Die Rittergüter Polle I und II


Die Rittergüter Polle I und II, Fürstentums Calenberg, liegen im Kreise Hameln, im Amtsgerichtsbezirk Polle und gehören zur Kirchengemeinde Polle. Polle hat Poststation. Die nächsten Eisenbahnstationen sind Bodenwerder und Holzminden.


Die Gesamtgröße beider Güter beträgt 195 ha 25 a 42 qm. In der Gemarkung Polle liegen 190 ha 6 a 22 qm; in der Gemarkung Brevörde liegen 3 ha 64 a 9 qm; in der Gemarkung Heinsen liegen 2 ha 15 a 11 qm; davon fallen 123 ha 25 a 42 qm auf Ackerland, 1 ha auf Gärten, 8 ha auf  Wiesen, 24 ha auf Hute, 40 ha auf Forst.


Polle liegt an der Weser. Der Knick- und Lunabach durchfließen die Gutsländereien. Die Beschaffenheit des Terrains ist bergig. Die Grundstücke liegen nicht zusammen, daher Grenzen nicht angegeben werden können. Mit einem Teile seiner Ländereien grenzen die Güter an das Fürstentum Lippe. Die Verkoppelung der Feldmark wurde im Jahre 1874 zu Ende geführt. Das Wohnhaus ist 1717, die Scheune 1656 und die Weißenfelder Wassermühle 1690 erbaut. Alle Gebäude sind von geringem Umfange und nur für Pächter geeignet, wie denn auch die Güter durch Verpachtung an mehrere Pächter genutzt werden. Dem Rittergute Polle I und II steht das Recht der Krebs- und Forellenfischerei im Knick- und Lunabache zu. Die Güter bilden einen eigenen Jagdbezirk. Vorkommendes Wild sind Rehe, Hasen, Rebhühner, Füchse. Polle I und II sind Fideikommißteile des ehemals v. Heimbruchschen Fideikommisses Varste-Polle, dessen zeitiger Besitzer ist der Majoratsherr der Fideikommisse Varste-Polle und Coppel Graf Christian Benedictus Johan Ludvig Conrad Ferdinand Reventlow, Königlich Dänischer Hofjägermeister und Ritter des Danebrogordens, Erbherr des 1856 allodifizierten Gutes Varste, Erb- und Fideikommißherr zur Koppel (Groß- und Kleinkoppel, Etelsen, Embsen, Ruschaden, Neuhof usw.)auf Aggerup auf der Insel Laaland in Dänemark und Schloß Etelsen, letzteres ständig bewohnend. Das Gut Varste gehört ebenfalls zum Fideikommiß Varste-Polle, befindet sich aber im Nießbrauch der Frau Henriette Auguste Louise (genannt Lonny) v. Heimbruch, geb. v. Helldorf. Er erwarb diese Güter durch Erbgang bzw. Testament der Gebrüder v. Heimbruch und ist verheiratet mit Sophie Pauline Sehjär. Der Ehe sind folgende Kinder entsprossen: Graf Rudolph Eduard Wilhelm Ferdinand Christian Reventlow, geb. 9. Februar 1879, vermählt 11. August 1905 mit Else Risom, wohnt in Aggerupgaard in Laaland. Graf Eduard Wilhelm Sophus Christian Reventlow, cand. Jur., Assistent im Königlich Dänischen Ministerium des Außeren, vermählt mit Else v. Bardenfleth am 4. Oktober 1910. Komtesse Anna Sybille Reventlow, exp. Auf Valló.


Wappenbeschreibung:  Schild geviertet mit gekröntem, silbernen Herzschild, dessen untere Hälfte  eine  drei- oder viermal  gezinnte, rote, weiß ausgefugte Mauer füllt  (Stammwappen).


1. In Blau drei (zwei und eins) naturfarbene Sperlinge (v. Sperling). 2. Von Silber und Rot gespalten (v. Rantzau). 3.  In Silber ein schwarzer, goldgekrönter und bewehrter Doppeladler (v. Below). 4. In Blau silberner Schrägrechtsbalken mit drei roten Rosen belegt (v. Halle), drei gekrönte Helme.


