitzer der getheilten Hufen mußten die Kör pro rata entrichten. Der Erbe eines Hägerguts mußte sich dann gegen einen Gebühr ins Hägerbuch schreiben lassen und einen Ansetzungsschein lösen.   

 

 2) Ganz so war es im hildesheimschen Meierding. S. Jac. Grimm a. a. O. S. 369.

 

3. Der Inhaber solcher Güter durfte ohne Consens des Hägerjunkers nichts davon verpfänden und mußte sie jederzeit im Hägergerichte auf Verlangen specificiren.

4. Das Hägergericht konnte den Hägermann seines Guts entsetzen, wenn er beharrlich den Hägergesetzen zuwider handelte.

 

Diese Gerichtsbarkeit hatten in hiesiger Gegend viele Adelige. Durch ein Privilegium vom Jahre 1711 wurde sie folgenden Bestätigt: Joh. Adolph Freiherr von Metternich, Jobst Heinrich von Heimburg, Heinrich Eckbrecht von Grone, Georg v. d. Wense, Witwe Schlägel, geb. von Oeynhausen, Joh. Friedr. von Münchhausen und Christoph Dietrich Hack. Die in Bodenwerder ansässigen Herren v. d. Wense waren diejenigen Hägerjunker, deren Gerichte viele Länderei im Pegestorfer Felde unterworfen war.

 

Das Gericht vom Hägerjunker, so oft er für nöthig fand, etwa in Zeiträumen von 8, 10, 15 Jahren, wozu alle Hägermänner durch Bekanntmachung von den Kanzeln und Aufforderung vom Hägervogt citirt wurden. Der Schöppenstuhl bestand aus zwölf Personen, die sämmtlich aus den Hägermännern und zwar in den Gerichtsbezirken dreier verschiedenen Hägerjunker genommen werden mußten, nämlich 1 Richter, 2 Urthelträger, 2 Achtsleute. 6 freie Schöppen und 1 Procurator. Der Letztere, der gewöhnlich der Hägeramtmann genannt wurde, hatte das Protocoll zu führen, und durch ihn mußten die Hägermänner ihre Anträge an das Gericht gelangen lassen. Auch der Hägerherr bestellte für sich einen Procurator, doch konnte er auch den Hägeramtmann dazu beauftragen. Dem Hägerjunker stand keine Stimme bei dem Spruche zu, er unterzeichnete nur die gefundenen Urtheile.

 

War zur Vollziehung eines Urtheils obrigkeitlicher Zwang nöthig, so verfügte die obere Justizbehörde, im Jahre 1661 das Hofgericht, die Erecution durch einen Befehl an das Amt. Die Kosten des Gerichts hatte der Hägerjunker zu tragen und es kam bisweilen der Fall vor, daß für Diäten und Bewirthung des Richters, des Protocollführers und der Schöppen mehr ausgegeben wurde, als die einkommenden Kören betrugen.

 

Das letzte Hägergericht der Herren von der Wense wurde 1807 in Bodenwerder angesetzt, jedoch erschien keiner der Hägermänner aus Pegestorf und die Zeit der Fremdherrschaft war nicht geeignet, die Behörden um gerichtliche Hülfe anzugehen. Unlängst hat der Hägerjunker vergleichsweise gegen ein von den Hägermännern zu erlegendes Geldäquivalent seine Ansprüche und Rechte aufgegeben.

 

Was es mit der ursprünglichen Bedeutung der Hägergerichtsbarkeit für eine Bewandtniß habe, ist noch nicht ermittelt. Selbst Spilcker, der kenntnißreiche Historiker unserer Gegenden, wußte nicht, was er daraus machen sollte. Es ist sogar noch streitig, woher der Namen abzuleiten sei. Die lateinischen Urkunden des 13. Jahrhunderts konnten ihn nicht ins Latein bringen; wenn sie vom Hägerrechte sprechen, drücken sie sich aus: jus hegherorum oder quod Hegersrecht dicitur. Die Ableitung von Hagen ist wohl die richtige; Hagen bedeutet bekanntlich einen verwahrten Platz und hegen heißt schützen oder schonen; vielleicht gibt das Privilegium de non appellando, welches mit der Hägergerichtsbarkeit verbunden und womit das „Urthelschelten“ ausgeschlossen war, den Schlüssel zur Erklärung. Der Ursprung ist wohl in einem Verhältnisse des Mittelalters zu suchen, welches Möser, dieser gründliche Kenner der alten Verfassung, näher erläutert, ohne gerade der Hägergerichte zu erwähnen. 1) Nach ihm mußten nämlich diejenigen Freien, die nicht in der Heerbanns- , später in der Dienstrolle standen, in dem Schutze irgend eines Herren stehen, wenn sie ihre persönliche Freiheit behal-

 

 1) Vid. Möser, Osnabr. Gesch. Th. 1. Abschn. 1 §. 39.

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ten wollten, eben so wie diejenigen, denen ein Gut verliehen war, den Eigenthumsherrn, vorausgesetzt, daß er Schutzrecht besaß, fortwährend als Schutzherrn anerkannten. Der Schutzherr leistete für sie dem Staate Bürgschaft, vertrat sie in Rechtssachen und concurrirte für sie zum Kriegsdienst. Dafür bezog er von dem Gute einen Canon an Wachs und Geld und nach ihrem Tode das beste Stück Vieh. Dieser Schutz hieß Hut, Hege. Ein Hägermann (oder Hegermann, zunächst von hegen abgeleitet) ist demnach der Schutzbehörige des Hägerjunkers und die Hägergerichte sind dem Namen und der Sache nach Institute zur Anerkennung der Schutzrechte des Hägerherrn, bei deren Abhaltung dann auch die Rechtsverhältnisse der Hägergüter entschieden wurden. Da den Hägerleuten außer ihrem Schutzherrn ein gesetzlicher Vertreter mangelt, so ist daraus die fehlende Appellabilität erklärlich. Doch hatten nur diejenigen kleineren Schutzherren diese Gerichtsbarkeit, denen sie als besondere Vergünstigung von den Territorialherren (weltlichen oder geistlichen) zugestanden oder verliehen wurde, da wie sie sonst viel häufiger finden müßten; der Landesherr hatte damit jene Güter gegen alle fremden Gerichte ausdrücklich verwahrt, worauf die Abteilung von Hagen deuten könnte. Daß im frühen Mittelalter oft Hägergüter , nicht aber Hägergerichte vorkommen, ist daraus zu erklären, daß diese Gerichte erst später und zwar da eingeführt wurden, als durch die veränderten Staatsverhältnisse der Schutz wegfiel und so die hergebrachte Abgabe ein bloßes onus blieb, und daß sie daher abgehalten wurden, um alle Besutzveränderungen, aus denen der Hägerherr den Canon bezog, zur Sprache zu bringen, damit dem Junker an seinen Einkünften nicht abgehen möge.

Wir theilen noch als charakteristische Probe eine Verhandlung des Hägergerichts und einen Ansetzungsschein mit:

„Actum im Hägergerichte zu Bodenwerder den 6. Oktbr. 1712.

Gerd Jürgen Holloen Erben haben heute  dato eine Schrift übergeben, Woraus unter andern diese haupt Frage denen freyen Schöpfen vorgestellt, od des sel. Bürgermeisters Gerd Jürgen Holloen Wittwe weil Sie in Häger Gütern nicht Erbe sein könnte, den usum fructum ad dies vitae behalten könnte.

 

Erkannt.

In Sachen Gerd Jürgens Holloen Erben contra Bürgermeisters Holloen Wittwe Wird von Richter und freyen Schöpfen zu Recht erkannt, daß auf vorgebrachte Fragen vermöge des 13. Artikels deß sel. Bürgermeisters Holloen Wittwe die Häger Länderey Zeit ihres Lebens zu genießen haben soll und nach Ihrem Tode kann der nechste damit belehnet werden. Von Rechtswegen.

(unterz.) Georg von der Wense

 

Die Holloen Erben appelliren hievon und bitten copiam. Esaias Hollo als Mit-Erbe contradicirt der appellation, weil ihme die Häger jura bekannt, und sich solchergestalt nicht umb seine Güter bringen wollte.

In fidem protocolli

(unterz.) Leneken.

 

Continuatio.

Herr Barmann noie principalis hat hierauf vorgebracht, und wollte von Richter und freyen Schöpfen ein Urtheil zu Recht hiemit erfragt haben; ob man von hägerischen Sprüchen an andere Gerichte appeliren könnte, und was deßfalls recht sey.

 

Erkannt.

Daß vermöge Häger Rechte unter dem 4. leg. Gemeldet wäre, wer sein Häger Recht an andern Gerichten suchte, derselbe wäre der Häger Güter verfallen. Actum ut supra.

(unterz.) Georg v. d. Wende.

In fidem protocolli.

(unterz.) Leneken.

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Ansetzungsschein.

Wir Unter schriebene freye Schöpfen und Häger Männer deren von der Wense Beurkunden und bezeugen hiemit und Krafft dieses, daß Henrich Hollo Bürger in Bodenwerder vor einen Häger Mann sich hat ansetzen und ins Häger Buch einschreiben lassen, denen von der Wense ihre Kör entrichtet, wie auch den freyen Schöpfen ihrer Gebühr vergnüget, erkennen nun und hinführo denselben vor einen Häger Mann und wollen ihn dabei auch helffen schützen. Zu mehrer Urkund haben wir solches Handt unterschrieben. Actum Bodenwerder am 5. Xbr. 1671.“

(Unterschrift von 6 Schöppen.)

 

Gewerbwesen und Ackerbau. – Die Geschichte des Gewerbewesens im Amte bietet viel Bemerkenswerthes dar. Sie zeigt uns u. a. daß die Erde hier mannichfaltige Mineralien in ihrem Innern birgt, deren weitere Erforschung und Benutzung nähere Aufmerksamkeit verdienen möchte. Auch ist diese Geschichte ein Zeugniß von den sorgsamen Bemühungen der Landesregierung und dem Streben  verdienstvoller Beamte, neue Zweige des Gewerbs den Unterthanen zu eröffnen und den Wohlstand derselben zu fördern.

