Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005)

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Autor: Stephan Otte
Hauptseminar-2-Beitrag am Geographischen Intitut der Universität Hannover, 2005

Titel der Arbeit: Landschaftszerschneidung - Eine Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996

Landschaftszerschneidung_S_Otte_2005.pdf 1. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 6. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 6. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 7. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 7. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 8. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 9. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 11. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 1. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 2. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 3. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 4. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 5. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 6. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 7. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 8. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 9. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 10. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 11. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005) 12. Untersuchung im Weserbergland zur Landschaftszerschneidung von 1896 bis 1996 (2004/2005)

1. Landschaftszerschneidung: Definition 1.1 Allgemeine Definition

Landschaftszerschneidung beschreibt räumliche Prozesse, die zu einer Fragmentierung sowie Verringerung des natürlichen, zusammenhängenden Landschaftsraumes durch anthropogene Infrastrukturschaffung und eine (summarische) Prozessverstärkung (= weitere Abnahme natürlicher Landschaftsbereiche) in zeitlicher Abfolge erfahren. In diesem Zusammenhang wird demnach auch häufig von „Landschaftsverbrauch“ oder Landschaftsfragmentierung gesprochen.


Jochen Jäger gibt eine treffende Definition des vorliegenden Problems: „ Die Fragmentierung der Landschaft ist ein Ergebnis der mosaikartig fortschreitenden Umwandlung einzelner Flächen zu intensiverer Nutzung (z.B. zu Siedlungsfläche) und der Verbindung dieser Flächen durch lineare Infrastrukturanlagen (vgl. HARRIS 1984: 4, SAUNDERS et al. 1991, FORMAN 1995). Dieser Konversionsprozess führt zu einer Vielzahl von mehr oder weniger stark isolierten Flächen verschiedener Habitat-, Ökosystem- oder Landnutzungstypen, welche von einer zusammenhängenden Matrix aus deutlich intensiver genutzten Flächen und Linien umgeben sind. Die Matrix beeinflusst die ökologischen Beziehungen zwischen den getrennten Flächen, z.B. indem sie als Barriere gegen die Fortbewegung von Tieren wirkt.“i.

Wichtiges Merkmal für Landschaftszerschneidung ist die (erhebliche) Auswirkung möglicher bzw. vorhandener Infrastruktureinrichtungen auf die im natürlichen – zusammenhängenden – Landschaftsraum ungehinderten (landschaftlichen) Austausch- und Flussprozesse.


Ein häufig genannter Aspekt – und ein eingängiges, weil relativ leicht nachvollziehbares Beispiel - für die Wirkung der Landschaftszerschneidung ist auch in der Behinderung nicht flugfähiger Tiere zu sehen, deren Lebensraum durch die fortschreitende Fragmentierung beengt, behindert und sogar isoliert werden kann: Dadurch kann es bei Isolation und Insulation der entsprechenden ökologischen Lebensräume – oder besser: Geoökotope – zur Ausprägung der sich negativ auf die verschiedenen
(Gesamt-) Populationen auswirkenden Schwächung von Metapopulationen kommen. Merkmal einer Metapopulation ist ihre lokale Verbreitung. Durch räumliche Isolation dieser Tiergruppe oder -Art, die als Teilgruppe der Gesamtpopulation im natürlichen Milieu im Austausch mit den restlichen Teilgruppen der Gesamtgruppe steht, wird weiterer genetischer Austausch ausgeschlossen. Deswegen sind die betroffenen Metapopulationen nach wenigen Generationen weniger widerstandsfähig gegenüber schädlichen (populationsdezimierenden) Umwelteinflüssen, was zu einem lokalen Aussterben der entsprechenden Art führen kann. Dabei ist weiterhin zu beachten, dass ein erneutes Einwandern von Mitgliedern dieser Art durch die räumliche Gebietsisolation zumindest erschwert wird, zumeist jedoch (auf natürlichem Wege) unmöglich ist.


