Die letzte Eversteinerin
Am 10. Februar dieses Jahres war ein halbes Jahrtausend vergangen, seitdem die Herzogin Elisabeth von Braunschweig – Lüneburg das Zeitliche segnete. Mit ihrem Tode endete ein recht ungewöhnlicher Lebensweg, der auf der Burg zu Polle begann und im Schlosse zu Gifhorn seinen Abschluß fand. Die 500. Wiederkehr ihres Todesjahres bietet den Anlaß, das Leben dieser fürstlichen Frau, die unserer engeren Heimat entstammte, zu verfolgen, soweit es die dürftigen Chroniken gestatten.
Nach der „Genealogie der Grafen von Everstein“ von Prof. D. J. Meyer, Göttingen, 1954, wurde Elisabeth 1406 geboren. Die Ehe ihrer Eltern, des Grafen Hermann VII. von Everstein und seiner Gemahlin Ermgard von Waldeck, war mehrere Jahre kinderlos geblieben. Um die Grafschaft nicht in die Hände der welfischen Herzöge fallen zu lassen, schlossen Hermann und sein Bruder Meinhard im Jahre 1399 mit dem ihnen nahe verwandten Bischof von Paderborn einen Erbvertrag. Durch die Geburt eines Stammhalters wurde dieser Vertrag schneller als gedacht hinfällig. Otto (XII.), der hoffnungsvolle Sprößling des alten Grafengeschlechts, starb jedoch schon im zarten Kindesalter; vermutlich wurde er nur drei Jahre alt. Ein erneuter Erbvertrag wurde erforderlich, der diesmal in der Form einer „Erbverbrüderung“ mit Simon und Bernd von der Lippe vereinbart wurde. Hermann nannte sich fortan „Graf von Everstein und Herr zur Lippe“ und seine Partner „Edler Herr zur Lippe und Everstein“. Die welfischen Fürsten waren nicht gewillt, sich die reiche Grafschaft durch solche Machenschaften entgehen zu lassen. Die „Lippische Fehde“ bot ihnen einen willkommenen Anlaß zum Eingreifen. Sie weitete sich durch die enge Verflechtung der Lipper und Eversteiner auf Grund der Erbverbrüderung zum „Eversteiner Erbfolgekrieg“ aus. Nach anfänglichen Erfolgen gerieten Hermann und Simon immer stärker in eine gefahrvolle kriegerische und politische Lage, da die Welfen die größere Macht besaßen und über die besseren Beziehungen zum Kaiser verfügten. In die Wirrungen und Spannungen dieser Auseinandersetzungen, die hier nur gestreift werden können, fiel die Geburt der eversteinischen Erbtochter Elisabeth, mit der eine völlig neue Situation entstand. Die Fehde ging weiter. In der Frühe des Ostermorgens 1407 fiel die Burg Polle nach tapferen Widerstand ihrer Verteidiger in die Hand der Braunschweiger Herzöge. Damit war für Hermann von Everstein der Kampf beendet. Am 20. Januar 1408 wurde er in Hameln von seinen Widersachern zum Frieden und zum Vergleich gezwungen. Seine Tochter Elisabeth, in diesem Vertrag auch Elsebe genannt, mußte er mit dem ältesten Sohn des Herzogs von Braunschweig – Lüneburg, Otto, mit der feierlichen Zusage einer späteren heirat verloben. Bei Hermann ging es zudem noch um die Aufhebung der kaiserlichen Acht, für die sich die welfischen Herzöge einsetzen wollten.
Als Mitgift erhielt Elisabeth die Schlösser Blomberg, Ertelsen (Aerzen), Hämelschenburg, Ottenstein sowie Hermanns Anteil an Ohsen und Holzminden mit allen Zubehör, mit Land und Leuten. Die Burg Polle wurde nicht erwähnt, so daß anzunehmen ist, daß die Braunschweiger sie bereits als ihr Eigentum betrachteten. Für Hermann von Everstein und seine Familie gab es wohl keine Rückkehr nach Polle, bestimmt aber mußte er die Burg schon bald einem Pfandinhaber überlassen. Nach der Übergabe seiner Besitzungen sollte der Graf im Schlosse Neustadt a. R. Wohnung nehmen. Der dortige Amtmann wurde angewiesen, ihm die gleichen Eide zu leisten wie seine bisherigen Amtleute in Polle, Ohsen, Ottenstein usw. Daß ihm darüber hinaus sämtliche Schlösser der Herzöge jederzeit offen stehen sollten, wurde ihm zwar schriftlich zugesichert, aber er wird kaum Gebrauch davon gemacht haben.
Die Geschichte der Eversteiner
Friedrich Wittkopp
Die letzte Eversteinerin
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