 

Interessant ist vorzüglich die Auffindung von Metallerzen. Sehr früh schon hat man diese hier entdeckt. Besondere Berühmtheit erlangte in dieser Hinsicht bereits in älterer Zeit der Köterberg. In einem noch vorhandenen Grenzvertrage mit dem Stifte Paderborn vom Jahre 1532 wird ausdrücklich bemerkt: „es sei gemeldet, daß oft in Örtern um den Köterberg und Polle Bergwerk gefunden würde, wovon Paderborn und Lippe die Hälfte und Braunschweig die Hälfte gebühre,“ dies sollte auch künftig so gehalten werden, indeß wurde genau bestimmt, wie groß der Kreis um den Köterberg sich erstrecken soll, in welchem das gefundene Erz nach diesem Maßstabe zu theilen sei. Die Benennung mehrerer Puncte dieser Gegend deuten unverkennbar darauf hin. So heißt eine Niederung „der Silbersiek,“ eine andere „die Silberkuhle,“ ein Platz am Wilmeroder Berge heißt Kupferbusch („Kopperbusche“), daneben ist der „Stollen“ und „der Weg nach dem Stollen,“ auch „der Schmelzerberg.“ Bestimmte und außführliche Nachrichten dagegen giebt das Amtsarchiv über das bei dem Dorfe Meiborßen im Jahre 1739 gefundene Kupfererz. 1) Es war eine Probe davon an die kurfürstliche Hüttenverwaltung gesandt worden, welche 33 bis 34 Pfund Gar-kupfer aus einem Centner Roherz lieferte. Da die Hüttenbeamten dies für einen reichen und ansehnlichen Gewinn erklärten, so wurden Bergleute zur Anlegung eines Schachtes hergeschickt und die Sache wurde mit großem Eifer angegriffen. Über 400 Thaler hatte die Regierung bereits dafür ausgegeben, als auf einmal der Gang sich in „plundrig Gebürge“ verwandelte. Man gab weitere Versuche auf und fand sich dazu auch nicht bewogen, als der thätige Amtmann Myneke im Jahre 1777 die Angelegenheit wieder in Anregung brachte.

 

Die Salpetergewinnung mag in frühern Zeiten nicht ganz unbedeutend gewesen sein. Sie wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts durch den Amtshaushalt betrieben. 2) In der Rechnung des Jahres 1661 werden nur 2 Center als gewonnen berechnet. 1676 ist angemerkt: Kein Salpeter gegraben. Im Jahre 1748 wurde der Betrieb von der Landesherrschaft erneuert. Man grub die Salpetererde in den Gärten bei Heinsen und nahm dort auch die Siedung vor. Das Geschäft wurde jedoch nachher aufgegeben; in jener Zeit, wo der Gebrauch dieses Salzes bei weitem nicht so verbreitet war, als jetzt, wo die Absatzwege waren, mochte der Betrieb nicht lohnend genug sein.

 

 1) Die Registratur des Amts hat darüber die gesammte Correspondenz nebst den Betriebs-Rechnungen aufbewahrt .
 2) Die Gewinnung des Salpeters war ein fürstliches Regal. Herzog Friedrich Ulrich, dessen Räthe darin eine neue Hülfsquelle in der Geldnoth sahen, hatte darüber wiederholte Befehle an die Ämter – im
Jahre 1620 allein drei solcher Befehle – erlassen. Spittler a. a. O. Th. 1. S. 440.

 

Auch Porcellanerde wurde im Jahre 1733 gefunden. Der Amtmann hatte zur Probe einige Dintefässer daraus verfertigen lassen. Die Regierung nahm die Sache mit Eifer auf, doch, wie es scheint, scheiterte ein umfassender Plan an der Schwierigkeit, einen Sachverständigen für die Leitung der Arbeiten anzuschaffen.

Die Ziegelei wurde im Jahre 1767 am Gellerholze angelegt. Ihr Betrieb ist nicht unbedeutend gewesen.

Eine Töpferei, wozu der Thon im Amtsbezirke, namentlich auch bei dem Dorfe Meiborßen, gegraben wurde, schien bei ihrer Entstehung in den zwanziger Jahren wichtig werden zu wollen, ging indeß schon im Jahre 1831 wieder ein, da die Unternehmer aus verschiedenen Gründen ihre Rechnung dabei nicht fanden und sich deßhalb derjenige Theilhaber, welcher die Geldmittel besonders herzuschießen hatte, davon zurückzog.

 

Die Kalkbrennereien bei Brevörde sind schon sehr lange vorhanden, namentlich schon zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kommen Lieferungen zum Hamelschen Festungsbau vor. Dieser Gewerbszweig des Amts hat wohl seine höchste Blüthe zu einer Zeit, wo ihn sehr niedrige Holzpreise begünstigten und die Concurrenz so vieler später entstandenen Kalkbrennereien noch nicht beeinträchtigte, erlebt; er veranlasste damals einen Umsatz von jährlich 9 bis 10.000 Thaler.

 

Das Kohlenbrennen kommt zuerst seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts vor, doch in keinem großen Umfange, da man einsah, daß der dazu nöthige Überfluß an Holz in den Waldungen bei Polle nicht vorhanden sei.

 

Im Jahre 1748 beabsichtigte die Regierung, im Bezirke des Amts eine Messinghütte anzulegen. Eine Zeit lang war es Plan, die Poller Papiermühle, welche damals noch ein Pächter von der kurfürstlichen Cammer inne hatte, für diesen Zweck einzurichten, bis man vorzog, ein solches Werk am Flüsschen Griese bei Reher zu etabliren.

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Große Aufmerksamkeit schenkte die Regierung schon im vorigen Jahrhunderte der Anpflanzung von Maulbeerbäumen, um den Seidenbau vorzubereiten. Es erging deßhalb im Jahre 1791 eine Aufforderung an die Amtsunterthanen, worauf 56 Einwohner zu Heinsen und eine kleinere Zahl zu Polle sich zu jener Cultur geneigt erklärten. Von Herrenhausen erfolgten nun 341 Stämmchen, die zu 7/8 in Heinsen, zu 1/8 in Polle angepflanzt wurden. Der größere Theil ging aber aus, nur ein Drittel blieb, was besonders daher rührte, daß das Einsetzen im Frühlinge zu spät geschehen war. Dadurch verlor sich die Neigung der Einwohner zur Erneuerung des Versuchs, und so fand denn das anerbieten, von Herrenhausen im Jahre 1794 aufs neue 400 Stämmchen unentgeltlich zu liefern, keinen Anklang.

 

Auch bemühte sich das Gouvernement kurz nach dem siebenjährigen Kriege sehr, das Spinnen von feinem Woll- und Baumwollgarn einzuführen und bewilligte zu dem Ende in den Jahren 1771 und 1772 einen Unterstützungsfonds. Doch blieb dies ohne nennenswerthen Erfolg. In jener Zeit, wo bei der geringen Zahl kleiner Leute der Erwerb nicht fehlte, wo auch die Menschen zur Erlangung technischer Fertigkeiten noch nicht so bildsam waren und weniger Unternehmungsgeist sich bei unserm Volke fand, konnten dieser und andere bereits erwähnte Industriezweig noch nicht sehr gedeihen.

 

Dagegen wurde schon seit längerer Zeit die Strumpfstrickerei in den Amtsdörfern Vahlbruch und Meiborßen stark betrieben. In gewöhnlichen Jahren versandten die beiden dortigen Strumpfhändler an 24.000 Paar Strümpfe, wovon ungefähr der achte Theil gebleichte, ins Ausland, zumal nach der Schweiz und nach Holland. Etwa die Hälfte dieser Ausfuhr war in jenen beiden Ortschaften verfertigt worden.

 

Der Flachsbau ist erst später zu seiner jetzigen Ausbreitung gelangt. Im Jahre 1647 konnte nur ein Befehl der Cammer veranlassen, daß vom Amtshaushalte etwas Lein gesäet wurde, weil von dem Flachse Leinenzeug für den herzoglichen Hofstaat verfertigt werden solle. 1736 wurde schon häufig ausländischer Leinsamen bezogen; die Regierung wollte die Anschaffung untadelhaften Samens vermitteln und aus diesem Anlaß wird damals der ganze Bedarf der Amtseinwohner zu 24 Tonnen oder circa 100 Himten angegeben.

 

Die Bemergelung der Länderei wurde ebenfalls von der höchsten Behörde im Jahre 1765 in Anregung gebracht. In dem deßfalls erstatteten Amtsberichte wird angegeben, daß die Ackerleute schon einigen Gebrauch von dem Mergel machten, vom Amtshaushalte sei bereits im vorhergehenden Jahrhunderte Länderei bemergelt worden.

 

Endlich muß die Geschichte auch erwähnen, wie viel in der neuern Zeit für die Verbesserung der Straßen und Wege geschehen ist. Wenn früher das Amt den Reisenden schwer zugänglich und in dieser Hinsicht fast über berüchtigt war, so ist die Verbindung mit den angrenzenden braunschweigischen und preußischen Ämtern und Städten durch eine gute Chaussee nach Forst längst beschafft worden, und nach der andern Seite, zunächst nach Bodenwerder und Hameln hat der Bau einer sehr hübschen Straße unter der Steinmühlenklippe hin im Jahre 1841 begonnen. 

 

III. Besondere geschichtliche Verhältnisse einzelner Orte

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So interessant es sein würde, könnte man den Ursprung der einzelnen Ortschaften nachweisen, über ihren Anbau berichten, ihre Häuser und Einwohnerzahl in den verschiedenen Perioden angeben, das innere Leben ihrer Bewohner in der Vorzeit schildern, so wenig ist man hier im Stande, etwas Vollständiges zu liefern. Die darüber zu uns gelangten Nachrichten sind höchst dürftig. Ältere Chronikschreiber theilen in dieser Hinsicht selbst über die Städte nur Bruchstücke mit; wer dachte daran, ein Dorf zu beschreiben? Wer von den geschichtschreibenden Mönchen des Mittelalters ahnte auch nur, wie viel der Nachwelt daran liegen würde, eine Statistik der Ortschaften aus dem 11. Jahrhunderte zu haben? Wo jene als Concipienten von Urkunden der Dörfer erwähnen, da geschah es nur, weil ihr Kloster Güter darin erwarb; sie wurden dann sehr ausführlich, doch nur um die Erwerbung bündig zu machen; geschichtliche und geographische Notizen fügten sie spärlich bei, wenn dieser Zweck es ihnen nöthig zu machen schien. Die Schwierigkeit einer sichern Darstellung aber wird durch die höchst ungenaue Schreibart der Ortsnamen im Mittelalter sehr vermehrt. Die Mönche schrieben den Namen eines Orts bald auf diese, bald auf jene Weise, bald kürzten sie ihn ab, bald verlängerten sie ihn. Die Urkundenbieten dann auch oft gar kein Hülfsmittel, durch welches man aus dem Gewirre heraus finden könnte, indem sie gewöhnlich nur den Namen, nicht die Lage des Dorfs bezeichnen. Es fiel unsern Vorfahren nicht ein, daß die Nachkommenschaft zu denjenigen Örtern einen Wegweiser nöthig haben würde, die sie ohne Laterne finden konnten. So bleibt denn eine Unvollständigkeit solcher Ausarbeitungen unvermeidlich, selbst wenn man bei genauer Bekanntschaft mit der Localität auch die übrigen Quellen bestens zu Hülfe nimmt und namentlich die Benennung einzelner Reviere und Plätze im Felde und im Walde, ferner die steinernen Documente und als Unterstützung und Erläuterung dazu auch die im Munde des Volks lebenden Sagen benutzt.

