Historie und Geschichte im Weserbergland - Poller Amt- und Mahlmühle

Die Poller
Amts-, Mahl- und Ölmühle

Das Niedersächsische Landesverwaltungsamt, Abt. Landeskonservator, hat sich die Aufgabe gestellt, eine „Geschichte der Mühlen Niedersachsens“ zusammenzustellen und im Druck zu veröffentlichen.  Der Landeskonservator, Herr Dr. Karpa, beauftragte damit als Sachbearbeiter  Herrn Wilhelm Kleeberg, Hannover-Döhren. Angesichts der zu bedauernden Tatsache, daß die Zahl der Mühlen, insbesondere der Windmühlen, von  Jahr zu Jahr abnimmt, ist das Vorhaben lobend anzuerkennen und sollte daher von allen zuständigen Stellen und  interessierten Personen unterstützt werden.

Zwar wird dadurch den allgemeinen „Mühlensterben“ kein Einhalt geboten, da die Technisierung ständig fortschreitet und die Mühlen statt wie bisher von dem Winde oder von dem Wasser in Zukunft nur noch mit elektrischem Strom oder mit Dieselöl  betrieben werden. Aber noch ist es Zeit, wertvolles Urkunden- und Aktenmatrial  auszuwerten oder sich von alteingesessenen Mühlenfamilien über die Geschichte ihrer Mühlen berichten  zu lassen.  Herr Wilhelm  Kleeberg schrieb bereits die „Mühlengeschichte des Kreises Burgdorf“, die 1958 in der Schriftenreihe des Niedersächsischen  Heimatbundes e.V. und in den Veröffentlichungen des Niedersächsischen Amtes für Landesplanung und Statistik erschien (114 S., 48 Abb., brosch. 7,50 DM).

Links neben dem alten Amtshaus der Poller Burg mit dem noch unzerstörten Burgtor die alte Mühle, das heutige „Hotel zur Burg“. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1920. Rechts im Bild ist der alte Wasserführende Mühlengraben zu erkennen.

 

Dort, wo heute unterhalb des alten Burgtores das Wohnhaus und die Praxisräume des Poller Arztes, Dr.med. Bammel, sind, befand sich noch zu Beginn dieses  Jahrhunderts die  „Herrschaftliche  Amts-, Mahl- und  Ölmühle“, die ursprünglich nur eine einfache Mahlmühle gewesen sein wird.  Über ihre Entstehung ist urkundlich nichts zu erfahren;  vielleicht wurde sie bald nach dem Bau der Eversteiner Burg, also um  1300, errichtet. Die ältesten Zeugnisse liefert uns die kürzlich an dieser Stelle veröffentlichte  „Karte des  Weserlaufes von Höxter bis  Polle“  von  Johannes Krabbe aus dem Jahre 1587.  Wenige Jahre später – 1610 - erwähnt sie der Bericht des Amtmannes  Drebber über die Mühlen des Amtes Polle.  Danach hatte die „Amtsmühle“ drei oberschlechtige Grinde und hatte ans Amt jährlich drei Fuder Roggen zu entrichten.

Erst für die Zeit zwischen 1740 und 1850 liegen eingehende Berichte vor. Im Geldregister 1740/41 heißt es: „Die Amts- und Ölmühle ist Meister Samuel Rammenstein laut Contractus vom 1.12. 1739 vom 1.5.1740 bis dahin 1743 auf anderweite drei Jahre verpachtet, jährlich vor 130 Thaler“.  Danach muss er sie schon vor diesem Zeitpunkt gepachtet haben. Das Geldregister 1750/ 51 berichtet: „Die Ambts und Ölmühle sind dem Müller Johann  Hermann Krukemeyer laut  Contractus vom  22.8.1748 vom 1.5.1749 bis  1752 auf drei Jahre verpachtet, jährlich für 142 Thaler“.  Fast 90 Jahre hat fortan das Müllergeschlecht Kruckemyer die Poller Mühle in Bewirtschaftung gehabt.  Auf Johann Hermann Krukemeyer folgte 1772 dessen Sohn Georg Otto, der hier das Mühlengewerbe von 1772 bis 1825, also 53 Jahre , ausübte. Als dessen Sohn und Nachfolger,  Friedrich im Juli 1837 verstarb, hinterließ er eine Witwe, Luise Krukemeyer, geb. Krukemeyer, und einen erst  zwölfjährigen Jungen. Dieser sollte auf den  Wunsch der Mutter nach seiner Volljährigkeit die Familientradition fortsetzen.  Sie selbst wollte „mit Hülfe eines zu beeidigten Müllergesellen den Mühlenbetrieb“ übernehmen.  Das entsprechende Gesuch von ihr und dem Vormund des Sohnes, dem Amtszimmermeister Mönkemeyer, unterzeichnet. Der Amtmann unterstützte ihren Wunsch und erklärte sich zunächst mit der Pachtung bis zum Ablauf des Termins, 1.5.1840, einverstanden,  falls sich noch „vor Ende des Monats (April) ein üchtiges Subjekt producire“.  Gemeint war ein fähiger Müllergeselle, der die Pächterin unterstützen sollte.