Jochen Jaeger schreibt hierzu: „Der Begriff Metapopulation bezeichnet ein Ensemble von lokalen Populationen, die durch den Austausch von Individuen miteinander in Beziehung stehen, ‚a population of populations’. Eine Metapopulation ist somit eine ‚Population auf höherer Ebene’ (Hanski und Gilpin 1991: 7).“


Als Paradebeispiel hierfür kann die Behinderung der natürlichen Wanderbewegungen von z.B. Braunbären oder Wölfen durch die ehemaligen innerdeutschen Grenzanlagen gesehen werden, die nach dem Rückbau dieser Struktur offensichtlich erneut aufgenommen wird.


Zusammenfassend lässt sich somit verallgemeinert feststellen: Landschaftszerschneidung bezeichnet einen Prozess von Zunehmender Landschaftsinanspruchnahme durch menschliche Tätigkeiten. Allgemein kann Landschaftszerschneidung als eine Flächennutzungsänderung oder Umwidmung von einem naturnahen zu einem naturfernen Zustand aufgefasst werden. Diese Änderung der Nutzung von naturnahen Flächen kann als Landschaftsverbrauch aufgefasst werden (vgl. TESTDORPF, 1984 / BORCHERT, KUBALLA, 1985). Landschaftszerschneidung lässt sich somit als Summe sämtlicher künstlicher, anthropogener Baumaßnahmen und Nutzungsarten auffassen, die die im unberührten Naturraum wirksamen Austauschprozesse stofflicher, energetischer und biologischer (hier auch: tierischer) Art dahingehend ändern, dass eine Einengung, Behinderung und Fragmentierung, ja sogar Auslöschung vorhandener Naturprozesse im Landschaftszusammenhang entsteht. Dies äußert sich in räumlicher Parzellierung und der Entstehung von Landschaftsfragmenten. Die neue geschaffenen Landschaftselemente weisen neben ihrem Nutzen eine im ökologischen Sinne nachteiligen weiteren Prozessdynamik. Als Folgen von Landschaftszerschneidung sind beispielsweise eine Reduktion der natürlichen Artenvielfalt, nachteilige Wirkungen auf das Bodengefüge sowie die Grundwasserneubildung durch Schaffung von Siedlungs-, Verkehrs- und Wirtschaftsflächen zu sehen (vgl. JOCHEN JÄGER, 2002).. Diese nachteiligen Wirkungen können durchaus irreversibel sein. JAEGER unterscheidet drei Arten von „Landschaftsverbrauch“ i.e.S.; das sind:


- Die direkte Flächeninanspruchnahmen mit nahezu vollständigem Ausschluss anderer als der Hauptnutzung auf der Betrachtungsfläche,

-  die indirekte Flächeninanspruchnahme durch den Menschen, die die bestehenden – naturnahen – Funktionen sowie vorhandenen Nutzungen der Betrachtungsfläche überlagert sowie

-  die strukturellen Veränderungen, die eine Fragmentierung von Landschaft bedingen, aber gleichzeitig auch eine Veränderung räumlicher Lagebeziehungen bedeutet.


Diese drei Arten der Landschaftsnutzung können als Aspekte des Ablaufs der Landschaftszerschneidung in ein Phasenmodell eingebracht werden (s. u.: Pkt. 3.1 Phasen der Landschaftszerschneidung.


Dabei wurde die direkte Flächennutzung technischer Infrastrukturanlagen sehr weitgehend untersucht, wohingegen der Aspekt der indirekten Flächenanspruch, dessen Anteil i.d.R. weitaus höher zu veranschlagen ist als jener der direkten Flächennutzung, vergleichsweise wenig untersucht wurde – etwa durch: LOSCH/NAKE, 1990. Dabei ergibt sich oftmals das Problem der Einschätzungen des Anteils der verschiedenen Nutzungsarten bei Mischnutzungen (entspr. Hier der indirekten Flächeninanspruchnahme), das durch die Statistik häufig durch die Anwendung des sog. Nutzerkonzepts erfasst wird (vgl. u.; Pkt. 1.1.1 Landschaftszerschneidung durch unterschiedliche Infrastrukturmaßnahmen). J. JAEGER stellt hierzu u.a. fest:


In der gebräuchlichen Statistik werden vor allem die indirekten, aber auch die direkten Flächeninanspruchnahmen durch technische Infrastrukturanlagen systematisch unterschätzt (Losch und Nake 1990, Apel et al. 1995, SRU 1994: 268 Tz 725).“.