 

Wir berücksichtigen hier auch die verwüsteten und verlassenen Ortschaften, da ihre Nachweisung das Verständniß der Urkunden aus dem Mittelalter erleichtert. 1)

 

 1) Lesenswerth ist, was Herr von Mengershausen im Vaterl. Archiv 1833 S. 76 über die Nachweisungen der Wüstungen sagt. Selten hat wohl ein Geschichtsforscher gerade dieses Feld mit solchem Eifer betreten und selten standen einem andern bei ähnlichen Arbeiten so zahlreiche Quellen zu Gebote; dennoch klagt derselbe wie über die Schwierigkeit, so über die Unvollständigkeit solcher Ausarbeitungen.

 

Beginnen wir am südlichen Ende des Amts.  

 

Das Dorf Heinsen

Im Jahre 1031 schenkte der Kaiser Conrad der Kirche zu Paderborn „praedium Heinhuson etc. situm in pago Auga,“ und in der Urkunde des Bischofs Meinwerk von Paderborn über eine dortige Stiftung vom Jahre 1036 wird ein Haupthof Heginhuson mit vier Vorwerken, darunter zwei Holtesminne, also im Auga begriffen, aufgeführt. Dies erklären wir, gestützt auf die gründlichen Forschungen der Herrn von Spilcker und von Werse für unser Heinsen. Zwar soll ein Heinhuson, dessen der Bischof Bernward in der Dotations-Urkunde des Micha-elisklosters zu Hildesheim vom Jahre 1022, im Gau Tilithi gelegen, erwähnt, nach den vom Herrn Drosten von Holle dazu gegeben übrigens schätzbaren  Erläuterungen 1unser Heinsen

 

 1) S. Vaterl. Archiv 1824. 2.

 

Sein; dies widerlegt jedoch Herr v. Wersebe, 2) und Herr v. Spilcker nennt die Beweise überzeugend, wodurch  Wigand  (in seinem Corveyschen Güterbesitz) dargethan, daß Heinsen im

 

 2) Daselbst 1825. 1.

 

Auga gelegen und das in den Gau Tilithi gelegte Heinhuson nicht dafür genommen werden könne, mithin jenes Heinhuson von 1031 und Heginhuson von 1036 hier gemeint ist. In Amtsacten aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts heißt der Ort noch Heinhauß, Heinhausen, woraus in der Folge durch eine Zusammenziehung  Heinsen geworden ist. 3Allem Anschein

Nach war Heinsen früher im Besitz des Stifts Corvey. Es wird erzählt, das Dorf sei erst abgetreten, als Polle schon in den Händen Braunschweigs gewesen, und zwar habe Corvey dies gethan, weil die Einwohner des Orts damals durch ihr beständiges Widerstreben und Zanken dem Stifte viel zu schaffen gemacht. – Fischerei und Schifffahrt wahren schon lange bedeutende Nahrungszweige der Einwohner; im Jahre 1664 wurde das Stift Corvey sogar auf die Heinser Fischer aufmerksam und versuchte ihnen die Betreibung ihres Gewerbes da, wo die Weser das Gebiet der Abtei berührt, zu verwehren. Eine Notiz des Amts vom Jahre 1762 besagt, daß damals hier 6 Schiffer mit 16 Schiffen vorhanden waren. – Eine Hauptreparatur der sehr alten Kirche wurde im Jahre 1707 vorgenommen. Am Tage Phil. Jac. Feiert die Gemeinde einen besondern kirchlichen Buß- und Bettag, er wurde 1775 angeordnet, nachdem die Feldmark drei Jahre nach einander schweren Hagelschlag erlitten hatte. Die Länderei war hier bisher mit bedeutenden grundherrlichen Abgaben belastet, als Zehntabgabe mußten die Bauern die fünfte Garbe an die Cammer liefern. Seit dem Jahre 1724 sind 16 neue Reihestellen angebauet. Im Dorfe ist ein Erdfall, aus dem ein Bach hervorquillt, der die Mühle des Orts betreibt. In unergründlicher Tiefe hat die Quelle ihren Ursprung, keine Dürre vermindert die Wassermasse, kein noch so heftiger Frost macht sie gefrieren. Man nennt den Born den grundlosen Teich und erzählt von ihm, daß einst Taucher hinabgestiegen sei, um den hineingefallenen Kessel einer armen Frau heraufzuholen, er habe tief unten einen dicken Baumstamm quer durchliegend angetroffen, auf dem er sich niedergesetzt habe, um neue Kräfte zur Rückkehr zu sammeln; einen Grund aber habe er auch da noch nicht entdeckt.

 

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Die Wüstung Windelmuderod

An der Grenze der Heinsenschen und Polleschen Feldmark. In Urkunden haben wir sie nur einmal erwähnt gefunden und zwar in dem Diplom Kaisers Conrad vom Jahre 1031, wodurch er der Kirche zu Paderborn „praedium Heinhuson, Winiden, Windelmuderod, Aldendorp, Rudbertessen, Sunderessen, Nisa, Hameressen, situm in pago Auga“ schenkt. Man muß also Windelmuderod, später Wilmerod genannt, wie das gleich folgende Rudbertessen zwischen Heinsen und dem benachbarten lippischen Dorfe Hommersen suchen. das Andenken dieses verlassenen Orts hat sich in der Benennung der Anhöhe „Wilmeröder berg“ erhalten, und der Platz, wo die Kirche gestanden, wird durch die “Kirchgrund“ bezeichnet. 1)

 

 1) Die Benennung der Feldabtheilungen, der Waldreviere, einzelner Plätze. Welche in die Lagerbücher und  Vermessungskarten übergegangen, sind bei der Aufsuchung von verlassenen Ortschaften und geschichtlichen Merkwürdigkeiten sehr wichtig. Diese Namen sind nicht aus Chroniken entnommen, sondern aus dem Munde des Volks, das sie treu bewahrt. Immer liegt ihnen eine Thatsache zum Grunde. Daher haben denn auch alle die Männer, welche die Geschichte einzelner Ortschaften  bearbeiteten, jene Benennungen für ihre Erläuterungen benutzt. S. Vaterl. Archiv 1833 S. 75-165.DaselbstS. 504-521. und unter den ältern Geschichtsforschern Baring in seiner Lauensteinschen Saale.

 

 

Die Wüstung Rudbertessen,

nachher Robrechtsen oder Robrexen, an demselben Abhange, jedoch weiter nach Polle zu gelegen, kommt auch nur in der gedachten Urkunde von 1031 vor. Es war ein Vorwerk von Heinhuson. 2) Ein Revier im Polleschen Felde, der Robrechtser (Robrexer) Berg, wie der dort herabfließende Robrechtser Bach zeigt und, wo die Wüstung zu suchen ist.

 

 2) cf. Grupen Orig. Pyrm. et Schwalenb.

 

 

Der Köterberg.

Es lässt sich denken, daß hier auf dem höchsten Berge in einer weiten Umgegend, in den heidnischen Zeiten eine Verehrung der Götter Statt fand, da wir häufig finden, daß solche Puncte den Gottheiten geweiht waren. Auch melden in der That die Geschichtsschreiber, 3) daß wie auf dem Brocken so auf dem Köterberge die Weiber zusammen kamen, um sich da dem Teut zu weihen und sich mit ihm gleichsam hochzeitlich zu verbinden. Daher auch die Fabeln, welche die christlichen Mönche von dem Wesen erzählen, das der Teufel auf diesem Berge treibe, denn die Geistlichen des Mittelalters stellen streng nach dem Sinne der Bibel den Götzendienst als Teufelsdienst dar. So berichten die Corveyschen Annalen: Werner von Asche sei im Jahre 1357 auf dem Köterberge dem Teufel begegnet, dieser habe sich in der Gestalt eines Mönchs gezeigt und dem Werner zu beichten befohlen, der aber mit Gottes Hülfe entflohen sei und aus Dankbarkeit dem h. Vit ein Gelübde gethan habe. 4) Indeß ist die von einigen angenommene Etymologie des Namens unsers Berges von „Götterberg“ doch zu gezwungen, eine andere Ableitung dagegen viel wahrscheinlicher. Das alte Wort Kott (engl. Cot) bedeutet nämlich einen Schmitt, eine Schneide, 5) niederdeutsch Snee, Schnad, was überall die Bezeichnung für Grenze ist. Köterberg bedeutet  daher einen Schnad- oder  Grenz-

 

 3) S. hann. Magaz. 1752, St. 36.
4) S. Leibnitz S. R. B. Tom. II. pag. 314. – Dieselben Annalen erzählen S. 303, auf dem Köterberge habe
im Jahre 1029 eine große Schlange gelegen, die einen Hund und Lämmer und Kälber gefressen habe; sie sei durch Rauch von Birkenholz, worauf Schusterpech gelegt, vom Baume verjagt. Ob dies eine aturgeschichtliche Notiz oder eine allegorische Beschreibung des Satans, den ja auch die heilige Schrift die alte Schlange nennt, sein soll. ist nicht zu entscheiden.
 5) Vgl. Röser Osnabr. Gesch. Th. 1. S. 5. Auch eine uns vorgekommene Stelle einer gegen Ende des
14. Jahrhunderts in niederdeutscher Mundart abgefassten Chronik (Bothonis chronic. Brunsv. Pict.In Leibnitz Script. R. B. Tom. Pag.) liefert einen Beleg dazu, daß in dem Worte Kott, kottiseren, die Bedeutung: trennen, abschneiden, vorherrscht. „Anno MCII. Itlikc Domheren to Meydeborch de wolden to dem Keyser (Heinr. IV.) hebben toghen, unde wollen sick ghekofft by dat Bischopdom, unde düssen Bischopp Hinrik affkottiseren“ Der Zusammenhang zeigt, daß hier nichts anders gemeint ist, als: dem Bischof sein Amt entziehen, seine Stelle abtrennen, ihm sein Recht abschneiden.

 

Berg. Daß man diesem Berge vorzugsweise solchen Namen beilegte, ist leicht erklärlich, denn auf demselben durchschnitten sich, was gewiß einzig in seiner Art ist, die Bezirke vier verschiedener Landesherren. In einer alten geographischen Beschreibung des Amts, die im Archiv aufbewahrt ist, 1) wird auch dieser Umstand besonders hervorgehoben.

