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Krüge und Schenken im alten Amt Polle
Wohl zu keiner Zeit nahm das Gaststätten- und Beherbergungswesen einen solchen Umfang an und entfaltete sich zu solcher Blüte wie gegenwärtig im Zeichen einer sich immer mehr steigernden Reiselust und Motorisierung der Massen. An Autobahnen und Bundesstraßen, in Heilbädern und Luftkurorten, an der See und im Gebirge, - überall entstehen Jahr für Jahr immer neue „Lokale“ mit mehr oder weniger klangreichen und anspruchsvollen Namen. Da gibt es Hotels und Motels, Restaurants und Cafes, Bars und Trinkstuben, Imbiss- und Spielhallen, Eis- und Tanzdielen, Kurhäuser und Pensionen. Die Reihe ließe sich noch fortsetzen. Hier sind es Gaststätten mit ehrwürdiger Tradition und gutem Ruf, die Wert auf eine treue Stammkundschaft legen; dort sind es Raststätten, die von den Reisenden nur zu flüchtigem Aufenthalt aufgesucht werden.
Früher war es nicht so leicht wie heute, einen Krug zu eröffnen oder einen Schank- und Herbergsbetrieb zu errichten. Man bedurfte eines fürstlichen Privilegs. Die Verleihung einer so genannten „Kruggerechtigkeit“ oder „Krugnahrung“ war in den meisten Fällen ein Akt landesfürstlicher Gnade und setzte ein Verdienst, das man sich um den Staat erworben hatte, voraus. So nimmt es denn kein Wunder, dass Krüge und Schenken in alter Zeit invaliden Soldaten und bewährten Beamten in Ermanglung einer Staatspension zum Erwerb des Lebensunterhaltes übertragen wurden.
Inhaber des Poller Kruges, der von altersher der „Huxorische Krug“, d. h. der „Höxtersche Krug“, genannt wurde, war nach einem Register des Jahres 1605 „Henrich von der Schlüsselburg, sonst Drebber genannt, Forstknecht zu Polla“. Dieser Henrich Drebber, der vermutlich ein Bruder des derzeitigen Poller Amtmannes Johann Drebber war, bezog also gleichzeitig Einkünfte aus seiner Stellung als Amtsdiener und Krüger. Den Krug zu Brevörde bewirtschaftete 1606 der ehemalige „Fähnrich der Fürstlichen Leibgarde zu Wolfenbüttel. Johann Düfel“. Auch Heinrich Heinemann, der Heinser Krüger, war „Corporal“ gewesen, ehe ihm Herzog Christian Ludwig die Kruggerechtigkeit verlieh, und zwar nicht nur ihm, sondern auch seinen Kindern und Kindeskindern. Die Krüge waren also in den meisten Fällen “Erbenzinskrüge“. Der Zins bestand in einer festgesetzten Abgabe, deren Höhe sich nach den zu erwartenden Einkünften richtete.
Neben den „Krügen“ bestanden die „Schenken“, in denen in der Regel nur Branntwein zum Ausschank gelangte. Zuweilen versuchten ihre Inhaber, die Schenken in Krüge auf Erbzins umwandeln zu lassen. 1814 stellte der Brinksitzer und Corporal Christian Moritz Godelmann zu Heinsen den Antrag, aus seiner „Branntweinsellung“ die er schon 20 Jahre gegen Zahlung eines Pachtgeldes von drei Talern drei Mariengroschen betrieb, eine zweite Krugnahrung für Heinsen machen zu dürfen. Die inständige Bitte, die mit den Worten „... ich ersterbe in tiefster Erniedrigung, Euer Excellenzen und Hochwohlgeboren untertänigster Diener....“ schloss, wurde abgelehnt.
Das Gesuch des Krügers Justus Hundertmark zu Vahlbruch um Umwandlung seiner bisherigen Pacht in Erbzins verfiel 1822 ebenfalls der Ablehnung durch die Landesbehörde. Dagegen erhielt der Strumpfhändler Justus Stuckenberg zu Meyborsen auf seinen Antrag vom 20. Dezember 1818 die Genehmigung zur Errichtung eines Kruges, wodurch die Einkünfte des Vahlbrucher Krügers nach dessen Angaben stark geschmälert wurden. Den Brevörder Krug hatte um das Jahr 1800 Heinrich Lindemann in Pacht. Lindemann hatte 32 Jahre im 8. Kurhannoverschen Kavallerie-Regiment „treu gedient“. An anderer Stelle wird er als „hannoverscher Dragoner-Pensionair“ bezeichnet. Als er 1812 starb, überließ man den Krug zunächst seiner Witwe danach übertrug man ihn seinem Sohn Conrad. Um 1820 bewarb sich der Kleinkötner Friedrich Bolte zu Brevörde um die Bewilligung einer Schankkonzession. Mit der Begründung, dass für die kleine Gemeinde mit ihren 73 Feuerstellen eine Krugnahrung vollauf genüge, die Brevörder auch durchaus keine Krugsitzer seien, sondern vielmehr ihren Ackerbau betrieben, wurde Bolte abgewiesen. Aus seinem Bittgesuch ging hervor, dass er Vater von sechs Kindern war und sich sieben Jahre hindurch bei dem Hofrat Stieglitz in Hannover als Kutscher verdingte, um seine Familie vor der ärgsten Not zu schützen. Zu seiner Stelle gehörten nur zwei Morgen schlechtes Ackerland. Sein Haus lag „am Wege“ und ließ sich daher nach seiner Auffassung gut als Schenke einrichten. Das Amt war anderer Meinung und empfahl ihm, auf Taglohn zu gehen. Weitere Versuche der Brevörder Vorsteher Christian Rakemann und Wilhelm Hennies zur Errichtung einer zweiten Gaststätte schlugen ebenfalls fehl. Sie hatten in ihrem Antrage behauptet, Lindemann nähme nach Einbruch der Dunkelheit keine fremden Gäste mehr auf, diese fielen daher anderen Einwohnern zur Last.