An weiteren Interessenten  und Bewerbern fehlte es durchaus nicht. So empfahl der Ziegeleipächter Justus Pieper in einem Schreiben vom 24. Juli 1837 seine beiden Söhne Hartwich und Christian, die sich „der Müllerprofession mit Fleiß gewidmet, so daß sie einer Mühle zur Zufriedenheit der Interessenten derselben werden vorstehen können“. Der ältere Sohn, Hartwich Pieper, „hat bereits die dem Herrn von Heimbruch zugegehörige Weißenfelder Mühle bei Polle in Pachtung und führt sein Geschäft zufrieden stellend, so daß viele Poller  Einwohner ihr Korn ungeachtet des weiten Weges zu ihm herüberbringen“.   Pieper bat, die Pachtung der herrschaftlichen  Mühle seinem zweiten Sohne, Christian, zu überlassen.

Witwe Krukemeyer, die den Betrieb inzwischen übernommen hatte, erklärte im Mai 1838, also nach knapp einem Jahre, sie sei nicht mehr in der Lage, die Pachtung aufrechtzuerhalten.  Dadurch wurde die Frage nach einem anderen Mühlenpächter aufs Neue aufgeworfen.   An die Stelle des Pieperschen Sohnes, der die Aufforderung,  ein Gebot abzugeben, nicht beantwortete  traten drei andere Bewerber: Friedrich Meyer aus Heinsen, Conrad Ludowici aus   Schorborn und Heinrich Ludwig Henjes aus Kirchbrak.  Meyer bringt in seinem  Gesuch  vom 3. Mai 1838 zum Ausdruck, er habe das Gewerbe erlernt, traue sich die Leitung einer  Mühle zu und könne die erforderliche Kaution  für das Inventar aufbringen.  Er sei im Königreich Hannover geboren und erzogen und habe als „Vaterlandsvertheidiger“ im 4. Infanterie-Regiment in Celle gedient. Henjes und Ludowice sind zwar auch tüchtige Müller,  haben aber als „Ausländer“ (Braunschweiger) geringere Chancen  als Meyer, für den sich der Amtmann Dietrichs erfolgreich einsetzt.  Er betont, daß  Meyer tadelsfreie Zeugnisse besitze und „das allgemeine Lob eines sehr ordentlichen und  fleißigen Menschen “  habe. 

Friedrich  Meyer trat am 1.Oktober 1838 die Pacht,  die vorläufig bis zum 1.5. 184 laufen sollte, an und  bezahlte das Inventar mit 1496 Talern und 21 guten Groschen.  An dem Tage der Pachtübernahme wurde ein ausführliches Verzeichnis aller festen und beweglichen Gegenstände angelegt, das einen  ausgezeichneten Einblick in den Mühlenbetrieb ermöglicht.  Die Dinge hier einzeln aufzuzählen würde den Rahmen des Aufsatzes hinausgehen.  Deshalb seien nur die  Hauptüberschriften des Inventariums wiedergegeben: I. Das obere Mühlenge-bäude: die Mühlendiele, 2. die Mühlengästestube, 3. die Küche,  4. die 1. Schlafkammer, 5. die  Bruschenkammer, 6. die Rauchkammer, 7. der Boden des Hauptgebäudes.  II. Das untere Mühelngebäude: 1. die Hausdiele,  2. der Keller,  3. die Mühlendiele, 4. die Wohnstube,  5. die Kammer daneben,  6.  die Speisekammer, 7. der Boden des Hauptgebälks.  III. Das Stallgebäude. IV. Der Holzschuppen.  Es folgt ein Verzeichnis der Baugegenstände, die  Eigentum des Pächters sind.  Unter ihnen befindet sich das Ölmühlengebäude.

Die Einrichtung und der Betrieb einer Ölmühle bereiteten dem Amt insofern  einigen Kummer, als „der niederfallende Stampfer der Ölpresse solchen Lärm, daß keine wissenschaftliche Arbeit bei den Amtsgeschäften möglich sei“.  Der Müller solle entweder eine Preßwinde oder eine Einrichtung in der Art des Kollerganges in den Papiermühlen einbauen.  Zur Mühle gehörte ferner ein von dem Pächter Georg Otto Krukemeyer angelegter Graupengang, so daß der Gesamtbetrieb mit zwei Mahlgängen, der Ölpresse und dem Graupengang recht umfangreich war.

Wie in den anderen Mühlen des Amtes so fehlte es auch der Poller Mühle oft an der nötigen Wassermenge, besonders in trockenen Sommern.  Dann musste der Betrieb zuweilen ruhen. Die Mühle hatte nie einen  natürlichen Bachlauf, konnte ihn bei ihrer verhältnismäßig hohen Lage auch nicht haben.  Das erforderliche Wasser wurde ihr  durch einen Kanal zugeleitet,  der von dem Spiekersiekbach abgezweigt wurde. Dieser Bach sammelt die Gewässer des Eselsberges, des Gieseberges,  der Hünnicher Grund und der Täler um Falkenhagen. Zweimal im Jahre, um Johannis und Michaelis, musste der künstlich angelegte Mühlenkanal gereinigt werden,  wie es in den Berichten heißt.  Bei dieser Gelegenheit und auch bei notwendigen Mühlenreparatur ließ man das Wasser in die unterhalb des „Todtenfriedhofes“ gelegene Wiese des damaligen Bürgermeisters Ziesels (Großkötnerstelle Nr. 19)  laufen. Die jeweiligen Mühlenpächterwaren gezwungen diese Wiese zu pachten.  Ziesel wollte das zu keinem Gewohnheitsrecht werden lassen.