 

 1) Übrigens eine ziemlich werthlose Acte und kaum mehr als eine sehr dürftige Grenzbeschreibung.

 

 

Die Ziegelei

Am Gellerholze, ist seit 1767 vorhanden.

 

Die Sägemühle.

Das Wohnhaus ist erst im Jahre 1841 hier angebaut.

 

Die Weißenfeldermühle,

dem von Heimbruchschen adeligen Hofe in Polle gehörig.

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Der Flecken Polle.

Er hat seinen Namen von der hohen Lage, denn Poll bezeichnet im Niederdeutschen den Kopf, den höchsten Punct eines Dinges; 2) das Schloß wonach der Flecken benannt worden, aber lag auf dem Scheitel des Berges. In alten Urkunden 3) variirt die Schreibart zwischen Poll, Polle, Polla, einmal (1394) gar Pohl. Die Zeit der Erbauung des Schlosses ist unbekannt, Niemand weiß zu sagen, wer seine Mauern auf dem verwandten Felsen gründete; es wird erst genannt seit 1285, wo die Eversteiner hier residirten. Von einer Ortschaft Polle kommt aber um diese Zeit noch nichts vor. Erst im Jahre 1313 finden wir in einer Urkunde des Grafen Ludwig von Everstein über eine Schenkung an das Kloster Gerden eine Spur, daß hier eine Gemeinde vorhanden war, denn diese Urkunde ist von Arnoldo plebano in Polle unterschrieben. Eine Kirche war hier indeß nicht, die jetzige Kirche St. Paul ist aus späterer Zeit. Nach einer Nachricht in den Amts-Lagerbüchern wäre diese gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts von den Gebrüdern Otto Franz und Lips de Wrede als damaligen Pfandinhabern des Hauses Polle durch Zuschuß und Hülfe der Gemeinde gebaut worden. Dieselbe Nachricht besagt auch, daß die Gemeinde bis dahin in die Brevörder Kirche als matrem gegangen sei. Jener Arnoldus, der sich in der Urkunde von 1313 als Pleban in Polle unterschrieben hat, nennt sich in Urkunden von 1298. 1312, 1318, 1319 Pleban (Pfarrer) in Brevörde. 4) Ein Priester (presbyter) in Polle, Matthias Quintel, kömmt im Jahre 1443 vor, von ihm erzählen die Corveyischen Annanalen, 5) er sei nach seinem Tode im Felde und im Walde von Vielen gesehen, er habe indeß Niemanden etwas zu Leide gethan, Alle aber ernstlich zur Buße ermahnt. Ein Monument an der Poller Kirche ist bemerkenswerth. Es ist einem „edlen Cordt Ketler,“ gestorben 1553, errichtet; auf einem aufwendig in die Wand eingemauerten Steine ist

 

 2) So bezeichnet Poll am Baume den Gipfel, daher „den Baum pöllen“ ihn seines Gipfels berauben; am menschlichen Körper den Scheitel, daher „beim Polle fassen,“ ihn beim Scheitelhaar ergreifen. In Reinerbeck bei Ärzen sagen die Einwohner von einem Bauer, dessen Haus auf einem Hügel im Dorfe liegt: „hei wohnt upp dem Polle.“
 3) Wir wiederholen hier die frühere Bemerkung, daß die urkundlichen Nachrichten, wenn nicht ein anderes besonders angegeben wird, aus den v. Spilcker gesammelten Urkunden entnommen sind.
 4) Vermuthlich war damals im Schlosse eine Capelle und der Pleban der Pfarrkirche zugleich Schloßcapellan.
 5) vid. Leibnitz S. R. B. Tom. II. pag. 317.

 

ein Ritter in voller Rüstung dargestellt, der vor dem gekreuzigten Christus knieet. Man erinnert sich hier an Dietrich Ketler, Knapen, einen der Hauptleute Berends von der Lippe, welche den Herzog Heinrich von Braunschweig 1404 in dem Gefechte beim Ohrberge gefangen nahmen. Ums Jahr 1374 war der Ort bereits zu einem ziemlichen Umfange gelangt, er erscheint jetzt als Flecken, denn wir finden hier nun einen eigenen Rath, einen förmlichen Magisterrat, der eine Urkunde, namentlich eine Verabredung zwischen der Gräfin Agnes von Everstein  und ihrem „Bohlen,“ 1) dem Cölnischen und Hildesheimschen Domherrn Grafen Hermann von Everstein, als Zeugen besiegelt: „Wi de Rad van dem Polle hebbet dorch bede willen unser vrowen und unser Junchern Greven Hermans van Euersteyn eres Sones to tuchnisse dat uns dit witlich is und dat dit gedegedinget is unse Ingesegele an dessen Bref gehanghen. Datum Anno Domini M0CCC0LXXIIIj0 Ipso die Bonifacij episcopi.“ Das Fleckensrecht zeigt sich auch in dem Vorhandensein der Brauergilde, der Schuhmacherzunft und anderer Gilden im Orte. Ein bedeutender Anbau hat seit längerer Zeit nicht Statt gefunden; seit 1724  sind nur 8 neue Feuerstellen hinzugekommen. . Polle war der Geburtsort

 

 1) Bole drückt im Altdeutschen dasselbe aus, was nachher und noch jetzt bei fürstlichen Personen durch „Liebden“ bezeichnet wird. Der Domherr Hermann war ein Schwager der Gräfin Agnes. Das Wort Bole (Buhle, in seiner Grundbedeutung: eine geliebte Person) hat erst später den verächtlichen Nebenbegriff erhalten, der ihm jetzt anklebt.

 

weil. Geh. Raths Rumann, welcher vor mehreren Jahren als Chef des Justiz-Departements in Hannover starb.

 

Das Amthaus ist nach der Zerstörung des Schlosses im dreißigjährigen Kriege neben dem Schlossberge aufgeführt und, wie eine Jahreszahl am Thorwege zeigt, im Jahre 1656 vollendet. Man verband damit die Kornböden zur Aufsöllerung des herrschaftlichen Zinskorns, die eigentlichen Ökonomiegebäude der Domaine wurden gegenüber am jenseitigen Weserufer errichtet. Das über dem Thore befindliche räthselhafte Wappen wird für die Heraldiker von Interesse sein, wir fügen deßhalb eine Handzeichnung davon bei.

Wir erwähnen nun derjenigen adeligen Familien, welche in und bei Polle besonders begütert waren:

Rehbock, vulgo Rehbock, Reboc, Reboch, Rebuck. Diese Adeligen standen in genauer Verbindung mit den Grafen von Everstein. Sie waren, wie aus der eine Grenzberichtigung am Voglergebirge betreffenden Urkunde erhellt, Burgmänner des Schlosses Everstein und hatten wahrscheinlich ganz in der Nähe, später wohl zu polle ihren Wohnsitz. Eine große Zahl der von den Grafen von Everstein ausgestellten Urkunden ist von ihnen als Zeugen unterschrieben. Ihre Güter in und bei Polle sind in einem Lehnbriefe vom Herzog Heinrich de 1482 verzeichnet und waren: 1 freies Burglehn „upp dem Polle,“ 6 Hufen arthaftiges Land daselbst, wovon 4 Hufen jenseit der Weser im Bruchfelde gelegen, und 1 Werder, genannt der Hasselwerder, zwischen Brevörde und Grave. Sie waren auch Burgmänner des Schlosses Perremunt (Schell-Pyrmont unweit Lügde) und besaßen in der Nähe ansehnliche Grundstücke, denn der Graf Friedrich von Spiegelberg kaufte nach 1524 von ihnen das sogenannte Speckholz und bauete darin das Schloß Pyrmont. 2) Der Braunschweigschen Regentenfamilie waren sie sehr ergeben, wovon wir ein Beispiel bei der Wahl der Prinzessin Sophie von  Braunschweig  zur Äbtissin von Gandersheim im Jahre 1464 sehen. Die Canonici

 

 2) S. Klettenberg im Wald. Helden- und Regenten-Saal. Hdschr. I.  

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wollten eine Walpurgis von Spiegelberg zur Äbtissin haben und hatten daher mancherlei, zum Teilehrenrührige Beschuldigungen gegen Sophie vorgebracht, da nahm sich ihrer besonders Cord Rebock an und zog zu ihrer Ehrenrettung das Schwert gegen die Canonici. 1) Die jünge-ren Söhne der Rebockschen Familie treffen wir häufig im geistlichen Stande an, namentlich  Arnoldus dictus Reboch, Mönch in Amelungsborn, Zeuge 1281 wegen einer vom Grafen von Everstein dem Kloster Amelungsborn überwiesenen Mühle; Jacobus Rebock, Mönch, Caplan des Abts zu Corvey, stirbt 1391, von dem die Corv. Annalen bezeugen, er sei ein Muster der Frömmigkeit und Gelehrsamkeit gewesen; 2) Diederich Rebock, Probst des Stiftes Corvey, untersiegelt 1394 eine Übereinkunft zwischen dem Abt zu Corvey, dem Grafen v. Everstein und dem Herrn zu Homburg wegen des Schlosses Holzminden; Martinus Rebock, Probst des Klosters Gröningen, Verfasser einer Chronik dieses Klosters. 3) Andere in den Urkunden, fast immer als die Zeugen für die Grafen von Everstein, uns vorgekommene Glieder dieser Familie geben wir noch in chronologischer Ordnung an: Hermannus1207, Amelung 1231 Zeuge für Gottschalk von Pyrmont, Albrecht, 1241 in einer Urkunde des Herzogs Otto puer wegen des Klosters Höckelheim, Henricus miles 1254, 1257, 1271, 1277, 1283, Hermannus, Erpo miles 1286, Ernestus 1300, Johannes famulus 1310, 1312, 1318, 4) Henricus famulus 1312, 1313, 1354, Florekinus famulus 1354 gegenwärtig in einem feierlichen Gerichte zu Lügde vor den Grafen von Pyrmont, Cord 1406 Bürge (Sakenwolde) wegen des von dem gefangenen Herzoge Heinrich von Braunschweig zu entrichtenden Lösegeldes von 100,000 Gulden, Cord 1482 belehnt von Herzog Heinrich mit dem Burglehen zu Polle und einigen an-

 

