Über die Lebensdaten des Johann Wrede, der nacheinander die Stellung eines Amtmanns zu Polle und Grohnde bekleidete, wissen wir so gut wie nichts. Sein Geburts- und sein Sterbetag sind uns unbekannt, da die ältesten Kirchenbücher der Poller Pfarre erst mit dem Ende des 17. Jahrhunderts und die Grohnder Pfarre um 1730 beginnen. Umsomehr erfahren wir über das Lebenswerk dieses Mannes, soweit es im Dienste des Braunschweigisch-Lüneburgischen Herzogs stand, aus den Akten des Niedersächsischen Staatsarchivs in Hannover. Lebensweg und Lebenswerk vollziehen sich in der Hauptsache vor dem düsteren Hintergrunde des Dreißigjährigen Krieges.
Aus einer Klage der Amtseinwohner aus den Jahren 1613/1614 erhalten wir die Kenntnis, dass Johann Wrede zu diesem Zeitpunkt bereits Amtmann in Polle war. Vermutlich hatte er schon einige Jahre zuvor – vielleicht 1612 – die Nachfolge des betrügerischen Amtmannes Johann Drebber angetreten. Dieser berichtet 1615 von sich selbst, dass er bereits drei Jahre im Gefängnis schmachtete und nun endlich die Erlaubnis erwirken möchte, zu seinem Advokaten gehen zu dürfen, um seine Unschuld unter Beweis stellen zu können.
Die Hoffnungen der Amtsuntertanen auf mildere und gerechtere Dienstverhältnisse erfüllten sich aber nicht. Anders sind die wiederholten Beschwerden der Bauern nicht zu verstehen. Wie Drebber wirft man auch seinem Nachfolger ein sehr eigenmächtiges und eigensüchtiges Handeln vor. Der neue Amtmann lässt hier und dort den Wald ausroden, um einerseits Bau- und Nutzholz verkaufen zu können und anderseits Acker- und Wiesenflächen zu gewinnen. Diese so genannten „Zuschläge“ verkauft oder verpachtet er zu eigenem Nutzen. Bauern, die sich in ihrer Geldnot an ihn wenden, kauft er gutes Land jenseits der Weser ab und gibt ihnen minderwertigen Boden „aus der Gemeinheit“ und treibt auf diese Art „einen stadtlichen Tausch mit frembden Gute“. Er zwingt die Bauern, Vieh abzuschaffen, um die in den Waldungen weidenden Herden zu verringern, vergrößert jedoch ständig seinen eigenen Viehbestand. Er erwirbt von den Kindern des verstorbenen Ritters von Dreyplatz zu Polle 48 Morgen im „Weißen Felde“ um dort eine Mühle mit einem Vorwerk zu errichten. Die Bauern des Amtes lässt er zu Burgfestdiensten antreten, beschäftigt sie aber auf seinen Acker- und Wiesenflächen. An Brot für den Herrendienst gibt er den Dienstpflichtigen zwar die festgesetzte Zahl der Brote, lässt aber das Brot kleiner backen. Im Sommer lässt er den Arbeitern Hering statt Käse verabfolgen. Geringfügige Übertretungen seitens der Bauern ahndet er mit „gestrengen Exekutionsmittel“ und ist mit „Brüchen“ (Strafen) schnell zur Hand, wie die Akten berichten. Korn aus dem Amtshaushalt verkauft er nach Aussage der Amtseinwohner teurer als an anderen Orten. Den Roggen lässt er sich mit fünf Talern statt mit 31/2 bezahlen, die Gerste mit 4 Talern statt mit 21/2. Bei diesen Kornverkäufen „außer Landes weserabwärts“ ist ihm Hinrich Mullen aus Pegestorf behilflich und macht mit ihm gemeinsame Sache.
Bei solchen Machenschaften nimmt es durchaus nicht wunder, dass der Amtmann im Jahre 1621 in der Lage ist, dem Herzog Friedrich Ulrich „zweytausendt Taler Müntze, jeden zu vierundzwanzig gute wolgeltende Silber- oder sechsunddreißig Mariengroschen gerechnet“; zu leihen, wofür dem Amtmann jährlich 120 Taler Rente zu stehen sollen. Als Unterpfand für die Schuldsumme gewährt ihm der Herzog die Kornpacht aus Brevördischen Gütern in Höhe von 1000 Talern, die bisher Statius von Münchhausen innegehabt hatte, ferner die jährlichen Kornzinse der Hofbesitzer Hans Scheunemann, Johann Godemann, Meinolf Redecker, Curdt Rumundt und Jürgen Winßmann zu Brevörde, „welche zusammen acht Scheffel, vier Himbten Roggen und 17 Scheffel 61/2 Himbten Habern außtragen“.