Hinsichtlich der Untersuchung und Beschreibung, des Wissens über strukturelle Flächeninanspruchnahmen bemängelt J. JAEGER den auffallenden Mangel des bestehenden Wissens: „Über die Möglichkeiten zur Beschreibung und Bewertung struktureller Landschaftsveränderungen liegen noch weniger Untersuchungen vor als über die indirekte Flächeninanspruchnahme (…).“. Diese Situation äußert sich auch in der geringen Trefferanzahl in den Bibliotheken, wenn man nach dem Begriff „Landschaftszerschneidung“ sucht, der v.a. mit dem strukturellen Gesamtproblem der Flächennutzungsänderungen verknüpft werden kann.

1.1.1 Landschaftszerschneidung durch unterschiedliche Infrastrukturmaßnahmen


Die an den Prozessen der Landschaftszerschneidung beteiligten Infrastrukturmaßnahmen i.w.S. besteht in der Belegung natürlicher Flächen mit anthropogenen Nutzungen. Diese Nutzungen können durch Anlage und Schaffung baulicher Konstruktionen erfolgen. Aber auch die industrielle Agrarnutzung kann als Teilprozess der Landschaftszerschneidung gesehen werden, denn auch hierbei erfolgen oftmals erhebliche Eingriffe in den Naturhaushalt.


Besondere Bedeutung für die Landschaftszerschneidung kommt hierbei linienhaften, abriegelnden Konstruktionen zu, da die Anlage derselben eine starke Aufteilung und Zerschneidung bedingen. Beispiele für diese Art der Infrastrukturmerkmale, die hier nach der Funktionswirkung bei der Beeinträchtigung der natürlichen Landschaftsprozesse von den weiteren baulichen Konstruktionsmöglichkeiten unterschieden werden, ist die Anlage von Trassen für den Straßen- und Wegebau (sämtliche Kfz-Wege und Schienenwege), die Errichtung von ober- und unterirdischen Pipelines, die Schaffung von Verrohrungen und/oder Verkabelungen überhaupt, aber auch der Bau von Hochspannungsleitungen.


Dabei ist es durchaus angebracht, aufgrund des Merkmales des Einflusses der Infrastruktur auf den natürlichen Landschaftshaushalt und die natürlichen Fluss- und Austauschprozesse auch die unterirdischen Einrichtungen als Teil der Landschaftszerschneidung aufzufassen, wenn auch deren Funktionsweise - hinsichtlich der Landschaftszerschneidung – zumindest bei Analyse sämtlicher Wirkungsmuster zerschneidender Strukturen differenziert betrachtet werden muss.


Auch Flächennutzungen mit hohem Bebauungsgrad bzw. einer bestimmten, kritischen baulichen Verdichtung, weil die natürliche Prozessdynamik erheblich beeinflussende Wirkung, die keine lineare Struktur aufweisen, sondern durch Linienelemente und Flächen verbunden sind, sind Teil der Landschaftszerschneidung. Beispiele hierfür sind Wohn-, Misch- und Gewerbegebiete oder auch flächige Industrieanlagen.


Dabei zeigt sich jedoch auch, wie kompliziert die Bewertung von Nutzungen hinsichtlich der Flächenzerschneidung sein kann, da die erhebliche Beeinträchtigung einer weiteren Definition bedarf. Es ist beispielsweise zu klären, inwieweit auch agrarische Nutzungen einen Anteil an der Landschaftszerschneidung tragen, was bei nicht nachhaltigen Wirtschaftsformen wie etwa dem Bestehen von Monokulturen denkbar ist, denn die industrielle Agrarwirtschaft bedeutet aufgrund der starken Artenreduktion sowie dem Eingriff in bodenchemische und –physikalische Prozesse (z.B.: Düngung, Bewässerung, Verdichtung, Bearbeitungsmethoden) einen erheblichen Eingriff in energetische und stoffliche Landschaftsprozesse.