 1) Für diejenigen Leser, welche nicht Gelegenheit gehabt, eine schriftliche Herausforderung der fehdelustigen Ritter des Mittelalters, eine Kriegserklärung en miniature, zu sehen, theilen wir hier den Fehdebrief von Cord Rebock und Heinrich von der Lippe an die Pfaffen in Gandersheim mit: „Wettet alle  Papen to Gandersem un en yklik besunnern, dat ek Cord Rebock un ek Hinrik van der Lyppe wylt  iu vynt syn umme willen eyrluchtigen hochgeboren Forstynne Scoffygen Hertogynne to Brunswyk un Ebdisse des Stychtes to Gandersem, weret nu dat wy up iu fechten uni u edder den iuwen ghengen schaden deden, wo de schade were, worde, edder taukeme, nichtes utbeseceden. Des wolle wy mit unsen  hylpern, knechten, unde medekomere al unse Eyre an iu und den iuwen vorwart hebben, un wylt dar vor der nemede to antworen. Ghegeven in den ver und secvghesten Jahre an sunte Caterinen dage, under mynen cord Reboks ingheseghel, des ek Hynryk mede bruke.“ S. Harenberg Hist. eccl. Gandersh. p. 924.
 2) S. Leibnitz in S. R. B. Tom. II. p. 316. „omnibus pietatis, doctrinae et patientiae exemplum relinquens.“ 3) Leuckfeld in seiner Geschichte von Gröningen bemerkt dabei ausdrücklich, daß dieser Martinus Rebock von Polle gebürtig gewesen sei.
 4) Der Adel bildete in jener Zeit eine Genossenschaft, das Schildesamt, ordo militaris, (daher zum Schilde
geboren, von adeliger Geburt), und hatte eine zunftmäßige Einrichtung. Er war in drei Stufen getheilt, in Lehrjungen famulus, Gesellen (Knappen) armiger und Meister (Ritter) miles. In den Urkunden  hiesiger Gegend werden die beiden Unterstufen nicht unterschieden, man kennt nur Knappen, famuli, und Ritter, milites. Nur wer als famulus dasjenige, was zu einem vollkommenen Ritter gehörte, als  Gefechte zu Fuß und zu Pferde, mit Lanze und Scjwert, Gezeltangriffe, Ring- und Stechrennen u. s. w. zunftmäßig erlernt und irgend eine ritterliche Waffenthat verrichtet hatte, wurde als miles aufgenommen. So erwarb Herzog Wilhelm d. ä. durch seine Tapferkeit in der Schlacht bei Grohnde 1421 die Ritterwürde. Vgl. Eichhorns deutsches Privatrecht §. 53 und Allgem. Real-Enzyklop. Unter dem Artikel Erbadel von B-g (Benzenberg).    

 

dern Gütern. Ein Rehbock kommt auch im Kriegszuge Heinrichs des älteren gegen die Stadt Braunschweig im Jahre 1492 vor. Wahrscheinlich, jedoch nicht mit Gewissheit zu erweisen, ist, daß auch Anna geb. Post weiland Johann Rehbocks Witwe, welche 1560 lebte, hierher gehört. Von ihr wird erzählt, daß sie besonders mit vieler Theilnahme die Gemahlin Herzogs Erich d. j. besucht, getröstet und unterstützt, als diese fürstliche Frau einsam zu Hardegsen gelebt habe, indem der Herzog fast beständig auf Reisen war und seiner Gemahlin nicht   gestattete, unterdessen in Münden zu wohnen, wo sie sich am liebsten aufhielt. 1) Die Familie 

 

 1) S. Rehtmeyer a. a. O. S. 811.

 

Ist um die Mitte des 16. Jahrhunderts ausgestorben und mit den von ihr im Besitz gehabten Polleschen Gütern wurden im Jahre 1568 die von Münchhausen belehnt.

 

Kannen zu Lügde. Sie besaßen Güter bei Polle und bezogen auch später noch Gefälle von dort. Auch diese Familie war häufig in Verbindung mit den Eversteinern. So war Bernd Kannen einer der wegen der Erbverbrüderung des Grafen Hermann mit Lippe 1403 bestellten Schiedsrichter. Dasselbe Geschäft ward ihm in einer Streitigkeit Herzogs Wilhelm mit dem Hildesheimschen Adel 1436 übertragen, und als dieser Fürst 1420 eine Reise nach Jerusalem machte, vertraute er jenem nebst einem Herrn von Veltheim unterdessen sein landesherrliches Siegel an. 2)

 

 2) Daselbst S. 1856.

 

Von Halle bis 1473, darauf von Bevern bis 1582m dann von Münchhausen. Nach den vorhandenen Lehnbriefen waren diese mit zwei Burglehen nebst zwei Hufen Land „un de Word binnen un butem dem Polle“ belehnt.

 

Von Oeynhusen zu Grevenburg. Einige Gefälle von Höfen, welche diese Familie hier gehabt, wurden 1654 an das Amt Ärzen, dann an das Amt Polle entrichtet.

 

Behling, und von Heimbruch, Besitzer der beiden jetzt noch in Polle befindlichen ritterschaftlichen Güter.

 

Die Domaine Heidbrink,

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als ein Vorwerk des Hauses Polle im Jahre 1638 zu erbauen angefangen, weil ein Theil der Amtsgebäude bei der Eroberung durch Tilly im Jahre 1623 eingeäschert worden war. Die Einrichtung, die Ökonomiegebäude entfernt vom Schlosse anzulegen, erwies sich sehr bald als zweckmäßig, da im Jahre 1641 das Schloß mit allen Nebengebäuden zerstört wurde. Nicht weit vom Heidbrinke ist eine Wüstung zu suchen, denn im nahen Bruchfelde ist eine Abtheilung, die von altersher „hinter den Höfen“ heißt. Die Sage erzählt von einem Landgute, welches hier belegen und zuletzt im Besitz einer Erbtochter der Familie gewesen sei. In den Zeiten des Faustrechts hätten wilde Ritter sie davon vertreiben wollen, da habe sie gebeten, man möge sie noch einmal säen und ernten lassen, dies sei ihr bewilligt und sie habe nun das Feld mit Eicheln besamt, woraus das Bruchholz entstanden sei. Der Umstand ist bemerkenswerth, daß das ganze Bruchholz privative Waldung der Herrschaft und daß auch die hier belegene Länderei Domanialgut ist. 

 

Die Brille,

ursprünglich zu einer Försterwohnung erbaut, um das Bruchholz vor den ruinirenden Beschädigungen von Seiten der Einwohner des braunschweigschen Dorfs Reileifsen zu schützen. Wi willt ju nu’n Brill uppsetten, haben die Poller dabei den Reileifsern gesagt, und dies giebt man als den Ursprung des Namens an. Nachher hat die Herrschaft dem Förster in Brevörde und dann in Polle angewiesen und die Brille nebst einigen Grundstücken einem Privatmann überlassen.

 

Das Dorf Brevörde.

In alten Urkunden heißt es stets Bredenvorde, nur in späteren Rebockschen und Münchhauseschen Lehnbriefen, wahrscheinlich durch einen Schreibfehler Bresenforde statt Bredenforde. Wenn unter dem niederdeutschen breden breite und vorde eine Furt verstanden wird, so würde der Namen des Orts „breite Furt“ andeuten, daß hier ehemals eine Passage über die Weser gegangen sei. Dies wird dadurch bestätigt, das von dem nordwärts gelegenen Dorfe Grave nach Brevörde bereits im 13. Jahrhunderte eine Kunststraße „ein Steinweg“ führte. Durch eine Urkunde von 1266 stiftete der Graf Ludwig d. ä. von Everstein durch einen Zehnten an dem Steinwege zwischen Grave und Brevörde (decimam sitam in monte per viam lapideam de graven usque bredenvorde) seiner verstorbenen Frau Adela bei dem Kloster Amelungsborn ein Gedächtniß. Zu welchen Vermuthungen führt das Dasein einer Kunststraße in jener Zeit, wo man in Niedersachsen noch keine Chausseen baute? Scheint dies nicht auf große und wiederholte Kriegszüge hinzudeuten, die hier durchgingen und weßhalb vielleicht Carl der Große oder vielmehr die Römer hier einen gepflasterten Weg anlegten? Wahrscheinlich war jene Furt oberhalb Brevörde, wo die Weser früher seichter war, weil hier in zwei Armen floß, von denen einer im Jahre 1729 eingedeicht und trocken gelegt worden ist. Das Dorf ist sehr alt. Ein Helmershäuser Schenkungsregister aus dem Anfange des 12. Jahrhunderts erwähnt schon einer villicatio Bredenvorde, von welcher Fische, namentlich auch Neunaugen geliefert werden mußten. Im Jahre 1243 gab Graf Conrad von Everstein dem Kloster Amelungsborn den Zehnten in Brevörde, um seiner in Amelungsborn begrabenen Frau Lutgard ein Gedächtniß zu stiften, mit dem Vorbehalt, ihn für 60 Mark einzulösen. Eine Urkunde vom Jahre 1263 unterzeichnete auch der Priester des Orts, Siegfried (sacerdos Sifridus de bredenvorde); im Jahre 1298 erscheint in einer Urkunde Arnold, Pleban daselbst, und in einer Urkunde von 1306 bekömmt der Abt von Amelungsborn vom Grafen Otto von Everstein die Erlaubniß, auf dem Kirchhofe in Brevörde einen Hofplatz mit einem Gebäude (aream cum aedifico) zu haben. Hier war also schon früh eine Kirche vorhanden, welche zugleich die Pfarrkirche für Polle war. 1) Die sehr alterthümliche Bauart des Turms zeugt von dem hohen Alter desselben. In Brevörde wohnte auch der Prediger dann noch längere zeit, als die Gemeinde Polle sich längst eine Kirche erbaut hatte, die ein Filial von Brevörde war. Im 17. Jahrhunderte war der Umstand, daß einer der Prediger des Polleschen Amtmanns Tochter zur Frau hatte, die Veranlassung, daß der Pastor seinen Wohnsitz in Polle nahm; die damals zu der Pfarre gehörenden circa 150 Morgen Länderei wurden einigen Bauern im Dorfe gegen einen sehr geringen Kornzins, der etwa 1/5 des Pachtwerths betragen mag, als Meierland eingethan. Das Patronatrecht der Pfarre, das jetzt zwischen dem k. hannoverschen Consistorio und dem Fürsten von Waldeck alternirt, kann früher niemand anders als die Grafen von Everstein gehabt haben, da eine Dotation der Pfarre mit so bedeutenden Grundbesitz nur von ihnen geschehen sein kann, auch scheint es ziemlich deutlich daraus hervorzugehen, daß die Erlaubniß zur Anlegung eines Hofplatzes mit einem Gebäude auf dem Brevörder Kirchhofe von dem Grafen von Everstein ertheilt werden mußte.   