Mit dem Einmarsch der Tillyschen Truppen und der Eroberung der Burg brach das Unglück über das Amt und die Familie des Amtmannes herein. Er verlor den größten Teil seines Viehbestandes und der eben eingebrachten Ernte. Seine Ehefrau, die Tochter des früheren Amtmannes Casper de Wrede, war kurz zuvor von einem Kind entbunden und lag noch im Wochenbett danieder. Sie wurde „ohne einige christliche Mitleidenschaft ganz erbermlicher Weise bloß und elend darvongeführt“, wie Johann Wrede in einem Schreiben an den Herzog berichtet.
Zwei Jahre nach dem Überfall auf Polle ist Wrede Amtmann in Grohnde. Das geht aus einer kurzen Verfügung des herzoglichen Rates zu Wolfenbüttel vom 9. Februar 1625 hervor, in welcher Johann Wrede angehalten wird, Adolf Ludwig von Münchhausen die Hasenjagd im Amte Grohnde gegen eine jährliche Abgabe von 30 Hasen an die fürstliche Hofhaltung zu gestatten. Ein Jahr zuvor war der gewesene Amtmann Christoph Wichmann in Liquidation geraten und erklärte sich bereit, rund 2400 Taler Schulden, die er dem Amte gegenüber hatte, abzutragen.
Die frei gewordene Stelle in Grohnde und der schwere wirtschaftliche Verlust in Polle mögen Johann Wrede zu dem Wechsel veranlasst haben. Anderseits zeigt seine Berufung nach Grohnde, dass er bei dem Herzog in hoher Gunst stand.
Indessen nahmen die kriegerischen und politischen Ereignisse ihren Fortgang. Zwar war den Evangelischen 1625 in Christian von Dänemark ein Helfer entstanden, aber der Ausgang der blutigen Schlacht bei Lutter am Barenberge am 27. August 1626 zwang Herzog Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel-Kalenberg-Göttingen, sein Land den Kaiserlichen offen zu halten. Darüber hinaus verlangte das Restitutionsedikt von 1629 von ihm die Rückgabe des Hildesheimer Landes nach dem Stande von 1521. Tilly und Pappenheim besetzten alle Städte und festen Plätze der engeren Heimat. An die Stelle des Amtmanns Johann Wrede trat in Grohnde ein vom Bischof in Hildesheim bestellter katholischer Beamter. Wrede war mit seiner Familie, seinem Viehbestande und seinem Mobiliar nach Polle entwichen, verlor aber auch dort seine Schweine, Schafe und samt allen Hausrat. Amtmann in Polle war indessen Conrad Ludowig geworden. Dass Johan Wrede trotz aller Verluste nicht unvermögend war, beweist ein Kaufkontrakt vom 24. Juli 1628, den er mit der Gemeinde Polle über den Ankauf von Ländereien in der „finsteren Grund“ zum Preise von 100 Reichstalern abschloss.
Der Sieg Georgs von Lüneburg über die kaiserlichen Truppen bei Hessisch-Oldendorf am 28. Juni 1633 und die Rückeroberung Hamelns am 3. Juli beendete die Zwischenherrschaft des katholischen Amtmannes in Grohnde und gestattete die Wiedereinsetzung Wredes. Seine Klagen über eine völlige Zerrüttung des Amtshaushaltes waren wohl allzu berechtigt.
Als herzoglicher Kommissar für die Ämter Grohnde und Ärzen hatte er alle Hände voll zu tun, die alten Zustände wieder einigermaßen herzustellen. Die von dem katholischen Amtmann eingestellten Beamten mussten entlassen und die bewährten alten Beamten wieder eingestellt werden. Die Untertanen wurden ihres dem Bischof geleisteten Eides entbunden und als äußeres Zeichen das bischöfliche Wappen vor dem Flecken Grohnde gegen das herzogliche Wappen Friedrich Ulrichs auszutauschen.
Aus der Tatsache, dass im Jahre 1636 der bisherige Amtsschreiber Johann Hundertmark die Stellung eines Amtmannes zu Grohnde bekleidet, muss geschlossen werden, dass Johann Wrede in diesem Jahr das Zeitliche segnete. Über seinen vermutlich sehr frühen Tod liegen keinerlei Berichte vor. Die ständigen Aufregungen, die die kriegerischen Ereignisse mit sich brachten, hatten wohl allzu sehr an seinen körperlichen und seelischen Kräften gezehrt. Seine Ehegattin, „Sabine de Wrede, Johann Wreden sel. Amtmann unseres Hauses Grohnde hinterlassene Witwe“, bemühte sich in mehreren an den Herzog gerichteten Schreiben um die Anerkennung und Bestätigung ihrer ererbten Güter in Polle und Grohnde im Interesse ihrer Kinder. Aus dem bedeutsamen Zusatz „und weil ich nunmehr zur anderen Ehe geschritten“ ist zu entnehmen, dass sie sich um das Jahr 1639 in Hildesheim wohin sie von Grohnde aus verzog, wiederverheiratete.
Autor: Friedrich Wittkopp