Es ist somit auch deutlich, dass Landschaftszerschneidung mit zunehmender Prozessdauer auch eine Artenreduktion von Fauna und Flora bedeutet, die bis zum Aussterben der natürlichen Arten gehen kann (vgl. o.).


Als weiteres Merkmal der Landschaftszerschneidung fällt auf, dass diese gewöhnlich nicht Einzelmaßnahmen, sondern vielmehr durch die summarische menschliche (Bau-) Tätigkeit aus nicht nur aus einer Vielzahl, sonder durch die Gesamtheit aller anthropogenen Nutzungen und Infrastruktureinrichtungen entsteht. Dabei lässt sich für Landschaftszerschneidung und Landschaftsverbrauch (der Begriff des Landschaftsverbrauchs wird häufig mit einer gewissen Unschärfe benutzt, kann der Landschaftszerschneidung jedoch gleichgesetzt oder auch als Teilaspekt derselben definiert werden) ein Phasenverlauf ableiten bzw. ein vorliegender Landschaftszustand lässt sich bestimmten Phasen beispielsweise des Sechs-Phasen-Modells nach Jäger (s. u.; Pkt. 3.1) zuordnen.

Nach den heutigen Erkenntnissen und Erfahrungen besteht zwischen dem fortschreitenden Prozess der Landschaftszerschneidung, der bisher – trotz aller politischen Konzepte und / oder Empfehlungen (s. u. Pkt. 2) – scheinbar ungebremst wirksam ist, sowie dem wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland bzw. dem individuellen, gesteigerten Konsumverhalten ein Zusammenhang. Dieser Zusammenhang zeichnet sich offenbar nicht nur durch Proportionalität im einfachen Sinne, sondern offenbar sogar durch direkte Proportionalität aus, wie Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Flächennutzung in Deutschland zeigen.


Somit wird auch deutlich, dass die Landschaftszerschneidung vor allem auch das Ergebnis der seit Mitte des 19. Jh. fortgesetzten Industrialisierung ist und in Deutschland (bzw. v.a. Westdeutschland) unter den gegebenen wirtschaftlichen und ökonomischen Gegebenheiten bis Ende des letzten Jahrhunderts einer Wachstumssteigerung unterlegen ist.

Abbildung 1.2 (hier oben):


Zerschneidungsskizzen für das im Rahmen der Arbeit dieses Hauptseminars (2) gewählte Untersuchungsgebiet "Hameln-Süd". Linke Seite: Entwicklungsstand 1896; rechte Seite: Entwicklungsstand 1996. Schwarze Flächen stellen Siedlungsflächen bzw. Ortsgrenzen sowie Industriegebiete und Gewerbegebiete dar.

Abbildung 1.3(hier links):


Abb. 1.3 Quelle: KRACK-ROBERG, DIETER SCHÄFER: „Bodennutzung nach Wirtschaftsbereichen“

Auch wenn in dieser Untersuchung eine Einteilung der Bodennutzung nach wirtschaftlichen Aspekten erfolgt, können die Ergebnisse durchaus auch hinsichtlich einer Untersuchung der Landschaftszerschneidung in Deutschland als interessante Grundlage gelten; eine Übertragung für die Untersuchung dieser Ergebnisse auf eine Untersuchung der Landschaftszerschneidung in Deutschland ist durchaus möglich.


Jüngste Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes belegen für das Jahr 2002 und 2003 einen leichten Rückgang der Flächeninanspruchnahme. Obschon die Bundesregierung (gemäß der Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung) in den nächsten ca. 15 Jahren einen Rückgang der täglichen Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen auf weniger als ein Drittel (31,5% Anteil des Vergleichswertes für 2003) der durchschnittlich täglich belegten Flächen von 2003 – das sind 105ha/d – anpeilt, so bleibt doch auch hier der Hinweis des Bundesamtes, dass der aktuelle Rückgang dieses Wertes offenbar hauptsächlich auf die momentane Konjunkturabschwächung zurückzuführen sei. Es bleibt somit fraglich, ob schon heute tatsächlich von einer Trendwende hinsichtlich des Landschaftsverbrauches in Deutschland gesprochen werden kann:


Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist es, die tägliche Inanspruchnahme neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen bis zum Jahr 2020 auf 30 ha pro Tag zu reduzieren. In den letzten beiden Jahren weist die Entwicklung dieser Größe also erstmals in die angestrebte Richtung. Diese positive Entwicklung sollte aber“ – so Hahlen – „nicht als grundsätzliche Trendwende in Richtung auf das Nachhaltigkeitsziel interpretiert werden. Der aktuelle Verlauf der Flächeninanspruchnahme sei überwiegend durch die konjunkturelle Entwicklung und den Einbruch bei den Bauinvestitionen geprägt.“


Die Autoren (Krack-Roberg/Schäfer) unterscheiden insgesamt 80 verschiedene Flächennutzungen, die nach ihrer Nutzung als „Produktionsbereiche“ aufgeschlüsselt werden, wenngleich auch Flächen ohne direkte Produktionsfunktion erfasst werden (beispielsweise unter der lfd. Nr. 79: Produktionsbereiche ohne direkte wirtschaftliche Nutzung, zu denen u.a. „Wälder“ oder „Feuchtflächen an der Küste“ (mit Salzwiesen und Flächen in der Gezeitenzone) gerechnet werden. Eine Kopie dieser Tabelle füge ich im Anhang dieser Arbeit bei. Von der Vielzahl der hier aufgeführten Flächen der Bodennutzung ließen sich beispielsweise all jene Flächen mit intensiver Nutzung in eine Aufstellung von Flächennutzungen, die zur Landschaftszerschneidung beitragen, auflisten und hinsichtlich ihrer möglichen Wirkungsanteile an der Landschaftszerschneidung untersuchen. In den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes zum Flächenverbrauch in Deutschland von 1993 bis 2003 werden allgemein Siedlungs- und Infrastrukturflächen erfasst. Diese Unterscheidung von Flächen ist für die Untersuchung der Flächenzerschneidung zunächst auch sehr sinnvoll.

Abb. 1.4 (hier oben)


Quelle: KRACK-ROBERG, DIETER SCHÄFER: „Bodennutzung nach Wirtschaftsbereichen“

Allerdings sei weiterhin darauf verwiesen, dass die zu ermittelnden, allgemeinen Angaben der Flächenanteile lediglich einen Richtwert geben, da für die Analyse der Landschaftszerschneidung weitere Informationen über den räumlichen Flächenzusammenhang (vgl. Methodikteil) benötigt werden, die mit einer geeigneten Methodik zu untersuchen wären (s.u. Methodik der Untersuchung von Landschaftszerschneidung). Das bedeutet, dass die Untersuchung der Bodennutzungen durch Krack-Roberg und Schäfer für die Informationssammlung zu einer Untersuchung der Landschaftszerschneidung dienlich und hilfreich ist, jedoch bezüglich von Landschaftszerschneidung nur bedingt Aussagen ableitbar sind (die ergänzt werden müssen).


Die oben angeführte Grafik (Abb. 3) zeigt die Unterscheidung und Einordnung unterschiedlicher Nutzungsformen, wie sie durch Krack-Roberg und Schäfer in der genannten Untersuchung vorgenommen worden ist. Unter dem Aspekt „Probleme“ werden Nutzungsarten zusammengefasst, bei denen nach der vorgenommenen Einteilung Mehrfachnutzungen vorliegen oder vorliegen können. Generell erfolgt die Angabe der Nutzung jedoch nach dem „Nutzerkonzept“, wobei in Einzelfällen eine Umrechnung (in Abhängigkeit vom Betrachtungsmaßstab) vorgenommen wird: “(…) Die Zuordnung der Flächen folgt damit dem Nutzerkonzept“. Der Begriff des Nutzers ist hier im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Eigentumsrechtliche Aspekte sind in diesem Zusammenhang von nachrangiger Bedeutung.“.