 

 1) Es wird erzählt, daß auch mehrere Ortschaften der jetzigen Grafschaft Pyrmont zu Brevörde eingepfarrt gewesen, was jedoch durch die Thatsache, daß einige Dörfer nach Lügde, einige nach Haddenhausen bei Ottenstein zur Kirche gegangen sind, bis für Östorf im 11. Jahrhundert eine eigene Pfarrkirche errichtet wurde und nach einer Urkunde von 1263 auch in Nedersen (Neersen) ein Pfarrer angestellt war, widerlegt wird.

 

Herr von Spilcker meint, es könne das Patronatrecht der Brevörder Pfarre wohl mit Ottenstein an Pyrmont gekommen sein; viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß es die Grafen von Pyrmont an sich zu bringen gewusst, als sie vom Jahre 1448 an halb Polle nebst Zubehör in Pfandbesitz hatten, denn wir sehen, daß mehrere Pfandinhaber des Schlosses sehr bald Güter in und bei Polle zu erwerben wußten, so die Kannen, die Oeynhausen, die Wreden. Die Kirche ist 1767 bis 1772 neu gebaut, der ursprüngliche Thurm ist erhalten. In Brevörde war auch ein Rittersitz. In der Urkunde des Grafen Hermann von Everstein von 1263 erscheint Lodewicus de Bredenvorde, als Zeuge, und daß diese Familie zum Adel gehört, geht daraus hervor, daß ein Glied derselben, Johannes de Bredenvorde in einer Urkunde von 1313 famulus genannt wird, denn bei der Adelzunft konnte nur als Knappe gelten, dessen adelige Geburt unbestritten war. Da, wo der adelige Hof sonst war, ist jetzt ein Bauernhof. – Das Kloster Amelungsborn hatte, wie wir bereits angeführt haben, in Brevörde viele Güter, Zehnten, Grundstücke und Häuser unter dem Titel von Vermächtnissen, oder durch Kauf, natürlich um billigen Preis, erworben, und daher rührt es, daß noch jetzt einige Meier des Orts von der Domainen-Cammer zu Braunschweig releviren. Auch der Erzbischof von Mainz erhielt von den Eversteinern 6 Hufen Land in Brevörde zu Lehn aufgetragen, zum Ersatz dafür, daß er dem Kloster Amelungsborn einen Zehnten in Holdesse gegeben hatte, und auf diese Weise bekam der Bischof von Minden zwei Hufen im Dorfe. – Brevörde ist seit 1724 durch 16 angebaute Feuerstellen vergrößert worden.

 

Die wüste Bodenburg

auch Bomburg, Bomenburg, daher vielleicht ursprünglich Bomeneburg genannt. Ihr Platz ist bei Brevörde über den Kalkbrüchen auf einem Berge, der nach dem Dorfe zu einen sehr steilen Abhange hat. Daß hier eine Burg gewesen, ist gewiß; man erkennt noch Spuren vom ehemaligen Burggraben, der nach mündlichen Nachrichten aus einer Quelle des damit zusammenhängenden Birkenberges mit Wasser versorgt worden wäre; auch hat man vor vielen Jahren noch Trümmer von Mauerwerk entdeckt; es sind noch in neuerer Zeit Einsenkungen des Bodens an verschiedenen Stellen vorgekommen, die nur von dem Einsturze alter unterirdischer Gewölbe herrühren konnten; man hat auch Bruchstücke von Schwertern und Rüstungen gefunden. Wem gehörte die Burg und wer bewohnte sie? Das Volk hält sie für ein Eversteinsches Schloß, allein in diesem Falle dürfte man wohl erwarten, daß sie in den zahlreichen Eversteinschen Urkunden einmal genannt würde, wonach man aber vergebens sucht. Alles deutet an, daß das Dasein der Burg in eine uralte Zeit fällt, aus welcher außer den kaiserlichen Diplomen fast gar keine Urkunden bekannt sind. Es drängt sich die Vermuthung auf, daß hier eine Sachsenburg war, ganz geeignet, wie die Brunsburg, den Franken den Besitz der Weser, der besonders wegen der bequemen Furt an dieser Stelle wichtig war, streitig zu machen. Auch hat die Annahme etwas für sich, daß einst eine Verbindung der Burg mit den Grafen von Northeim und Bomeneburg, von denen wahrscheinlich die Eversteiner durch einen weiblichen Sprößling abstammten, 1) statt gefunden habe. Die Besitzungen dieses mächtigen Geschlechts erstreckten sich bis in die hiesige Gegend 2), und die Stiftung des nahen Amelungsborn durch diese Familie theils auf Eversteinschen theils auf Homburgischen Territorio ist gewiß nicht ohne Bedeutung.

 

 1) s. Spilcker a. a. O. Bd. 1. S. 207.
 2) Wigand a. a. O. Abth. 2. S. 48 und 50 nach den von Kindlinger mitgetheilten Urkunden.

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Es sprechen einige Gründe dafür, daß in der Nähe ein heiliger Hain war, wo die alten Sachsen ihren Wodan verehrten. 3) Die am Fuße des Berges gebaute Kirche zu Brevörde ist sehr alt, gewiß die älteste Kirche der ganzen Gegend, was außer urkundlichen Nachrichten besonders die uralte Bauart des Thurms beweist; nach der Einführung des Christenthums bauete man aber die Kirchen gern an die Stelle der alten Haine. 4) Den religiösen Glauben der alten Deutschen charakterisirt das Auftreten der Riesen, Zwerge, Elfen und Elementargeister, die der Aberglaube des christlichen Mittelalters dann oft in Teufel und Heren verwandelt. 5) In dieser Gegend nun lässt die Sage die Riesen und Zwerge eine große Rolle spielen;  hier hauste

 

 3) Ob auch der Namen eines Feldreviers „vor dem Hainholze“ der Erinnerung daran seinen Ursprung verdankt?
 4) S. Jacob Grimm, deutsche Rechtsalterthümer S. 805. So erzählt auch Möser a. a. O. Th. 1, S. 314,
es habe Wittekind nach empfangener Taufe den Rest seiner Tage in Ruhe zugebracht und Kirchen da erbaut, wo vorhin Götzen wären verehr worden.
 5) S. deutsche Mythologie von Jacob Grimm.

 

ein Riese, gigantischer als der Koloß zu Rhodos, er steht mit dem Fuße auf diesem Berge, den andern setzt er auf den wohl eine halbe Stunde entlegenen Berg am jenseitigen Weserufer und so schöpft er, um sich zu waschen, mit der Hand aus dem Strome, der unter seinen ausgebreiteten Beinen wegfließt; 6) der Teufel weilt hier und ist in der Gestalt eines schwarzen Hundes mit glühenden Augen zwischen hier und Polle oft gesehen worden. – Der erste Namen der Burg mag dann „Wodenburg“ gewesen sein, woraus nachher durch eine ungenaue Auffassung Bodenburg geworden ist. 7)

 

 6) Ein von mir verehrter Geschichtsforscher deutet die obige Sage darauf, daß in einer grauen Vorzeit Ebbe und Fluth bis in die hiesige Gegend getreten sei. Daß die Meereswogen früher einen Theil des nahen Amts Grohnde berührt haben, wird an einem andern Orte gezeigt werden.
 7) So heißt ein dem Wodan geweiht gewesener Berg in Hessen „der Wodensberg.“ Jac. Grimm deutsche  Rechtsalterthümer S. 801.

 

 

Die Wüstung Geverdeshagen,

in alten Amtsacten Gebershagen, sonst auch Gebhardtshagen oder Giboldeshagen genannt. Dieses untergegangene Dorf lag westlich ganz in der Nähe von Bodenburg. Jetzt ist hier Länderei. Eine adelige Familie von Halle, dann die von Bevern und nach deren Aussterben 8) die von Münchhausen, letztere noch im Jahre 1582, wurden mit dem „Dorpp to dem Gheverdeshagen“ belehnt; es gehörte dazu die Länderei auf dem Bodenburg, welche von den Lehnsträgern an Brevördesche Bauern als Heuerland ausgethan worden ist. Man muß daraus nicht folgern wollen, Daß im Jahre 1582 das Dorf noch vorhanden gewesen; 1) viele Beispiele zeigen, daß die neuen Lehnbriefe immer nach dem Inhalte der frühern ausgestellt und daß darin häufig Güter aufgeführt wurden, von denen niemand mit Gwißheit mehr anzugeben wusste. Wo sie belegen waren.

8) Die Tradition berichtet über das Aussterben der Bevernschen Familie: Es habe der letzte des Ge-schlechts zwar mit deiner Frau 16 Kinder gezeugt, diese seien aber sämmtlich, die meisten in den Win-deln, die übrigen doch in ihren jungen Jahren dahin gestorben; eine lose Hexe, die zu Wolfenbüttel verbrannt worden, habe im peinlichen Verhöre bekannt, daß sie den Tod jener Kinder durch Zauberei bewirkt habe. Diese Erzählung, die einer geschriebenen Nachricht aus dem Anfange des 17. Jahrhundert entnommen ist, fand damals noch viel gläubige Seelen.

 1) Dieses Dorf wie die übrigen wüsten Ortschaften des Amts Polle sind nicht, wie manche glauben, im
dreißigjährigen Kriege zerstört worden. In den Lagerbüchern des Amts aus dieser Zeit weren weiter keine bewohnten Ortschaften genannt als die jetzigen Dörfer und Höfe. Wie wir gesehen haben, ist
jener Untergang frühern Kriegen zuzuschreiben, sei es nun, daß deßhalb die Wohnungen zusammengelegt wurden, oder daß sie eine völlige Zerstörung erlitten hatten und daß man theils wegen Undankbarkeit des Bodens nicht für rathsam fand, sie an der bisherigen Stelle wieder aufzubauen. Zum geringern Theile waren es die Raubzüge der Ungarn, zum größten Theile war es der Kampf gegen die Welfen im 12. und 13. Jahrhunderte und endlich die Fehde gegen den letzten Everstein im Jahre 1407, elche die Desolation herbeiführten.

 

Die Lumbornsmühle.

Sie war früher in Brevörde und wird damals in Acten der Amtsregistratur eine Klippmühle genannt. Im Jahre 1765 ward sie in die Glesse verlegt.

 

Das Dorf Meiborßen.

Nach einem alten Mindenschen Lehnsverzeichnisse hatte der edle Herr zu Homburg einen Zehnten in „meboldessen.“ Dies dürfen wir für Meiborßen nehmen, da jenes Verzeichniß in einer Linie fort die benachbarten Örter Breckeln und Hehlen nennt. Doch fehlen alle Nachrichten, welche das Alter des Orts Auskunft geben könnten, auch kömmt es in Urkunden nicht vor. Seit 1724 ist es um neun Feuerstellen vergrößert worden.