Die strittige Angelegenheit fand schließlich dadurch eine glückliche Lösung, dass Bolte 1825 die Lindemannsche Krugwirtschaft übernahm und Conrad Lindemann die bisher von Christian Grimme betriebene Branntweinsellerei erhielt. Beide Parteien waren mit dem Ausgleich einverstanden. Unter dem Hinweis auf seine frühere Tätigkeit als Kutscher und Diener wurde Bolte sogar nachgerühmt, dass er eine größere Lust für den Wirtschaftsbetrieb und besonders für die Unterhaltung der Reisenden habe als Lindemann, dieser hingegen mehr Liebe zur Tischlerei und zu Rechnungsgeschäften zeige,
Inhaber des herrschaftlichen Kruges zu Polle war seit etwa 1800 Friedrich Wilhelm Zumpe. Seine Vorgänger waren die Krüger Bierstedt und Hofmeister. Die Pacht, die bei seinem Pachtantritt 15 Taler betrug, war während der französischen Besatzungszeit (1803 – 1813) auf 25 Taler gestiegen. Da Zumpe sich weigerte, diesen hohen Pachtzins weiter zu entrichten, ordnete das Amt eine meistbietende Versteigerung an. Zum ersten Termin am 14. Mai 1816 waren außer Zumpe noch die beiden Poller Einwohner Kloß und Oppermann erschienen. Sie waren nur Zumpe zu Gefallen mitgekommen und hatten bloß „pro forma“ geboten, wie sie hernach eingestanden. Deshalb wurde ein zweiter Termin notwendig. Am 22. Mai erschienen der bisherige Pächter Zumpe und der Schmied und Ortseinheber Christian Söffge. Diesem wurde schließlich mit 25 Talern der Zuschlag erteilt. Als sich Zumpe am 27.5. bereiterklärte, ebenfalls 25 Taler und, wenn erforderlich, auch noch mehr zu zahlen, wurde dieser verspätete Vorschlag von amtlicher Seite abgelehnt, so dass Söffge die Krugpacht von 1816 bis 1819 innehatte.
1819 bewarb sich der Poller Bürger Friedrich Corves um die Krugnahrung, da Söffge wenig Neigung für die Tätigkeit des Krügers zeigte. Corves hatte das Bierstedtsche Haus, in dem früher der Krug war, erworben. Der Amtmann urteilte über ihn: „C. ist ein nicht unbemittelter Mensch und besonders in Hinsicht der Lage und der ganzen Einrichtung seines Hauses zur Betreibung der Krugnahrung sehr vorteilhaft situiert“. Er selbst schrieb über sich: „Als es die Befreiung des geliebten Vaterlandes aus feindlicher Gewalt galt, war auch ich, der obgedachte Supplicant (Bittsteller). Einer der Ersten mit, die sich aus ihren Mitteln equipierten (ausrüsteten) und als freiwilliger Kavallerist mit gegen den Feind marschierte. Nach hergestellten Frieden wurde ich auf mein Ansuchen aus den hannoverschen Militärdiensten entlassen“.
Der Inhaber der Poller Branntweinsellerei war um 1820 Friedrich Carl Schulze, der 1824 als „Krüger und Bäcker“ bezeichnet wird. Er bat um die Genehmigung, Logiergäste. Und zwar „honette, allhier durchreisende Fremde“ aufnehmen zu dürfen, ferner um die Erlaubnis zum Bierausschank und zum Aushängen eines Krugschildes. Wie aus einem späteren Verzeichnis hervorgeht, hat er das sich gesteckte Ziel nicht erreicht.
Der zweite Poller Krug war der „Brauergildenkrug“, von dem erstmalig 1679 die Rede ist. Über den Zeitpunkt seiner Entstehung ist nichts bekannt. Es heißt „Wann sich die Gilde ihren eigenen Krug eingerichtet hat, ist seitens des Amtes nichts mehr festzustellen, auch nicht, wie es dazu kam, dass dieser Krug außer Bier auch Branntwein versellt“. Vor der Errichtung eines „Kruges“ wurde das Bier in einer „Bierstube“ des Brauhauses ausgeschenkt. Anfangs wurde der Krug von der gesamten Gilde betrieben, von 1728 an aber bald an dieses, bald an jenes Mitglied verpachtet. So befand er sich 1824 in den Händen des Kaufmanns und Bäckers Friedrich Wilhelm Zumpe, der 1816 seine alte Krugnahrung verloren hatte. Zumpe war ein Jahr zuvor(1823) Brauergildevorsteher.
Autor: Friedrich Wittkopp
Anmerkung: Die Gaststätte zum Alten Zumpen wird im Hausvogt von Polle genannt. Vermutlich ist es die heutige Gaststätte „Zum alten Fritz“ auf der Mittelstraße.
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