Häufig unterscheiden Darstellungen von Landschaftszerschneidung lediglich unter zwei Typen von Flächen: Flächen mit Trennwirkung sowie solchen ohne trennende Wirkung (vgl. hierzu Kartendarstellung der Abb. Oben – nach J. Jaeger, wiedergegeben in Teil 1.1). Die Unterscheidung unterschiedlicher Flächen oder Flächenklassierungen hängt jedoch stark von der Untersuchungsabsicht ab: Jaeger bemerkt hierzu: „Die Darstellungen der Fragmentierungsphasen unterscheiden zwischen lediglich zwei Typen von Flächen. Ihre Anwendung auf eine Landschaft setzt eine Entscheidung voraus, welche Landschaftselemente als trennend betrachtet werden und hängt von der Untersuchungsabsicht an (LI und REYNOLDS 1995, GUSTAFSON 1998). Beispiele sind die Einteilung in ‚naturnahe’ und ‚naturferne’ Flächen, in Habitat und Nicht-Habitat (in Abhängigkeit von den betrachteten Tierarten) oder in bewaldete oder waldfreie Flächen. (Eine feinere Einteilung kann sinnvoll sein, falls die Tiere sich in verschiedenen Flächen mit unterschiedlicher Strategie bewegen).“.


Für die Aufgabe der Darstellung des Zerschneidungsprozesses im Betrachtungsgebiet ist hier eine sinnvolle Einteilung zu wählen und wird in der Beschreibung der Methodik weiter erläutert.



1.1.1 Umweltfolgen von Landschaftszerschneidung


Wie bereits erwähnt bedingen die Nutzungsänderungen sowie Inanspruchnahme weiter Flächen des natürlichen Landschaftsraumes durch Siedlungsbau, Infrastruktureinrichtungen und Wirtschaftsflächen die einen Entwicklungsprozess von Naturnähe hin zu naturfernen Räumen. Was bedeutet das?


Einhergehend mit den unterschiedlichen Flächennutzungen sind folgende Aspekte zu sehen, die als Negativaspekte aufgefasst werden können (die folgende exemplarische Aufzählung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und soll lediglich die Reichweite der Wirkung von Landschaftszerschneidung erkennen helfen):


1.1.2.1 Zunahme von Flächenversiegelung


Durch die fortgesetzte Flächenversiegelung wird der Wasserhaushalt beeinträchtigt, da der beschleunigte Oberflächenabfluss sowie die Ableitung von Oberflächenwasser in die Kanalisation oder den Vorfluter zu einer Verringerung der Grundwasserneubildungsrate beiträgt.


1.1.2.2 Zunahme von Emissionen innerhalb und außerhalb der genutzten Flächen


Hierzu zählen u.a. die Zunahme von Schall- und Geräuschemissionen, das Einbringen von Schadstoffen in die Landschaft (in den unterschiedlichen Phasen fest, flüssig und/oder gasförmig), aber auch die Umgebungsbeeinträchtigung durch den Aufbau von Magnetfeldern, wie sie etwa um Starkstromleitungen (oberirdisch und auch unterirdisch) oder durch Einrichtungen für den Funkverkehr wirken.


1.1.2.3 Wirkung von Emissionen –Umweltwirkung von Schwermetallen – Beispiel: Blei


Blei (Pb), Schwermetall der vierten Hauptgruppe (fünftes Element) des Periodensystems der Elemente, ist ein für pflanzliches und tierisches Leben gefährlicher, in ausreichender Konzentration toxischer Giftstoff. Beim Menschen führt eine Bleivergiftung zur Verminderung der Hämoglobinbildung. Das heißt, dass die Neubildung von roten Blutkörperchen, die zur Sauerstoffaufnahme in der Lunge und Sauerstoffverteilung im menschlichen Metabolismus benötigt werden, vermindert oder sogar ausgeschaltet wird. Die bereits im Blut vorhandenen roten Blutkörperchen werden hierbei irreversibel durch Bleiatome besetzt: Da diese eine stärkere Bindung an den Ladungsstellen des Eisens (Fe) der den Sauerstoff transportierenden roten Blutkörperchen besitzen als der über die Lunge eingeatmete Luftsauerstoff – der Mensch würde bei der entsprechenden Stoffkonzentration von Blei quasi ersticken. Bei hohen Vergiftungsgeraden führt eine Bleivergiftung zum Tode des kontaminierten Individuums, wobei der Krankheitsverlauf als äußerst schmerzhaft beschrieben wird.