1. Zwischen zwei geharnischten, aufgereckten Armen der Adler des Schildes. 2. Zwischen zwei oben durch eine darübergezogene Krone zusammengehaltenen Büffelhörnern, deren erstes silbern, das zweite rot ist, eine runde silberne Scheibe mit goldenem Rand und Mittelpunkt. 3. Auf sechs grünen Pfauenfedern zwischen zwei roten Büffelhörnern der Schrägbalken des Schildes. Der Schild wird gehalten von zwei wilden Männern, die den inneren, keulenbewehrten Arm mit den Ellbogen auf die oberen Schildecken stützen und mit den äußeren Händen an ihrem Körper vorbei den Schildrand halten. – Unter dem Schild kommen endlich noch zwei bis zur Schulter sichtbare, geharnischte Arme hervor, die nach unten und innen gerichtet zwei sich kreuzende, aber nach oben gerichtete Schwerter halten; darunter liegt ebenfalls ein silbernes Band mit drei roten Rosen.


Das Rittergut Polle I wurde 1748 von Johann Friedrich v. Heimbruch, geboren 27. November 1720 zu Varste, angekauft. Nach dessen Tode erhielt es sein Bruder Gottlieb Wilhelm v. Heimbruch, geboren 3. Februar 1722, auf Grund brüderlichen Vergleiches. Durch Testament des Ebengenannten erhielt es sein jüngster Sohn Carl Friedrich August, geboren 18 Juni 1762 zu Basse, am 30. Juni 1797. Polle I war damals Lehngut. Durch Urteil des Oberappellationsgerichts Celle und Vergleich wurde der älteste Sohn von Gottlieb Wilhelm: Christian Ernst gegen Abfindung von Carl Friedrich August Besitzer von Polle und blieb es bis zu seinem Tode 6. April 1810.  Dann folgte ihm sein vorgenannter Bruder, und als dieser 1832  kinderlos verstarb, fiel das Lehngut Polle I an die Varster Linie v. Heimbruch, und zwar an Joachim Christian v. Heimbruch, geboren 6. April 1782, gestorben 1844 zu Verden (Aller). Er erwirkte für sich und seine Brüder Carl und Wilhelm im Jahre 1841 die Belehnung mit Varste und Polle I. Nach dessen Tode kam Polle I an seinen Sohn Gottlieb Ernst August v. Heimbruch, geboren 11. Dezember 1822 zur Koppel, Königlich Hannoverscher Bundestagsgesandter in Frankfurt a. M., vorher Gesandter bei den Kurfürstlichen und Großherzoglichen Höfen zu Cassel, Karlsruhe und Darmstadt, seit 1866 außer Dienst. Im Jahre 1869 kaufte er mit seinem Bruder Carl Johann Christian v. Heimbruch-Varste, das ehemals Behlingsche Rittergut Polle II. Beide Brüder gründeten nun das Fideikommiß Varste-Polle. Nach dem Tode von Gottlieb Ernst August, 17. Juni 1892, bekam Carl Johann Christian v. Heimbruch Polle I und II.  Mit ihm, dem Oberstleutnant und Flügeladjutanten des Königs Georg V. von Hannover, erlosch das uralte Geschlecht derer v. Heimbruch, das seinen Anfang urkundlich bis zum Jahre 1163 nachweisen kann und eine ungewöhnlich große Zahl von Männern enthält, die sich um Fürst und Vaterland wohlverdient gemacht haben. Um aus den Stammtafeln nur die des Land- und Schatzrats der Hoyaschen Ritter- und Landschaft Johann Heinrich v. Heimbruch, geboren 1737 am 18. Juni und gestorben am 5. August 1808 zu Varste, des Vaters von Joachim Christian zu nennen, so kämpften fünf seiner sechs Söhne in der englisch-deutschen Legion: Georg Johann Bernhard,  geboren 1779, verunglückte mit dem englischen Transportschiff „The Smallbridge“ auf der Rückfahrt von Vigo nach England im Januar 1809. Joachim Christian trat nach der Okkupation Hannovers in die englisch-deutsche Legion, machte 1805 1806 die Expedition nach Elbe und Weser, 18ß7 die Expedition nach dem Baltischen Meere, 1809 bis 1910 die Feldzüge in Spanien mit. Carl Wilhelm Heinrich, geboren 1783, verlor in der Schlacht von Urugne am 10. November 1813 den linken Arm. Gottlieb Ernst August, geboren 1786, wurde in der Schlacht bei Talavera am 12. Juni 1809 schwer und Heinrich August, geboren 1787, ward im Gefecht von St. Etienne vor Bayonne am 27. Februar 1814 tödlich verwundet. Nur eine Trägerin des Namens v. Heimbruch, die Witwe des genannten Flügeladjutanten des Königs Georg V. von Hannover, lebt noch in Varste, Henriette Auguste Luise v. Heimbruch, geb. v. Helldorf, geb. am 29. Juni 1840, Ehrenstaatsdame der Königin von Hannover und jetzt Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin von Cumberland, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg.