 

Die Hünchermühle.

Mündlicher Überlieferung zufolge gehörte dieselbe zu einem Gute der Familie von Hünch, die im Dorfe Vahlbruch ihren Sitz hatte. Im dreißigjährigen Kriege erlitt diese Mühle eine gänzliche Verwüstung von feindlichen Streifcorps, sogar der Teich war durchstochen worden.

 

Das Dorf Vahlbruch.

Nebst Heinsen der älteste Ort im Amte, denn Kaiser Conrad II. schenkt im Jahre 1031 Güter in demselben dem Bischof Meinwerk in Paderborn. In der betreffenden Urkunde heißt es Valabroch. Nachher wird es nicht weiter genannt als unter den Ortschaften, welche zum Ohsenschen Archidiaconate in der bischhöflichen Diöcese Minden gehörten. Desto häufiger aber wird die adelige Familie genannt, welche hier ihren Sitz hatte und die sich de Valabroch, Valebrock, Valebroke, Valenbrok, Valenbruke schrieb. Burchadus de Valebrok Ritter (miles) kömmt sehr oft in den Eversteinschen Urkunden als Zeuge vor, namentlich 1259, 1263, 2) 1279, 1285, 1287, 1291. Wann diese Familie ausgestorben ist, kann nicht angegeben werden.

 

 2) Durch diese Urkunde wurde vom Grafen von Everstein dem Kloster Falkenhagen Güter gegeben, weil dasselbe auf seine Bitte Hedwig, die Tochter seines Knechts Ludolf, aufnahm. Wir sehen daraus, daß die Klöster nicht immer ihre Güter aus dem Grunde erwarben, weil der bigotte Sinn und der Aberglaube der Laien wähnte, durch solche Vermächtnisse die Seligkeit in der andern Welt zu verdienen und dem Fegefeuer zu entgehen, sonder auch als Äquivalent für eine gewährte Versorgung. So bezeugt eine Eversteinsche Urkunde de 1303, daß einer von Ellersen dem Kloster Amelungsborn 1 Hufe Land gegeben habe, gegen die Verbindlichkeit, ihm lebenslänglich mit Kost und Kleidung zu versorgen.  

 

Nachher soll das Gut an eine Familie von Hünch gekommen sein. Beim Dorfe ist „der Burghof,“ wo man vor hundert und mehreren Jahren Überbleibsel von einer Küche in der Erde entdeckt hat, so groß, daß er 7 Bauernhäuser mit Länderei umfaßt; dabei der Brunnenkamp, auf dem noch jetzt deutlich wahrzunehmen ist, daß hier ehemals ein großer Brunnen gewesen; dabei Hünchhausen, ein großes Feld, wo auch vor längerer Zeit bedeutende Gemäuer in der Erde gefunden sind; nach der Lippischen Seite ist der Hünchergrund, eine Wiesenflur, auf der man vor kaum 20 Jahren noch Rudera von Gebäuden weggeschafft hat, die nach mündlicher Tradition einem hier belegen gewesenen Vorwerke von Hünchhausen angehörten. Der hier durchfließende Bach treibt die Hünchermühle, jetzt eine herrschaftliche Erbenzinsmühle. Die Familie ist vor dem 17. Jahrhunderte bereits ausgestorben, das Kirchenbuch weist in dieser Zeit keine Spur mehr von ihr nach. Der im 17. Jahrhunderte in Polle gestandene Amtmann Ludewig muß in einer Verbindung mit diesem Gute gestanden haben, obgleich nicht nachzuweisen ist, in welcher, denn noch im Jahre 1715 hatte die Ludewigsche Familie ihr Erbbegräbniß in der Kirche zu Vahlbruch. Ein Theil der gedachten Güter bildet jetzt einen Bauerhof; das vor etwa 30 Jahren auf diesem Hofe abgerissene Wohnhaus ist von der Bauart der Bauern ganz verschieden gewesen, hat einen großen Saal, eine Schreiberstube u. s. w. gehabt. Man erzählt, das Gut sei eine Zeit lang durch einen Schreiber verwaltet und deßhalb heißt der Hof noch jetzt „Schriwers Hof.“ Wahrschein-lich hat die Landesherrschaft das Gut nach dem Heimfall durch einen committirten Beamten administriren lassen, bis sie die Grundstücke getheilt und den Bauern eingethan, die adeligen Vorrechte aber eingezogen hat. – In der Geschichte des Dorfes ist besonders ein im Jahr 1802 eingetretener Hagelschlag erwähnenswerth. Die Acten der Amtsregistratur enthalten den amtliche Befund der angerichteten Verwüstung. Der bereits erwähnte und in Haufen aufgestellte Rocken war vom Hagel völlig ausgedroschen, die Sommerfrucht in die Erde gepeitscht, alles zerquetscht, zerschlagen, mit Schlamm bedeckt, so daß das Feld überall einem Stoppelfelde glich. Höchstens 1/9 von dem ganzen Fruchtsegen mochte übrig geblieben sein. Wären die Einwohner nicht mit so vieler Humanität von der Regierung unterstützt, hätte sie nicht bedeutende Geschenke an Geld und Getreide ihnen zufließen und Brot- und Saatkorn zu herabgesetzten Preisen von den herrschaftlichen Zinskornböden verabfolgen lassen, hätte sie nicht zinsfreie Vorschüsse und ansehnliche Remissionen an Abgaben bewilligt, so würde eine Hungersnoth unausbleiblich gewesen sein.  In einem Zeitraume von 15 Jahren war Vahlbruch nun zum dritten Male von einem schweren Hagelwetter heimgesucht worden. Die Gemeinde fand sich daher bewogen, damit die Demüthigung unter die gewaltige Hand Gottes beleibend werde, als kirchlichen Gedenktag einen jährlichen Buß- und Bettag auf ewige Zeiten festzusetzen. – Die Zahl der Feuerstellen hat sich seit 1724 um 19 Anbauer vermehrt. – Dem Namen des Orts, zusammengesetzt aus Valen und Brok, liegt ein geschichtlicher Umstand zu Grunde. Brok, Bruch ist bekanntlich eine sumpfige Gegend, mit Gehölz bewachsen, doch heißt sie auch so, wenn sie urbar gemacht ist. Vagen, Fallen, Walen sollen in der alten Sachsensprache im 3. und 4. Jahrhundert, als die deutschen Völkerschaften ihre Wohnsitze änderten, die herumziehenden, wallenden Sachen genannt worden sein. 1) Valenbroke deutete demnach an, daß hier wandernde Sachsen sich niederließen, an einer sumpfigen Stelle einen festen Wohnsitz baueten; da dieses indeß von mehreren Dörfern gesagt werden könnte, so berechtigt der Umstand, daß man gerade dieses Dorf davon benann- 

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 1) S. hann. Magaz. Vom Jahre 1753. St. 76.

 

te, zu der Annahme, es müsse dies wohl der erste Ort sein, den die Sachsen in dieser Gegend baueten. Eine andere Annahme hat jedoch mehr für sich. Man nannte nämlich in jener Zeit, wo die Sachsen in Westfalen, Ostfalen und Engern unterschieden wurden, die Ostfalen schlechthin auch Falen. 1) Zwar wird ihr Landstrich gewöhnlich so bestimmt, daß von der einen Seite das rechte Weserufer, von der andern das linke Elbufer ihn begrenzte, doch ist damit die Scheidung nur in grobem Umrisse oder vielmehr als allgemeine Regel angegeben, und es ist wohl gewiß, daß am linken Ufer der Weser unterhalb Heinsen bis Hameln keine West-, sonder Ostfalen wohnten. Der Dialect, die Kleidung der Einwohner u- d. m. erscheinen dafür als hinreichende Beweise. 2) Valenbroke könnte also dasjenige Bruch bedeuten, was hier die Grenze der Ostfalen machte und dem man vorzugsweise deßhalb diesen Namen gab, weil hier nicht, wie anderwärts, die Weser als Scheidung galt. 3) Ein Hügelzug von Vahlbruch bis Ottenstein heißt in den ältesten Acten wie im Munde des Volks der Vall oder Bal.

 

Nicht weit von Vahlbruch ist die sogenannte Zwergkuhle, welche die Sage für eine ehemalige Behausung der Zwerge ausgiebt, deren Wanderungszüge einst zu Brevörde die Weser passirt hätten. Es sollen hier mehrere mit Ziegelsteinen ausgemauerte Gänge gewesen sein, von denen, wie alte Leute erzählen, vor nicht langer Zeit noch Überbleibsel gefunden wären.4)

 

 1) S. hann. Magaz. Vom Jahre 1753. St. 76.
 2) Der Dialect der Heinser Einwohner hat manche Eigenheiten, wodurch sie als Westfalen von den Be-  wohnern der andern Amtsortschaften unterscheiden. So z. B. die Trennung des sch in s-ch, Fis-che,   Gros-chen; die Verwandlung der Diphthongen ei in o-i, Wo-in statt Wein, O-id statt Eid.
 3) Der Einsender theilt diese Combinationen hier mit, um vielleicht Ideen und weitere Forschungen
dadurch anzuregen.
 4) Eine Notiz in einem sehr alten Hefte geschriebener Collectaneen bezeichnet solche Höhlen als die Schlupfwinkel der Einwohner zu der Zeit, wo vor den wilden Ungarn, welche hier immer die Hühnen   genannt werden, sich Alles flüchtete im 10. Jahrhunderte. Diese Nachricht, auf die wir zwar eine An-  sicht nicht bauen, sondern hier nur gelegentlich mittheilen wollen, lautet: „Es ist damals dermaßen  eine Furcht und Schrecken unter die Leute gekommen, daß sie nicht gewußt, wo sie in der Welt blei
ben sollen; wer daher hat laufen und fliehen können, hat sich davon gemacht. Man hat sich auf die Moräste, in die Wildnissen, Gebirge und in die Steinklüften verborgen, denn man mehr vor den Hünen als vor dem Teufel sich gefürchtet. Man hat Schlupflöcher und Höhlen ausgegraben und in die Steinfelsen ausgehauen, sich darinnen zu salviren und das Seine zu verbegen, so jetzo Zwerglöcher nicht darum genennet werden, als wenn Zwerge darin gewohnt hätten oder darunter vergraben gelegen, sondern daß vor den Hünen und gleichsam wie Mäuse oder Zwerge darinnen verborgen gehabt.“

 

Nach dem nördlichen Theile des Amts uns nun wendend, erwähnen wir beiläufig einer über der Steinmühle am Berge hart an der hannoverschen Grenze auf braunschweigschen Territorio befindlichen Wüstung Bergdorf, Bargdorpp. In Eversteinschen Urkunden von 1263 und 1291, welche Güter in hiesiger Gegend betreffen, ist ein „plebus in Collibus“ als Zeuge aufgeführt; wahrscheinlich war er der Pfarrer in Bergdorf, der so diesen gemeinklingenden Namen ins Lateinische übertrug. 5) Trümmer der Kirche dieses Dorfs sind noch in neuerer Zeit zu sehen gewesen.