Dabei treten Bleivergiftungen heute zumeist als sog. schleichende Vergiftungen auf. Blei, das sich im menschlichen Fettgewebe sammelt, wird hier zunehmend konzentriert, da es durch den menschlichen Stoffwechsel nicht abgebaut werden kann.


Es bestehen durchaus unterschiedliche Quellen, aus denen Blei in der Umwelt freigesetzt und verteilt wird. Im weiteren Zeitverlauf sammeln sich diese Schwermetallverbindungen an bestimmten Stellen der Umwelt, wo sie konzentriert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang häufig auch von „Schwermetallsenken“. So kann ein Boden als Schwermetallsenke dienen, wenn entsprechende Stoffe und Ionen dort eingelagert, immobilisiert und konzentriert werden. Allerdings ist auch eine erneute Mobilisierung von Schwermetallen wie Blei im Boden denkbar. Um die beteiligten Prozesskomponenten sowie die entsprechenden Prozessabläufe besser verstehen und eventuell modellieren zu können, werden häufig Sorbtionsisothermen aufgestellt bzw. ermittelt.

In der Tat kann davon ausgegangen werden, dass Emissionen schwermetallhaltiger Stoffe in der Vergangenheit zunahmen (vgl. 1.1.2.1.1 Quellen des Bleis in der Umwelt). Blei und Schwermetallverbindungen werden als Rest- und/oder Abfallstoffe aus der Industrie gasförmig und gelöst emittiert oder als Feststoff in die Umwelt freigesetzt. Über den starken, nahezu flächendeckenden Eintrag von Blei in der Umwelt findet sich dieser Stoff beispielsweise verstärkt in Hafenschlicken, aber auch in Klärschlämmen, wobei für letztere zwar gesetzliche Grenzwerte existieren, eine Deposition jedoch gezielt auf Ackerböden stattfindet. Verteilungs- und Wirkungswege werden bei der Grenzwertsetzung hierbei jedoch nur teilweise berücksichtigt.


Wichtige Verbreitungswege in Deutschland sind Emissionen über Altablagerungen, Deponien oder auch gewöhnliche Abfälle in der Landschaft, beispielsweise über Bleispuren in Farben und Lacken von „entsorgten“ Verpackungsmaterialien; da diese im Einzelfall geringen Konzentrationen in ihrer Summe eine Anreicherung in der Umwelt finden, wobei eine der Hauptbleisenken der Bodenbereich ist. Das besondere Problem ergibt sich hierbei durch die Stoffgesamtkonzentrationssteigerung aufgrund der besonderen Langlebigkeit und Persistenz von Blei in der Umwelt, das lediglich umgelagert und (temporär) gespeichert wird, jedoch v.a. auch im Bodenmillieu erneut mobilisiert zu werden vermag.


Beispielsweise kann sich im Boden befindliches (mobilisiertes) Blei durch Pflanzen aufgenommen werden, die dem Menschen direkt zum Verzehr dienen – etwa im Falle von Getreide -, oder indirekt über Futterpflanzenprodukte im tierischen Eiweiß eingelagert werden, von wo aus sie in den menschlichen Körper gelangen. Da auch im tierischen Fleisch mit fortschreitender Lebensdauer Blei anreichert, sind die entsprechenden Bleikonzentrationen hier u.U. sogar höher als bei rein pflanzlichen Nahrungsprodukten.


Gleichzeitig kann Blei – wie nahezu alle Schwermetalle und Schadstoffe – als Lösungsfracht im Bodenwasser in das zur Trinkwassergewinnung wichtige Grundwasserreservoir eingebracht werden.


Bleivergiftungen erfolgen heute zumeist durch entsprechende  organische Verbindungen wie dem Tetraethylblei (TEL), das von der menschlichen Haut resorbiert zu werden vermag. Dabei sind nicht nur die gut untersuchten und bekannten Folgen der oben beschriebenen Bleivergiftung zu beachten, sondern auch mögliche mutagene Veränderungen im menschlichen Erbgut. Eine karzinogene Wirkung von organischen Bleiverbindungen wie etwa dem TEL gilt hierbei als noch nicht nachgewiesen, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

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