Deshalb schlug man eine andere Lösung vor. Im so genannten  „Glase“, in einem Tal zwischen  „Behlings Brink“ und dem „Herrschaftlichen hohen Felde“, befanden sich  zwei herrschaftliche Fischteiche. Sie  waren im Laufe der Zeit verschlammt und als Wiese genutzt. Den unteren, etwa ¾  Morgen großen Teich, wollte man sechs Fuß (ca. 1,80 m) tief ausgraben und ihn künftig als Wasserreservoir für den Mühlenkanal gebrauchen.  Dem Antrage an die Königliche Domänen-Cammer zu Hannover wurde eine  ausführliche Handzeichnung der beiden Teiche und ihrer näheren Umgebung hinzufügen.  Eine Antwort findet sich in den Akten leider nicht mehr. Am 1. Mai löste der Müller Märtens den Müller Meyer  in der Pacht der herrschaftlichen Mühle ab. Wieder wurde 1846 das Inventar durch den  Landesbauinspektor  Wedekind, Hameln, einer gründlichen Prüfung unterzogen.

Zur Mühle gehörte von jeher ein kleiner Garten an der Weser. Der Müller erhielt wie die anderen Interessenten „drei Klafter  Buchenholz gegen 4. Ggr. Berechtigungstaxe pro Klafter“.  Er hatte ferner freie Mast und Weide für sein Vieh wie die anderen Poller Gemeindeglieder. Der Pachtwert war nach den Akten von 1770 bis 1819 gleich geblieben und betrug 160 Taler  Cassenmünze.  Danach wurde er auch 190 Taler 20 Ggr. 5 Pf. hinaufgesetzt. Pflichtgemäß hatte der Müller  ¼ dieser Summe in reinem Roggen abzuliefern. Das Korn wurde in ein Schiff verladen und in dem  nächsten Landesmagazin  in  Hameln abgeliefert. Gesuche des Pächters Friedrich Krukemeyer,  ihn von der Naturahlen Abgabe zu befreien und ihm zu gestatten, den gesamten Pachtpreis in baren Gelde entrichten zu dürfen,  wurden abgeschlagen.

Mit der Mühle in Polle war kein  „Mahlzwang“ verbunden,  wie es sonst bei den Mühlen üblich war. Sie hatte keine  „Zwangsmahlgäste“, d.h. es war niemand verpflichtet, in ihr zu mahlen zulassen. So bekam ihr Pächter die starke Konkurrenz aller übrigen Amtsmühlen zu spüren.  Er musste für den Pächter des Amtshaushaltes jährlich  zwei  Fuder Roggen, für den Amtmann ein Fuder  Roggen und für die Fleckenbrauerei, falls  sie an eine Person verpachtet wurde, vier  Fuder Gerste unentgeldlich und abgabenfrei („ungemetzt“) mahlen bzw. schroten. Für das „Metzen“ hatte der Müller vom Amt geeichte „Mühlenköpfe“  zu benutzen.  Das Metzen musste er, der Vorschrift zufolge, mit  ausgestrecktem Arm vornehmen.  Er durfte die Mahlgäste in keiner Weise übervorteilen und hatte ihnen vielmehr „ein richtiges Gemäße, nach Beschaffenheit des Korn ein  gutes Mehl zu schaffen und zu liefern“. Alle leichten Reparaturen an der Mühle und ihren Einrichtungen sowie am Mühlenbachbett,  an den Schleusen, Schützen, Brücken, Hecken und Ufern hatte er selbst zu tragen.  Nur größere Reparaturen  bezahlte die Herrschaft.  Sie gewährte ihm auch einen  „Nachlass des locarii“ (des ortsüblichen Pachtpreises), wenn die Mühle wegen einer größeren Instandsetzung länger als vier  Wochen außer Betrieb bleiben musste.

Der Flecken Polle besaß lange Jahre hindurch vier Mühlen; die alte Papiermühle oberhalb der Fähre, die Weißenfelder Mühle, die hier näher beschriebene Amtsmühle und die ehemalige Corves’sche Sägemühle im Spieker-siek. Von ihnen besteht  nur noch die letztere, die jetzige Ohrmannsche Mahl- und Schneidemühle, auch „Knickmühle“ genannt.

Wo ist die alte Mühlenromatik  geblieben?  Moderne Großmühlen, nüchterne Mehlfabriken, sind an ihre Stelle getreten.  Nur hier und da zeugt noch  ein altes Mühlenrad von einer hohen handwerklichen Tradition.

 Autor:   Fr. Wittkopp