 

 5) Dieses Latinistren der deutschen Eigennamen kommt im 13. Jahrhundert, wo man noch die Urkunden in lateinischer Sprache abfaßte, häufig vor. So machten es mehrere Adelige dieser Gegend mit ihren Geschlechtsnamen, u. a.  Bock, Hake, von Hagen, von Werder, von der Möhlen, die sich hircus, uncus, de indagine, de insula, de moledino schrieben.

 

Die Steinmühle.

Diese Mühle, die so in den Stein hineingebaut ist, daß sie ganz mit den Felsen verwachsen zu sein scheint – auch Teufelsmühle genannt – wäre der Sage nach schon zur Zeit der Kreuzzüge vorhanden gewesen. Urkundlich kommt sie zuerst im Jahre 1308 vor. In diesem Jahre übertrug Graf Otto von Everstein dieselbe (lapideum molendinum quod vulgariter dicitur steinmole) dem Kloster Amelungsborn mit der Bestimmung, daß aus ihr Namens seiner die gewöhnliche jährliche Lieferung (annuum servitium) dem Kloster entrichtet werden solle. Das ist denn auch der Grund, daß diese Mühle, obgleich unter Jurisdiction des königlichen Amts Polle gelegen, doch Eigenthum des herzoglich braunschweigschen Domanii ist.

 

Das Dorf Pegestorf.

Der im Jahre 1071 verstorbene Sarracho, Abt von Corvey, führt den Ort unter dem Namen Perderestorpe bereits auf. 1) Im Jahre 1319 verkaufte urkundlich der Graf Ludwig von Everstein sein Fischwehr in der Weser zu Perdestorp nebst einer area, Dochtwort genannt 2) im Dorfe an Ernst Hake, Ritter, und Andere. Aus dieser Erwerbung schreibt sich wohl der Besitz der Insel bei Pegestorf, welcher dem Herrn v. Hake zusteht. Begütert waren außerdem hier mehrere Adelige, namentlich ein Ritter Friedr. Scultetus in Bodenwerder, 3) die von der Wense daselbst, die von Halle und nach ihnen die von Bevern und von Münchhausen, auch die von Stockhausen. In Lehnbriefen von 1487 steht noch Perdestorppe, in solchen von 1634 Pegesdorff. Es gab auch eine Familie de Perdestorp, welche das Bürgerrecht in Holzminden besaß, als sie im Jahre 1285 bei der Ausstellung einer Eversteinschen Urkunde gegenwärtig war. – Die frühern kirchlichen Verhältnisse des Dorfs sind unbekannt und so weiß man auch nicht, wann und wie die hiesige Kirche, die im Jahre 1744 neu gebaut worden, als mat. Comb. Mit der braunschweigschen Pfarre Hohe vereinigt worden ist. Wahrscheinlich war das Dorf in den frühesten Zeiten zu Langenkamp eingepfarrt. Seit 1724 ist es durch 11 Feuerstellen vergrößert worden.

 

 1) s. Reg. Sarrach. Nr. 128. 400.
 2) Eine area bedeutet bekanntlich einen Hofplatz ohne Gebäude. So wird’s nicht nur in den alten Schriftstellern, sondern auch in den Urkunden des Mittelalters verstanden. Worth oder Wurth bezeichnet dasselbe, allenfalls mit dem Nebenbegriff eines erhöhten Platzes, nach Möser (Osnabr. Geschichte Th. 1.
S. 7) mit der Berechtigung zur Weide oder zum Walde. Vgl. Baring, Beschreibung der Lauensteinschen Saale S. 145 und 146. Spilcker a. a. O. Bd. 1. S. 61. und Urkunde de 1306 stehen oben bei Brevörde.
 3) Dieser Scultetus wird wenigstens in einem alten  Corveyschen Lehnregister mit Lehngütern in Pegestorf aufgeführt. Wahrscheinlich waren es dieselben Güter, welche nachher die v. d. Wense besaßen.

 

Die Wüstung Buhe.

  

Dies verlassene Dorf ist zwischen Hohe und Pegestorf in einer tiefen Einbiegung auf dem hochgelegenen Felde da, wo dasselbe durch einen schmalen Strich Waldung vom Feldberge getrennt wird, zu suchen. das dasige Feldrevier heißt in einer Grenzregulirung von 1558 wie in den alten Vermessungskarten „in der Buhe,“ auch wohl „Buge.“ Der Namen Buge ist von der Lage des Orts auf einer Einbiegung des Bodens hergenommen: Bug, Beuge bedeutet noch jetzt eine gebogene Fläche; auch Bucht gehört dahin. Die Familie v. Bevern und nach ihr die v. Münchhausen war mit dem Dorfe Buhe belehnt und daher die letztere noch Gefälle von der daselbst belegenen Länderei, welche jetzt Pegestorfer und Hoheschen Bauern gehörig, woraus hervorgeht, daß bei Verwüstung des Dorfs ein Theil der Einwohner nach Pegestorf, ein anderer Theil nach Hohe gegangen ist. Die daran stoßende Waldung besaßen die von Frencke.

Die Wüstung Langenkampe und die zerstörte Luthersburg.

Die Ortschaft Langenkampe lag zwischen Pegestorf und Bodenwerder unweit der Weser. Ihr Dasein wird durch eine Urkunde vom Jahre 1339 außer Zweifel gesetzt. In dieser Urkunde überlassen die Edlen von Homburg ihrer Stadt Bodenwerder das Vogteirecht auf den Grundstücken am Hopfenberge von der Villa Langenkampe bis an das Kloster Kemnade. 1) Langenkampe war ein Dorf mit einer Kirche, denn ein Revier der Länderei an diesem Orte heißt „auf den Kirchhöfen.“ Da keine Spur in Urkunden oder sonst vorhanden ist, wonach man das benachbarte Pegestorf in damaliger Zeit für ein Pfarrdorf halten könnte, sie ist wahrscheinlich, daß dieses Dorf zu Langenkampe eingepfarrt gewesen ist. Die Benennung villa in der betreffenden Urkunde ist der Annahme, daß Langenkampe ein ansehnliches Dorf war, nicht entgegen. 2) Durch welche Fehde etwa oder ob durch ein Naturereigniß der Ort verwüstet worden, ist gänzlich unbekannt. Eine totale Zerstörung muß die Einwohner bewogen habe, das Dorf zu verlassen, denn hier ist der Boden nicht undankbar, und wo gesegnete Fluren sind, da baut der Landmann seine im Kriege verwüsteten Wohnungen wieder auf. Alle im Amtsbezirke bisher angegebenen Wüstungen liegen da, wo der Boden steril und dürre ist. 3) Wahrscheinlich sind die Einwohner nach Bodenwerder gezogen, denn wir finden später viele Bürger dieser Stadt im Besitz der dortigen Grundstücke, die zum Theil Hägergüter waren.

 

 1) Da unsers Wissens diese Urkunde, die im Archive der Stadt Bodenwerder aufbewahrt wird, noch nirgends abgedruckt ist, so theilen wir dieselbe in einer Beilage mit.
 2) Wenn gleich in der ältesten Zeit unter villa gewöhnlich ein Landgut, ein einzelner Hof – in der Regel
der Haupthof, indem man für die kleinen Höfe die Benennung villula gebrauchte – verstanden wurde, so ist dagegen gewiß, daß später. Als durch Näherrücken der Nebenhöfe zu dem Haupthofe, überhaupt durch Vereinigung der Höfe sich Dörfer bildeten, auch das Ganze den Namen villa behielt; es erhellt aus zahlreichen Urkunden, daß im 13. und 14. Jahrhunderte die Dörfer fast immer ville, höchst selten pagi genannt wurde. Auch der zur Stadt angewachsene Ort, wenn er noch offen war, hieß villa, wie das u. a. eine Urkunde de 1104 (vgl. Wigand a. a. O. S. 239) von Höxter zeigt, und Northeim, das im Jahre 1265 Stadtrechte bekam, wird 1241 noch villa genannt.
 3) Auch der Herr von Mengershausen hat bei einer bereits erwähnten ähnlichen Arbeit über das Amt
Friedland-Brackenberg (Vaterl. Archiv 1833 S. 80) die Bemerkung gemacht, daß die meisten Wüstungen auf unfruchtbaren Plätzen zu suchen seien.

 

Diese Hägermänner heißen in alten Documenten „Erben des Langenkamps,“ ein dortige bedeutendes Revier heißt „der Bodenwerderschen Erben.“ Auch Sagen deuten auf jene Übersiedelung hin. Der Fährmann hat einst einige Wanderer von hier auf das jenseitige Weserufer hinübergesetzt. Eilfertig rudert er zurück, um noch andere überzuschiffen. Wie erstaunt er, als er jetzt nach dem Felde sieht, wohin die ersten gegangen sind! Die ganze Flur ist voll Einwanderer, Kopf an Kopf stehen sie, so daß er fürchten muß, keinen Platz zu finden, wo er seine Ladung aussetzen soll. – Erwägt man nun neben der Annahme, daß mit der nach Bodenwerder übersiedelten Langenkamper Gemeinde die Pegestorfer bisher kirchlich vereinigt war, noch die hier vorhandene Überlieferung, daß einst der Bodenwerdersche Pfarrer die Kirchengeschäfte auf dem Filial Pegestorf zu versehen gehabt habe, so sieht man, wie beide Nachrichten sich gegenseitig stützen und erklären.

 

An diese Gegend schließt sich die Luthersgrund, genannt nach einer am Abhange des Hopfenberges belegen gewesenen Burg „die Luthersburg.“ Von dieser giebt nur die Tradition einige Kunde, sie zeigt die Stelle, wo das Schloß gestanden, wo der Brunnen gewesen, das ist Alles. Das Wirken und Walten, sogar der Namen des Geschlechts, das hier einst blühte, ist spurlos verschwunden. Sagen, die manche Begebenheit der grauen Vorzeit umhüllen, sind hier sehr zweifelhaft und lassen die mannichfaltigsten Deutungen zu.

 

Hier sind wir am nördlichsten Puncte des Amts Polle angekommen. Am Hopfenberge ist die Grenze gegen die Stadt Bodenwerder; die Jurisdictions-Grenzlinie sieht noch einer Regulierung entgegen.

Bodenwerder.

 H. Meyer.

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