Es sei hier noch bemerkt, daß der vorletzte Besitzer der Rittergüter Polle I und II aus dem Geschlecht der Heimbruchs der letzte Hannoversche Bundestagsgesandte Gottlieb Erns August, als scharfsinniger Diplomat bekannt, zugleich ein nicht gewöhnliches poetisches Talent besaß.


Der Oberstleutnant und Flügeladjutant von Heimbruch starb am 15. Juni 1895 und nun gingen kraft Testaments Polle I und II über auf den ältesten Sohn seiner noch lebenden Schwester Amalie Johanna Magdalene Elisabeth genannt Helene, geboren zu Verden am 21. Juli 1824, seit dem 12 Juli 1844 vermählt mit Eduard Wilhelm Graf Reventlow zu Pederstrup auf Laaland, geboren (. April 1810, gestorben 19. September 1868, die am 16. Januar 1911 in Kopenhagen verstarb. Durch landesherrliche Genehmigung vom 10. Juni 1907 ist die Fideikommiß-Eigenschaft von Polle I und II bestätigt.


Die Reventlows sind ein uraltes Rittergeschlecht aus Ditmarschen. Die älteste Schreibart des Namens ist Revetlo, seltener und später Revitlo, dann Reventlo, Reventloe, Revintlo, Revenlo,  Restlo, Reventlow, Reventlouwe, Reventlau usw., die jetzige allgemeine Reventlow. Der Name wird von „Reve“, fließendes Gewässer (rivus, river) und „Lo“, Wald, Heide oder Feld, abzuleiten sein. In Veranlassung der 1144 erfolgten Ermordung des Grafen Rudolf II. auf der Bocklenburg und des gewaltsam herbeigeführten Endes der Grafenherrschaft haben die Reventlows  Ditmarschen verlassen, um teils in Holstein und Mecklenburg, teils in Dänemark neue Wohnsitze zu begründen. Der holsteinische Zweig ist im Anfanng des 19. Jahrhunderts, der dänische im Laufe des 16. Jahrhunderts erloschen, nur der mecklendurgische allein blüht noch fort. Sein Stammvater ist Detlev v. Reventlow, 1236 bis 1258 auf Zahrendorf, Jarchow und Besitzer mehrerer Wendendörfer, worunter Holdorf. Der Stammvater der jüngeren Linie des Hauses Reventlow-Ziesendorf, der der Besitzer von Polle I und II angehört, ist Conrad, geboren 21. April 1644, gestorben 21. Juli 1708; er wurde in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste vom König Friedrich II. von Dänemark am 3. Juli 1673 in den Lehnsgrafenstand erhoben. Seine Nachkommen sind vielfach in Königlich Dänischen Diensten zu hohen Ämtern und Ehren gelangt, seine am 16. April 1693 geborene jüngste Tochter Anna Sophia ward die Gemahlin des Königs Friedrich IV. von Dänemark und am 30. Mai 1721 als Königin gekrönt, sie starb am 7. Januar 1745. Die gleichgesinnten Brüder Christian Diltev Fredrik, 1748 bis 1827, Staatsminister 1797 bis 1813, und Johann Ludwig Reventlow, 1751 bis 1801, sind durch ihre Verdienste um Aufklärung und Befreiung der Bauern mit der Geschichte Dänemarks unzertrennlich verknüpft.


Die geschichtlichen Nachrichten sind dem von Dr. N. Grotesend herausgegebenen Urkundenbuch der Familie v. Heimbruch und dem Buche „Das Geschlecht der Reventlow“ von Graf Ludwig zu Reventlow entnommen.

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